Detektiv Julian H. im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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„Ibiza“-Detektiv

Video war „notwendige Aktion“

Das „Ibiza-Video“ hat die ÖVP-FPÖ-Regierung zu Sturz gebracht – entsprechend war der Auftritt des „Ibiza“-Detektivs und mutmaßlichen Videoorganisators Julian H. im „Ibiza“-Ausschuss am Donnerstag von spürbarer Spannung begleitet. H. sprach von einer „notwendigen Aktion“, wenngleich es das Video gar nicht hätte geben müssen, wie er sagte.

H. soll an der Erstellung des „Ibiza-Videos“ maßgeblich beteiligt gewesen sein und gilt als Erfinder der „Oligarchennichte“, die Ex-FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Ex-FPÖ-Klubchef Johann Gudenus aufs Glatteis führte. Ende 2020 wurde Julian H. in Berlin verhaftet, Anfang März nach Österreich ausgeliefert – seitdem sitzt er in U-Haft. H. werden Erpressung und mutmaßliche Drogendelikte vorgeworfen, für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

Einleitend sagte H., dass es das „Ibiza-Video“ nicht geben hätte müssen. Wären Ermittlungen eingeleitet worden, hätte es gar keine Existenzberechtigung gehabt, so H. sinngemäß. Er sprach damit die bereits ab 2015 gesammelten Vorwürfe des damaligen Leibwächters von Strache an, der belastendes Material gegen ebendiesen gesammelt hatte.

Polizei „sah bewusst weg“

Die Polizei habe nichts getan, beklagte H. – sie habe „bewusst weggesehen“, es sei daher erforderlich gewesen, die Vorwürfe des Ex-Leibwächters gegen Strache objektiv zu untermauern. H. gab an, selbst die Idee zum Video gehabt zu haben – kleinere Handlanger habe es gegeben und die Darstellerin der Oligarchin.

Anwalt Alfred Noll und Detektiv Julian H. im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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H. (hinten rechts) bei seiner Ankunft, seine Vertrauensperson ist Alfred Noll (hinten Mitte)

H. verweist auf aktuelle Chats

Er habe niemanden zu erpressen versucht, und es habe keine Hintermänner bzw. Auftraggeber gegeben, betonte H. Auch sei kein Nachrichtendienst involviert gewesen. Und es habe sich um eine „notwendige Aktion“ gehandelt – die Chats zeigten nun ein Sittenbild des österreichischen politischen Systems, das es aufzuzeigen gegolten habe.

„Das Video sollte seit jeher vorliegende Vorwürfe objektiv dokumentieren – Einflussnahmen und Käuflichkeit in der Republik.“ Beim ehemaligen FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus will H. „schon bei einem ersten Treffen die Korruptionsbereitschaft wahrgenommen“ haben. Bemerkenswert war H.s Aussage, wonach ihm Gudenus am Tag vor der Videoaufnahme gesagt habe, die ÖVP habe vor einer Videofalle gewarnt. Wörtlich habe er gesagt: „Wir müssen sehr vorsichtig sein, wir haben aus dem Kurz-Umfeld gehört, dass man uns eine Videofalle stellen will.“

„Ich sollte mundtot gemacht werden“

Nach der Veröffentlichung seien aus den Boten der schlechten Nachricht Täter produziert worden, sagte H. Es werde eifrig daran gewerkt, ihn mundtot zu machen („Ich sollte mundtot gemacht werden“). Er zweifle daran, ein faires Verfahren zu bekommen, so H. Das Video sei nicht verkauft worden, obwohl es teils hochdotiertes Interesse gab, allen voran aus dem Glücksspielsektor und aus dem Strache-Umfeld bzw. Mittelsmännern.

Kaufangebote oder gar Erpressungsversuche habe es aber seinerseits zu keiner Zeit gegeben („Ich war nicht daran beteiligt“) – ihm sei das erst aus den Medienberichten und dem Akt bekanntgeworden. Den „Ibiza“-Anwalt M. habe er im März oder April 2015 in einem Wiener Innenstadtlokal kennengelernt. Andere Anwälte seien nicht eingebunden gewesen.

M. spricht von Drohungen und Überwachung

M. hatte ja Personen aus dem Umfeld von SPÖ und NEOS getroffen und diesen das Video offeriert – H. gab im Ausschuss an, nicht eingebunden gewesen zu sein und die entsprechenden Personen auch nicht zu kennen – auch Finanzierungen aus diesen Richtungen habe es nicht gegeben. Generell habe es kein „monetäres“ Interesse gegeben. Von „Spiegel“ und „Süddeutscher Zeitung“ habe er weder Geld noch sonstige Zuwendungen erhalten, wie H. auf Fragen von FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker angab.

Christian Hafenecker (FPÖ) im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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FPÖ-Fraktionschef Hafenecker fragte H. nach Hintermännern und Geldflüssen

Der FPÖ-Mandatar fragte H. auch, wer ihm rund ums Video angeboten habe, die SPÖ zu belasten. H. verwies auf Drohungen und Geldangebote, mit denen „kein freundschaftliches Geschäftsverhältnis aufgebaut werden“ sollte, zudem habe er Überwachungen wahrgenommen – die meisten seien von minderer Qualität gewesen, eine habe er ernst nehmen müssen. Überwachung im öffentlichen Raum sei schwierig und gehöre zur „hohen Schule“ – die Vorgänge seien dann abgebrochen worden, nachdem sie aufgefallen waren.

Keine Details zu angeblichen weiteren Videos

Erzählt habe er im Vorfeld der Veröffentlichung des Videos davon „einer Reihe von Personen“, so H. Gefragt nach angeblichen weiteren Videos von Politikern sprach H. von „Vorbereitungsvideos“ für „Ibiza“. Details waren nicht zu erfahren, er müsse sich entschlagen, weil er hierzulande „intensiv strafverfolgt werde“, wie er auf Fragen von SPÖ-Fraktionsvorsitzendem Kai Jan Krainer sagte, der sich wiederum auf H.s Angaben im deutschen parlamentarischen Wirecard-U-Ausschuss bezog (dort wurde H. unlängst in geheimer Sitzung befragt).

Im „Ibiza“-Ausschuss wurde das nicht öffentliche Protokoll aus dem deutschen Ausschuss vorgelegt. Darin berichtete H. von einem Video mit österreichischen Politikern, von dem ihm aber lediglich berichtet worden war, wie H. schilderte. Dabei gehe es um Hinterzimmer in Clubs und Drogenkonsum.

Vorsitzender Friedrich Ofenauer (ÖVP) „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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Den Ausschussvorsitz führt Friedrich Ofenauer (ÖVP) – am Vortag rückte er ja in diese Position, weil Andreas Hanger den Fraktionsvorsitz übernahm

Nach dem Erscheinen des „Ibiza-Videos“ habe es diverse Angebote für das Video gegeben, von zwei Millionen bis zu 10.000 Euro sei das gegangen, die habe ein Verein geboten. Per E-Mail seien die einen Angebote gekommen, andere seien an ihn herangetragen worden, sagte H.

Schreiben an Hofburg als „Schutzschrift“

FPÖ-Mandatar Hafenecker sprach H. später auf ein Schreiben an, das H. an die Präsidentschaftskanzlei geschickt hat. Er berichtete darin von Repressalien, die er nach der Veröffentlichung des Videos befürchtete. Im Gegensatz zu Innenministerium bzw. Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) sei ihm die Hofburg als Adressat geeignet erschienen, seine „Schutzschrift“ oder sein „Testament, wenn Sie es so nennen wollen“, zu schicken. Es habe ihn gewundert, dass man das so lange liegen gelassen und nicht ihn oder seinen Anwalt kontaktiert habe. Das Schreiben sei seine Idee gewesen, aufgesetzt habe es „Ibiza“-Anwalt M.

„Ermittlungen gegen alle Prinzipien der Unabhängigkeit“

Auch die Ermittlungen waren in der Befragung Thema: Diese seien zunächst „von einer handverlesenen Truppe von Ermittlern“ begonnen worden. Diese hätten dann „gegen alle Prinzipien der Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit“ ermittelt. „Man denke nur an den Beamten, der sich von Strache den Rücktritt vom Rücktritt wünschte“, so H. Der ehemalige Leiter der „SoKo Ibiza“, Andreas Holzer, habe „von Anfang an alles gewusst“, sagte H. und sprach vom Jahr 2015.

Nach weiterem Austeilen gegen die Staatsanwaltschaft und der Frage warum die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nicht ermittelte, sagte H.: „Meine x-fach eingebrachten Anzeigen wurden teils innerhalb eines Tages eingestellt, Dienstaufsichtsbeschwerden zurückgewiesen.“

Und es sei zu sehen, wie Medien gefüttert würden mit Akten aus einem Verschlussakt, beklagte H. – während Beschuldigte keine Akteneinsicht bekommen und am Ende froh sein müssen, überhaupt Informationen zu bekommen. So fragte sich H., wieso die WKStA bei der „Ibiza“-Untersuchung außen vor gelassen werde.

Dabei seien „Aufklärung und Transparenz aber notwendig und unumgänglich“, sagte der Videomacher. Und in einem Land, das von sich behaupte, ein gefestigter Rechtsstaat zu sein, sei das unglaublich, so H. – Kritik übte er auch am Justizministerium. „Lassen Sie es nicht zu, dass Sie von der Exekutive und Medien hinters Licht geführt werden, machen Sie sich ein eigenes Bild“, forderte er die Mandatare auf.

Der Grünen-Mandatar David Stögmüller kam auf das Projekt „Mezzo“, eine Operation im Bereich des Tabakschmuggels, zu sprechen. Der internationale Tabakkonzern Philip Morris soll eine Detektei mit Ermittlungen beauftragt haben, dabei kam es zur Kooperation mit der Finanzpolizei und dem Bundeskriminalamt. Er sei da involviert gewesen, sagte H.

Auch OeNB-Direktor geladen

Nach H. kommt der Direktor der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Thomas Steiner, als Auskunftsperson an die Reihe. Er war unter der ÖVP-FPÖ-Regierung Chef der Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA) und soll vordringlich zum Beweisthema „Reform der Finanzmarktaufsicht (FMA)“ befragt werden.