Presserat: Kurz-Strache-SMS-Chat darf veröffentlicht werden

Die Veröffentlichung von SMS-Chatprotokollen zwischen mehreren Spitzenpolitikern der ehemaligen ÖVP-FPÖ-Regierung in einem Artikel im „Standard“ (Onlineausgabe) ist nach Ansicht des Pressrats zulässig. Sie seien von eindeutigem öffentlichen Interesse und verstoßen damit nicht gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse, teilte das Selbstkontrollorgan in einer Aussendung heute mit.

Im Artikel „SMS von Kanzler Kurz an Vizekanzler Strache: ‚Verkauf mich nicht für deppert!‘“ vom 9. März finden sich mehrere Zitate aus verschiedenen Chatnachrichten von Mitgliedern der damaligen Bundesregierung – darunter Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der ehemalige Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, Norbert Hofer, Herbert Kickl (beide FPÖ) und Gernot Blümel (ÖVP).

Sie behandeln Themen wie die Mindestpension und ein geplantes ORF-Gesetz. Auch Auszüge aus Chats zwischen Strache und Kurz zu rechtsextremen Vorfällen und dem „Ibiza-Video“ sind enthalten. Aus manchen Nachrichten lässt sich das private Verhältnis der ehemaligen Regierungsmitglieder zueinander ableiten.

Leser kritisierte Veröffentlichung

Ein Leser kritisierte die Veröffentlichung der Chatprotokolle. Seiner Ansicht nach sei auch Politikern in Regierungsämtern ein gewisses Maß an Privatsphäre zuzugestehen. Der Presserat musste in diesem Fall somit das schutzwürdige Interesse an der Nichtveröffentlichung gegen ein allfälliges Interesse der Öffentlichkeit abwägen (Punkt 10 des Ehrenkodex).

Der Presserat hielt fest, dass Politikerinnen und Politiker grundsätzlich weniger Persönlichkeitsschutz als Privatpersonen genießen und die Kontrolle der staatlichen Gewalten eine der Kernaufgaben der Medien sei. Außerdem gebe es aufgrund von Korruptionsvorwürfen gegen einige der zitierten (ehemaligen) Regierungsmitglieder strafrechtliche Ermittlungen. Bei derartigen Verdachtsfällen sei die Presse- und Meinungsfreiheit von vornherein weit auszulegen.

Ebenfalls für eine Entscheidung im Sinne des „Standard“ spreche, dass der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die veröffentlichten Nachrichten als relevant für den eingesetzten „Ibiza“-Untersuchungsausschuss bewertete.