Screenshot von der Facebookseite Sputnikvaccine
www.facebook.com/sputnikvaccine
Wirkung im Hintergrund

Kampagnenschlacht um einen Impfstoff

Der Ankauf des russischen CoV-Impfstoffs „Sputnik V“ für Österreich steht im Raum, ein Einsatz ist aber angesichts fehlender Zulassung in nächster Zukunft nicht absehbar. Auch in anderen EU-Ländern versucht Russland, sich auf dem Markt zu positionieren, und fühlt sich dabei durch westliche Kampagnen behindert. Umgekehrt ist die Moskauer Marketingmaschine voll angelaufen – nicht nur in Bezug auf bilaterale Verhandlungen.

„V is for Victory“ („V steht für Sieg“) lautet der Slogan, mit denen von aus Russland betriebene Social-Media-Accounts Stimmung für die Impfung mit „Sputnik V“ machen. Auf Instagram wird eine Russland-Reise für das beste Selfie mit Victory-Zeichen verlost – „Schließe dich der Kampagne an, um einen der Preise zu gewinnen oder einfach, weil du es nicht erwarten kannst, die Pandemie mit Hilfe der Wissenschaft zu besiegen“, lautet der Aufruf.

Auf YouTube sind es Videos in Nachrichtenoptik, die wöchentlich über die internationalen Erfolge der Kampagne berichten. Vorverträge mit verschiedenen Ländern, der Start der Produktion von „Sputnik V“ in Korea und ähnliche Erfolgsmeldungen werden dort geteilt und sollen Stimmung machen.

Russischer Account ortet zahlreiche „Fake News“

Auf Twitter ist der Ton des „Sputnik V“-Accounts durchaus rauer – und alles was nicht uneingeschränkt pro-„Sputnik“ ist, wird als „Fake News“ abgestempelt. Dass die slowakische Arzneimittelbehörde den Impfstoff am Mittwoch nicht zur Zulassung freigegeben hatte, liege daran, dass „Feinde“ von „Sputnik V“ in der Slowakei versuchen würden, die Reputation des Impfstoffs zu zerstören.

Deutlich wird auf Twitter auch der Graben zwischen Russland und der EU: Die Einschätzung des Impfstoffbeauftragten der EU-Kommission, Thierry Breton, dass „Sputnik V“ der EU nicht kurzfristig aus der Impfmisere helfen könne, weil die Zulassung und der Aufbau der Produktionskapazitäten noch einige Monate dauern würden, sei falsch, so der von einer Agentur betriebene, offizielle „Sputnik“-Twitter-Account. So hätte Kasachstan sehr wohl innerhalb weniger Monate eine eigene „Sputnik“-Produktion auf die Beine gestellt.

Breton und die EU würden durch den Druck der Pharmalobbys und aus geopolitischen Interessen gezielt Stimmung gegen den Impfstoff machen. Eine hochrangige anonyme Quelle im Kreml, hinter der Beobachter in Moskau Wladimir Putins Pressesprecher Dmitri Peskow vermuteten, hatte etwa am 12. März in den großen russischen Nachrichtenagenturen vor groß angelegten Kampagnen der USA und ihrer Verbündeten gegen den russischen Impfstoff gewarnt. Involviert dabei seien die (in Russland verbotene, Anm.) Soros Foundation, die Nachrichtenagentur Reuters und die BBC. Das Ziel sei, so hieß es, den Impfstoff von Pfizer zu unterstützen.

Der russische Auslandsgeheimdienst SWR legte nach und ortete ebenfalls „Bemühungen einer Reihe von Vertretern der Eurobürokratie, bedingungslos den harten Vorgaben Washingtons in Bezug auf Russland und alles, was mit unserem Land zu tun hat, zu folgen“, so der SWR-Pressesprecher. Das habe „einfach groteske Formen angenommen“.

Ein Mann auf Mission

Längst hat sich Moskau deshalb darauf verlegt, die EU hintanzustellen und mit einzelnen Staaten zu verhandeln – angesichts der schleppend und mit Pannen angelaufenen EU-Impfkampagne durchaus mit Erfolgsaussichten. An vorderster Front dabei ist Kirill Dmitrijew, Chef des milliardenschweren Russischen Fonds für Direktinvestitionen (RDIF).

Der Fonds hat die Entwicklung von „Sputnik V“ finanziert und Dmitrijew ist im Auftrag des Kreml – ein direkter Draht zu Putin wird ihm nachgesagt – dabei, den Impfstoff im Ausland zu vermarkten. Von seinem Produkt scheint er vorbehaltlos überzeugt: Er selbst habe sich bereits dreimal mit dem Vakzin impfen lassen, erklärte er in einem Interview mit dem „Spiegel“, das erste Mal, bevor der Impfstoff in Russland zugelassen war, das zweite Mal zur Auffrischung, das dritte Mal, um seine Immunreaktion zu testen.

Dank Dmitrijews Engagement konnte Russland seine Impfstoffe öffentlichkeitswirksam bereits an mehr als 20 Staaten liefern, es ist von Zulassungen in knapp 60 Staaten weltweit die Rede. Die enormen Mengen, die derzeit als Lieferversprechen an all diese Vertragspartner durch die Medien geistern, klingen unrealistisch – hängen aber damit zusammen, dass Russland nicht nur die fertigen Dosen ausliefern will. Vielmehr ist geplant, dass die Partnerländer ihren „Sputnik V“ so schnell wie möglich selbst produzieren. Nach Angaben des Staatsfonds sind bereits Unternehmen in Indien und China an Bord. Auch Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien sollen Produktionsabsichten verfolgen.

„Sputniks“ Pferdefuß: Die fehlende Zulassung

Auch in Wien führte Dmitrijew Anfang März Gespräche mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) über Lieferungen des Impfstoffs nach Österreich. Die Vertragsverhandlungen mit Russland seien mittlerweile „in den letzten Zügen“, heißt es. Unklar blieb einstweilen, welche Bedingungen Russland für eine Lieferung von „Sputnik V“ nach Österreich stellen könnte. In Bezug auf Tschechien hatte der offizielle Twitter-Account des Impfstoffs Ende vergangener Woche eine nationale Zulassung als Bedingung für eine Lieferung nahegelegt.

Russland betont die Sicherheit und vor allem die Wirksamkeit des Impfstoffs. Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit seien in einer im renommierten Fachblatt „The Lancet“ veröffentlichten Studie mit rund 20.000 Teilnehmern publiziert worden. Der Studie zufolge war der Impfstoff „grundsätzlich sicher“ und zeigte auch eine Effektivität von um die 90 Prozent. Für ein EMA-Verfahren sind die vorliegenden Daten jedoch noch nicht ausreichend – es dürfte noch Wochen, wenn nicht Monate dauern, bis „Sputnik V“ entsprechend der EU-Kriterien überprüft und zugelassen wird.

Alleingang Österreichs auf Risiko der Regierung?

Um in der aktuellen Impfstoffmisere in Österreich nützlich zu sein, brauchte es also eine Verordnung des Gesundheitsministeriums auf Basis des österreichischen Arzneimittelgesetzes. Markus Zeitlinger, Vorstand der Universitätsklinik für klinische Pharmakologie der MedUni Wien, sprach sich vorige Woche dagegen aus. Dass man versuche, den Impfstoff zu reservieren, sei gut. Einen Einsatz in Österreich ohne Zulassung durch die EMA befürworte er jedoch nicht – das würde bedeuten, „dass die Regierung und der Gesundheitsminister sehr viel Verantwortung übernehmen“.