Melanie L. (ÖBAG) im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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„Ibiza“-U-Ausschuss

Chats „nicht für Veröffentlichung gedacht“

Die kürzlich publik gewordenen Chats zur Vorstandswerdung von Thomas Schmid bei der ÖBAG sind am Mittwoch im Fokus des „Ibiza“-U-Ausschusses gestanden. Als Erster befragt, bezeichnete Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) die Chats (etwa: „Du bist Familie“ oder „SchmidAG fertig!“) als „saloppe Formulierungen“ zwischen guten Bekannten. Eine Rolle in diversen Chats mit Schmid spielte auch die zweite Auskunftsperson.

Dabei handelte es sich um die Juristin Melanie L. – sie ist derzeit Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit bei der ÖBAG und damit eine enge Mitarbeiterin Schmids. Der Fokus des Interesses im Ausschuss liegt aber auf ihrer Tätigkeit im Kabinett des Finanzministers unter ÖVP-FPÖ, Hartwig Löger (ÖVP). Im Ausschuss war das Interesse an L. deswegen so groß, weil die Kärntnerin – politisch in der Jungen ÖVP sozialisiert – in regem Chatkontakt mit Schmid stand (und zwar im Vorfeld von dessen ÖBAG-Vorstandswerdung).

Zusammen mit ihr, L., überlegte Schmid im Zuge dessen etwa, wie die Büros in der Staatsholding ausgestattet würden – lange bevor seine Bestellung fix war. Auch sind durch die veröffentlichten Chats Unterredungen hinsichtlich der Bewerbungsformalitäten für den Posten dokumentiert. Im Ausschuss verneinte L., etwas Konkretes von Vorgängen rund um die Bestellung von Peter Sidlo zum Casinos-Finanzvorstand wahrgenommen zu haben.

Die Ermittler prüfen derzeit, ob ebendiese Bestellung des früheren FPÖ-Bezirksrats im März 2019 und die Bestellung von Schmid (zum ÖBAG-Chef) kurz darauf miteinander „verzahnt“ waren, woraus sich strafrechtliche Relevanz ableiten ließe – dafür gibt es derzeit aber keine Beweise. Hierbei ist Schmid Beschuldigter, es gilt die Unschuldsvermutung.

„Ich bitte um Verzeihung und Verständnis“

Gleich einleitend gab ÖBAG-Mitarbeiterin L. im Ausschuss an, dass sie Beschuldigte in einem Verfahren der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sei, es gehe um den Verdacht der falschen Zeugenaussage (es gilt wiederum die Unschuldsvermutung) – entsprechend häufig entschlug sich Auskunftsperson L. im Laufe der Befragung.

Die Chats bezeichnete sie als neue Art der Kommunikation, die in ihrer Generation üblich sei. Da sei die Wortwahl oft ungenau und es werde auch nicht sachlich formuliert, so L. Oft schwinge Sarkasmus oder Wut mit, oder Dinge würden aus Spaß geschrieben. „Das rechtfertigt aber nicht die Wortwahl und manche Formulierungen, die ich gewählt habe“, so L.

Melanie L. (ÖBAG) im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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Die enge Schmid-Mitarbeiterin L. bei der Ankunft – Aufnahmen im Ausschusslokal waren nicht zugelassen

Einige ihrer Nachrichten seien „unangebracht und unangemessen“, sie seien auch nicht für die Veröffentlichung gedacht gewesen. Heute würde sie nicht mehr so zu kommunizieren, so L. Sie habe sich schon bei vielen von ihr genannten Personen entschuldigt und tat dies im Ausschuss nochmals öffentlich. „Ich bitte um Verzeihung und Verständnis“, so L. Straftaten habe sie nie begangen und auch keine in ihrem Umfeld wahrgenommen.

Entschlagung zur ÖBAG-Ausschreibung

Die Chats legen nahe, dass die enge Schmid-Mitarbeiterin L. in die Erstellung der Ausschreibung für den ÖBAG-Chefposten involviert war. Herauszulesen ist auch Freude über Tipps des späteren ÖBAG-Prokuristen und nunmehrigen COFAG-Geschäftsführers Bernhard Perner. Der hatte unter anderem die Idee, internationale Erfahrung eher aus der Ausschreibung zu streichen, verhandlungssicheres Englisch drin zu lassen und noch weiteres. „Perner Tipps sind sehr gut“, schrieb Schmid etwa an L.

Eva Maria Holzleitner (SPÖ) im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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SPÖ-Mandatarin Eva Holzleitner fragte L. zum Bewerbungsprozess für den ÖBAG-Vorstandsposten

SPÖ-Mandatarin Eva Holzleitner fragte L. nach Motivationsschreiben und ob Korrekturlesen und Überarbeiten zu ihrer Arbeit gehöre. „Das gehört nicht zu meinem Aufgabenbereich“, so L. – außer man frage sie privat nach ihrer Meinung. Eine Antwort von L. zur vermuteten Involvierung in Formulierungsfragen zur Ausschreibung war nicht zu erhalten, sie verwies auf das laufende Strafverfahren gegen sie.

Fragen zur türkisen „Familie“

Gefragt nach der Beziehung zwischen Blümel und Schmid, sprach die Schmid-Mitarbeiterin von einem „professionellen, sachlichen Miteinander“, mehr könne sie dazu nicht sagen, („Ich kann das von außen nicht einschätzen“), so L. Auch zwischen Schmid und Kurz gebe es einen sehr sachlichen Umgang.

Weil NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper nach eigenen Angaben mehr über die „Familie“ wissen wollte, erkundigte sie sich nach der Tätigkeit von L. als Geschäftsführerin der Abwicklungsgesellschaft Immobilien- und Industriebeteiligungs GmbH im Portfolio der ÖBAG (diesen Job hat sie neben ihrer Tätigkeit als Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit bei der ÖBAG inne).

Stephanie Krisper (NEOS) im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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Krisper wollte Einblicke in die türkise „Familie“ bekommen

„Bestgeeignete Kandidatin“

Für den Posten, den sie seit Oktober 2019 innehabe, sei sie die „bestgeeignete Kandidatin“ gewesen, Schmid sei einer von drei Entscheidungsträgern gewesen. Über das Bewerberumfeld konnte L. wenig sagen. Krisper zweifelte die Eignung von L. offen an („Voraussetzungen nicht erfüllt“, „nicht geeignet“). Wieso sie ausgewählt worden sei, müsse man jene Personen fragen, die sie ausgewählt hätten, so L. – sie verwies auf ihre Erfahrung in der ÖBAG.

Weil sich im Zuge der Befragung Aufregung zu entspinnen begann, erhielt L. Rückendeckung vom neuen ÖVP-Fraktionsvorsitzenden Andreas Hanger („nicht nur unterstellend, sondern auch beleidigend“). Gefragt nach dem Gang zur ÖBAG 2019, gab L. an, sie habe sich für das „spannende Umfeld“ der ÖBAG interessiert, so sei es nach vielen Jahren im Finanzministerium (2013 bis 2019) auch zum Wechsel dorthin gekommen. Bereits in der langen Zeit im Ministerium sei Schmid ihr Vorgesetzter gewesen, so L.

„Signa-Leuten zuerst absagen“

Auch die ÖBAG-Zentrale in der Wiener Kolingasse war Thema bzw. genauer gesagt der dortige Einzug der ÖBAG – auf Grundlage der Chatverläufe. Aus diesen erschließe sich, dass man vor der Zusage dort „den Signa-Leuten zuerst absagen“ müsse, wie Krisper vorlas. Was das bedeute? Das habe sich auf ein Besichtigungsobjekt der Signa Holding von Investor Rene Benko bezogen, so L. Ob es ein Angebot der Signa gegeben habe, konnte L. nicht sagen – keine Wahrnehmung.

Auch konnte sie nichts zum Verhältnis von Schmid zu Benko sagen, ebenso wusste sie nichts über ein Treffen der beiden im Finanzministerium zu berichten, über das sie sich in einem Chat ausgetauscht hatte. Auch fragte Grünen-Fraktionsvorsitzende Nina Tomaselli zur Kolingasse – etwa wann es die ersten Überlegungen zum Gang dorthin gab. Beginn zweite Jahreshälfte 2018, so L. Es seien mehrere Objekte geprüft worden, Details konnte sie nicht nennen.

Aus einem Chat erschließt sich, dass man Entgegenkommen (wohl bei den Konditionen) erwartet habe, genau konnte sich die Auskunftsperson nicht mehr erinnern. Auch nicht an die genauen Eigentümerkonstruktionen, die sich 2019 geändert haben.