Türkeis Präsident Recep Tayyip Erdogan mit EU-Ratspräsident Charles Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen
APTN
Kein Sessel für von der Leyen

„Sofagate“ auf EU-Türkei-Gipfel

Das Treffen von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident Charles Michel und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Ankara sorgt auch einen Tag danach für Wirbel: Denn ausgerechnet für die einzige Frau bei dem Treffen, das auch Frauenrechte zum Thema hatte, gab es keinen Sessel.

Auf einem Video ist zu sehen, dass die Kommissionschefin – anders als Michel – keinen Sitzplatz neben Erdogan bekam. Stattdessen musste sie auf einem Sofa weiter entfernt vom türkischen Präsidenten Platz nehmen. Sichtlich erstaunt quittierte von der Leyen das mit einem „Ähm“.

Unter Brüssel-Korrespondentinnen und -Korrespondenten spricht man nun von „#Sofagate“ – ein Hashtag, der rasch auch in Sozialen Netzwerken die Runde machte. Doch auch politisch schlägt der Vorfall Wellen.

Kein Sessel für von der Leyen

Für EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gab es keinen Sitzplatz neben Erdogan. Sie musste sich weiter entfernt auf ein Sofa setzen.

Laut einem Sprecher der Kommissionspräsidentin sei diese „überrascht“ gewesen, dass sie keinen Sessel neben Erdogan bekommen habe. Die Kommissionschefin habe „genau denselben protokollarischen Rang“ wie Michel. Deshalb hätte die Präsidentin „genau so sitzen müssen wie der Präsident des Europäischen Rates und der türkische Präsident“.

Die türkische Seite sah die Verantwortung für den Vorfall bei der EU. „Es wurden keine anderen Vorkehrungen getroffen als die, die von einer den Besuch vorbereitenden EU-Delegation gefordert wurden“, sagte ein Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur AFP. Laut Kommission war dabei die EU-Delegation in Ankara beteiligt, die vom Deutschen Nikolaus Meyer-Landrut geleitet wird.

Zahlreiche kritische Stimmen

Doch in der EU wurde die Verantwortung eindeutig Gastgeber Erdogan zugewiesen. Die sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende im Europaparlament, Iratxe Garcia Perez, verwies darauf, dass die Türkei gerade erst aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen ausgetreten ist. „Und jetzt lassen sie die Präsidentin der Europäischen Kommission ohne Platz bei einem offiziellen Besuch“, schrieb sie auf Twitter. Das sei „beschämend“.

„Ähm“ sei nun der neue Begriff für „so sollte die EU-Türkei-Beziehung nicht sein“, schrieb der grüne Abgeordnete Sergey Lagodinsky auf Twitter. Für die Liberale Sophie in ’t Veld war das „kein Zufall, es war Absicht“. Sie fragte auch, warum Michel gegen die Behandlung seiner Kollegin von der Leyen nicht protestiert habe.

Kritik kam auch aus Österreich: Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sagte, „die respektlose Behandlung“ der Kommisionspräsidentin „kann wenige Tage nach Aufkündigung der Istanbul-Konvention wohl nur als Provokation verstanden werden“. ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg warnte vor „Naivität oder Blauäugigkeit“ im Verhältnis zur Türkei.

Team Michel: Alles korrekt abgelaufen

Laut dem „Politico“-Newsletter bestand Michel auch nach seiner Rückkehr nach Brüssel darauf, dass protokollarisch alles korrekt abgelaufen sei. Schließlich war das Treffen zwischen Erdogan und Michel anberaumt, alle anderen seien lediglich „anwesend“ gewesen, heißt es aus dem Team des Ratspräsidenten.

Kein Sessel für von der Leyen

Das Treffen von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident Charles Michel und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Ankara sorgt auch einen Tag danach für Wirbel: Denn ausgerechnet für die einzige Frau bei dem Treffen, das auch Frauenrechte zum Thema hatte, gab es keinen Sessel.

Unmittelbar nach dem Treffen erwähnten weder von der Leyen noch Michel den diplomatischen Fauxpas. „Wir sind in die Türkei gekommen, um die Beziehungen neu zu beleben, und in dieser Hinsicht hatten wir ein interessantes erstes Treffen mit Präsident Erdogan“, fasste die Kommissionspräsidentin den Termin zusammen.

Kritik an Austritt aus Istanbul-Konvention

Sie fügte kritisch hinzu, die Türkei habe mit dem Austritt aus der Istanbul-Konvention für den Schutz von Frauen ein „falsches Signal“ gesendet. Darüber sei sie tief besorgt. Denn es gehe darin um den Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt. Erdogan selbst nahm an dem Pressestatement nicht teil.

Hauptergebnis der Gespräche war, dass die EU den Flüchtlingsdeal mit Ankara verlängert. In den letzten fünf Jahren zahlte die EU der Türkei sechs Milliarden Euro an Hilfsgeldern dafür, dass diese Flüchtlinge im eigenen Land aufnimmt und nicht nach Griechenland und damit in die EU weiterziehen lässt.

Schwierige Beziehung

Die Beziehungen zwischen der Staatengemeinschaft und dem geostrategisch und wirtschaftlich wichtigen Nachbarland sind seit Jahren – insbesondere seit dem gescheiterten Putschversuch, den seither andauernden rechtsstaatlichen Einschränkungen und erhöhtem Druck und Verfolgung politischer Gegner – deutlich belastet. Dazu kommen geopolitische Streitigkeiten: Neben dem Dauerthema Zypern geht es insbesondere um Erdgasbohrungen im Mittelmeer.

Nun gibt es von beiden Seiten wieder Annäherungsversuche, trotz der in Menschenrechtsfragen und Rechtsstaatlichkeit weiter unüberbrückbaren Gegensätze. Erdogan steht innenpolitisch wegen der dramatisch verschlechterten wirtschaftlichen Situation zunehmend unter Druck. Die EU wiederum ist auf die Kooperation der Türkei in Sachen Asyl und Migration angewiesen.