Geschlossenes Lokal mit der Infotafel „Geöffnet: Leider nicht!“
ORF.at/Christian Öser
Verlängerter Ost-Lockdown

Regionalisierung bleibt Zauberwort

Der harte Lockdown in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland wird um eine Woche bis 18. April verlängert. In den restlichen Bundesländern sind aber weiterhin keine Verschärfungen angedacht. Laut Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist die Regionalisierung der Maßnahmen ein „Erfolgsmodell“. Die Länder scheint der Kanzler mit diesem Kurs zurzeit hinter sich zu wissen.

In Wien, Niederösterreich und dem Burgenland heißt es eine Woche länger: zu Hause bleiben. Bis 18. April muss der Handel mit den bekannten Ausnahmen seine Türen ebenso geschlossen halten wie körpernahe Dienstleister oder Museen und Zoos. Auch die Schülerinnen und Schüler bleiben in dieser Zeit weiterhin im Distance-Learning. Was Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bereits am Dienstagvormittag in den Raum gestellt hatte, wurde am Nachmittag nach Gesprächen zwischen Bundesregierung, Ländern, Opposition und Expertinnen und Experten bestätigt.

Im Rest von Österreich bleiben die im März gesetzten leichten Öffnungsschritte hingegen weiterhin unangetastet. Zwar sind auch dort die Ansteckungszahlen weiterhin hoch. Doch in einem Punkt unterscheiden sich die restlichen sechs Bundesländer von Wien, Niederösterreich und dem Burgenland: Noch kommen die Intensivstationen dort laut der Politik nicht an ihre Auslastungsgrenzen. Wenngleich ein Blick auf die österreichweite Statistik zeigt, dass in absoluten Zahlen mittlerweile beinahe gleich viele Intensivbetten mit Covid-19-Patientinnen und -Patienten belegt sind wie während der zweiten Welle im Herbst – mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Kurz sieht „stabile Situation“ in sechs Bundesländern

Die Verteilung sei aber österreichweit sehr unterschiedlich, so Kurz bei einer Pressekonferenz den Gesprächsrunden am Dienstag. „Wir haben in sechs von neun Bundesländern nach wie vor zwar relativ hohe Ansteckungszahlen, aber auf den Intensivstationen eine relativ stabile Situation. Und wir haben in drei Bundesländern eine deutlich angespanntere, nämlich in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland.“ Daher habe man sich in Absprache mit dem Experten darauf verständigt, „dass wir weiterhin auf regionales Vorgehen setzen“, so der Kanzler.

Lockdown im Osten bis 18. April verlängert

Bei den Beratungen der Bundesregierung mit Fachleuten, Opposition und Ländern am Dienstag ist das Weiterführen regionaler Maßnahmen beschlossen worden. Im Westen Österreichs bleibt der Status quo bestehen. In Wien, Niederösterreich und dem Burgenland wird der Lockdown hingegen bis 18. April verlängert. Zudem sollen in einer „Öffnungskommission“ Lockerungen ab Mai vorbereitet werden.

Dieses Vorgehen sei ein „Erfolgsmodell“, so Kurz, der insgesamt zufrieden auf die vor rund acht Wochen gesetzten Öffnungsschritte zurückblickte: „Es war möglich, durch intensives Testen, aber auch durch FFP2-Masken, die Ansteckungszahlen halbwegs unter Kontrolle zu halten. Ja, sie sind gewachsen, aber nicht explosionsartig, sondern in einer linearen Art und Weise.“

CoV-Zahlen: Epidemiologin zuversichtlich

Epidemiologin Eva Schernhammer zufolge könnte die Zahl der CoV-Infektionen ein Plateau erreicht haben. Das Bild in der Ostregion sei dennoch dramatisch, hier dauere es noch mindestens eine Woche, bis ein etwaiger Abwärtstrend sichtbar wird.

Darauf wies am Abend in der ZIB2 auch die Epidemiologin Eva Schernhammer hin. Ihr zufolge könnte die Zahl der CoV-Infektionen ein Plateau erreicht haben – was den Kurs regionaler Schritte unterstütze. Für die Ostregion zeige sich aber noch ein „dramatisches Bild“. Das sei auch der Grund für die viel härteren Maßnahmen im Osten. „Es wird zumindest noch eine Woche dauern, um zu sehen, ob die Intensivbettenbelegung einen Abwärtstrend vorhersehen lässt“, so Schernhammer.

Verweis auf Coronavirus-Ampel

Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sprach sich am Dienstag für die Fortführung der regionalen Strategie aus. Kogler hatte bei den Beratungen zuvor Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) vertreten, der krankheitsbedingt ausfiel. Oswald Wagner, der Vizerektor der MedUni Wien sagte, die Expertenschaft habe sich schon früh für eine Regionalisierung ausgesprochen, wozu die Coronavirus-Ampel hätte dienen sollen.

Das Konzept der CoV-Ampel war damals freilich auch am Widerstand der Länder gescheitert. Dass im Herbst manche Bundesländer härtere Schritte hätten setzen müssen als andere, war bei den betroffenen Landeshauptleuten auf wenig Gegenliebe gestoßen. Am Dienstag standen die Länder allerdings weitgehend hinter den regionalen Maßnahmen. Regionalisierung bedeutet derzeit aber eben auch, dass in den meisten Bundesländern nicht an der Verschärfungsschraube gedreht wird.

Schützenhöfer: Tag nicht vor dem Abend loben

Der zur Pressekonferenz mit Kurz und Kogler zugeschaltete Vorsitzende der Landeshauptleute-Konferenz, Steiermarks Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP), sagte, er sei „in der Vorwoche durchaus irritiert“ gewesen „über widersprüchliche Meldungen, die man dem Bund oder den Ländern zugeschrieben hat. Das war nicht gut, denn wir dürfen den Tag nicht vor dem Abend loben. Kein Bundesland kann sich sicher sein, dass nicht noch etwas explodiert. Wir haben diese Epidemie nicht überwunden, haben noch viel zu tun.“ Er sei „weit davon entfernt“, Termine zu nennen, „wann wer durchgeimpft ist, wann wir Öffnungsschritte machen können“.

Der ebenfalls zur PK zugeschaltete Wiener Bürgermeister Ludwig schloss seinerseits weitere Maßnahmen oder eine Verlängerung des Lockdowns über den 18. April hinaus nicht aus: „Die Lage ist sehr ernst. Deshalb haben wir in den drei Bundesländern der Ostregion sehr solidarisch gemeinsam beschlossen, dass wir eine Verlängerung der Schutzmaßnahmen bis mindestens 18. April vorsehen. Ich hoffe, dass das ausreichen wird.“

Sein Parteikollege, Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ), ließ zwar am Dienstag auch wissen, dass die Verlängerung des Lockdowns ein wichtiger Schritt sei. Er brachte aber auch Öffnungsschritte ins Gespräch. Kommende Woche wolle er Gespräche mit Anschober aufnehmen, um ein Regelwerk für Öffnungsschritte zu definieren. Es brauche verbindliche Kriterien, wann welche Lockerungen möglich sind, so der Landeshauptmann.

Kommission soll Öffnungsschritte vorbereiten

Auch Kurz stellte am Dienstag erneut mögliche Öffnungsschritte ab Mai in Aussicht. Dazu werde eine „Öffnungskommission“ eingerichtet: Sie solle aus Regierungsmitgliedern, Verantwortlichen für Sport, Kultur, Gastronomie und Tourismus, Städten, Gemeinden und Ländern sowie den Sozialpartnern bestehen. Im Rahmen der Kommission solle begonnen werden, Öffnungsschritte ab Mai vorzubereiten.

Kommission bereitet Öffnungen vor

Während der Lockdown in der Ostregion bis 18. April verlängert wird, erarbeitet eine eigens eingesetzte Kommission Pläne für Öffnungsschritte im ganzen Land. Diese sind, abhängig vom Infektionsgeschehen, für Mai geplant.

Auch der mögliche Einsatz des russischen Impfstoffs „Sputnik V“ in Österreich war Thema. Kurz sagte erneut, die Vertragsverhandlungen seien „in den letzten Zügen“. Es gebe die Chance, dass Österreich prioritär behandelt werde. Ob Österreich den Impfstoff früher als die EU zulassen könnte, ließ Kurz offen.

SPÖ sieht „Durchwurschteln“

Kritik kam am Dienstag einmal mehr von der Opposition. SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner sah ein „Durchwurschteln“ – halb offen, halb zu. So ziehe die Regierung den jetzigen Zustand unendlich in die Länge. Sinnvoll wäre es nun, für kurze Zeit alles runterzufahren in Österreich, die Infektionszahlen zu senken und mit viel Impfen die Chance auf einen annähernd normalen Sommer zu schaffen.

SPÖ: Bundesweite CoV-Maßnahmen fehlen

Für SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner wäre es sinnvoll, für kurze Zeit alles runterzufahren in Österreich, die Infektionszahlen zu senken und mit viel Impfen die Chance auf einen annähernd normalen Sommer zu schaffen.

Auch die FPÖ reagierte kritisch auf die Ergebnisse, allerdings aus anderen Gründen. Der Schaden für die Wirtschaft werde mit der Verlängerung des Lockdowns in der Ostregion vergrößert, der Nutzen in der Pandemiebekämpfung dürfe bezweifelt werden, meinte FPÖ-Chef Norbert Hofer in einer Aussendung.

NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger verlangte nach den Gesprächen einmal mehr ein „klares Ziel“ und eine damit „konsistente Kommunikation“. „Es hilft nicht, von Öffnungsschritten im Mai zu reden, wenn parallel darüber diskutiert wird, den Lockdown zu verlängern“, sagte sie in einer Aussendung. Die Lage gerade in den Intensivstationen sei „ein wesentlicher Gradmesser“ – „insofern ist ein regionaler Zugang insbesondere aufgrund der unterschiedlichen Belegzahlen auf den Intensivstationen richtig“.

Handel fordert zusätzliche Hilfen

Die Wirtschaftskammer Österreich zeigte sich zufrieden mit der Ankündigung einer „Öffnungskommission“. Präsident Harald Mahrer nannte das eine „richtige und vernünftige Maßnahme“. Jetzt gelte es, die Zeit bis Mai zu nutzen, um den nach wie vor vom Lockdown betroffenen Branchen Gastro und Hotellerie, im Kultur- und Veranstaltungsbereich sowie dem Handel und den körpernahen Dienstleistern im Osten des Landes eine Perspektive zu geben.

„Nach Verlängerung des harten Lockdowns in Ostösterreich ist es wichtig, dass die Unterstützungsmaßnahmen für die betroffenen Handelsbetriebe weiter gesichert sind“, richtete der Handelsobmann Rainer Trefelik einen Aufruf an die Politik. Eine sinnvolle Maßnahme sei eine Aufstockung des Ausfallsbonus. Zudem gelte es, rasch eine Lösung für die Deckelungsproblematik durch die von der EU vorgegebenen Grenzen für Wirtschaftshilfen zu finden.

Unverständnis für die Verlängerung des Lockdowns im Osten äußerte der Handelsverband. Die Entscheidung sei „kaum noch argumentierbar. Mit jeder weiteren Einschränkung des öffentlichen Raums verlagert man das Ansteckungsgeschehen noch stärker ins Private – wo man eben nicht kontrollieren kann“, so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will in einer Aussendung. „Den Handel, der kein Corona-Hotspot ist, zuzusperren, nur um die Mobilität der Menschen zu reduzieren – das ist nicht verhältnismäßig und das kann nicht der richtige Weg sein“, so Will.

Staudinger: „Aus zweiter Welle nicht herausgekommen“

Der Intensivmediziner Thomas Staudinger sieht Öffnungsschritte unterdessen skeptisch. Im Ö1-Morgenjournal am Mittwoch sagte er, dass man „aus der zweiten Welle nie wirklich herausgekommen“ sei. „Es war nie so, dass die Intensivmedizin seit Herbst massiv entlastet war“, so Staudinger.

Nun habe man auf diesem „relativ hohen Niveau“ noch zusätzliche Patientinnen und Patienten auf den Stationen, das „macht es so prekär“. Aus seiner Sicht sei es begrüßenswert, dass Öffnungen in Wien, wo Staudinger tätig ist, „vorläufig nicht zur Diskussion“ stehen.