Frau wird gegen das Coronavirus geimpft
Reuters/Zorana Jevtic
Coronavirus

Serbien stoppt vorerst „Impftourismus“

Der „Impftourismus“ ist vorerst vorbei: Serbien hat die Impfung ausländischer Bürger und Bürgerinnen gestoppt. Nun liege der Fokus auf der heimischen Bevölkerung, sagte Ministerpräsidentin Ana Brnabic am Donnerstag. Doch im Land selbst ging das Interesse an Impfungen in den vergangenen Wochen zurück.

Am letzten Wochenende im März konnten sich in Serbien, wo es nicht an Impfstoff mangelt, auch ausländische Bürger und Bürgerinnen impfen lassen. Es hieß zuerst, dass es sich um eine Aktion der Wirtschaftskammer Serbiens handle, um Wirtschaftsleuten aus der Region zu helfen. In der Tat wurde an jenem Wochenende aber jeder Ausländer und jede Ausländerin geimpft, die sich zuvor über ein regierungseigenes E-Portal angemeldet hatten – insgesamt waren es 22.000 Personen.

Was zuerst nur ein Gerücht war, wurde später von Brnabic bestätigt. Bei 20.000 bis 25.000 Dosen AstraZeneca-Impfstoff drohte das Haltbarkeitsdatum abzulaufen. Man entschloss sich daher, auch ausländische Bürger und Bürgerinnen zu impfen. „Das war keine Politik, nur ein Ausdruck der Solidarität“, so Brnabic. Aber die Kritik an der Einladung ausländischer Bürger und Bürgerinnen zur Impfung in Serbien wurde lauter. Insbesondere die Ärztegruppe „Vereinigt gegen Covid“ übte Kritik daran, weil es keine akzeptable Erläuterung für ein solches Verhalten der Behörden gebe.

„Italienischer Impftourismus“

Auch von anderen Seiten wurde betont, dass die Impfung der eigenen Bevölkerung Vorrang haben sollte. Beobachter und Beobachterinnen vermuteten, dass die serbische Regierung mit der Impfaktion Politik mache. So spendete das Land auch Impfstoff an Nordmazedonien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina. In Serbien, das kein Mitglied der EU ist, werden fünf Impfstoffe verabreicht: der chinesische Impfstoff von Sinopharm und der russische „Sputnik V“, die in der EU noch nicht zugelassen sind, sowie jener von AstraZeneca, jener von Moderna und jener von Pfizer und Biontech.

Geschäftsleute in Belexpo-Impfzentrum in Belgrad
Reuters/Zorana Jevtic
Die Impfungen in Serbien schreiten voran – zuletzt ging das Interesse allerdings ein wenig zurück

Zuletzt hatte der börsennotierte Salzburger Kranhersteller Palfinger 40 Schlüsselarbeitskräfte in Serbien gegen das Coronavirus impfen lassen. „Wir verlieren mittlerweile Aufträge, die sich über die nächsten drei bis fünf Jahre erstrecken, weil unsere Mitarbeiter nicht vor Ort sein können“, begründete Palfinger-CEO Andreas Klauser das Vorgehen – mehr dazu in salzburg.ORF.at. Auch andere heimische Unternehmen hatten in der Vergangenheit mehrmals ventiliert, sich selbst Impfstoff zu beschaffen, um ihre Schlüsselkräfte impfen zu können.

Besonders begehrt dürfte die Einladung Serbiens bei Italienerinnen und Italienern sein, berichtete erst kürzlich die Tageszeitung „Corriere della Sera“. Unzählige Menschen aus Italien meldeten sich über die Website des serbischen Konsulats in Mailand und der Botschaft in Rom für die Impfung an. Das Blatt berichtete von „italienischem Impftourismus“ in Richtung Serbien, obwohl es nicht einfach sei, das Balkan-Land zu erreichen.

Impfmusterland mit sinkendem Impfinteresse

Serbien gilt als Impfmusterland, aber das Interesse in der Bevölkerung, sich impfen zu lassen, ging in den vergangenen Wochen zurück. Deshalb startete das Land diese Woche eine neue Impfkampagne. „Lass auch du dich impfen! Um ins Leben zurückzukehren“, ist auf den Werbeplakaten mit dem Bild von Gorica Popovic, einer der beliebtesten Schauspielerinnen des Landes, zu lesen. Bis Ende April sollen landesweit 40 Prozent der Erwachsenen wenigstens eine Impfdosis erhalten haben. So lautet jedenfalls der Plan der Regierung.

Laut Amtsangaben wurden bis Mitte der Woche immerhin bereits 1,5 Millionen Menschen geimpft, knapp 1,2 Millionen haben auch schon die zweite Impfdosis erhalten. 26 Prozent der Erwachsenen wurden geimpft, 20 Prozent mit beiden Impfdosen. In der Bevölkerungsgruppe über 65 ist der Anteil der Geimpften noch wesentlich höher. Den Schritt, dem Impfprozess neuen Schwung zu geben, hat Anfang der Woche Präsident Aleksandar Vucic höchstpersönlich unternommen.

Serbischer Prmierin Ana Brnabic wird gegen das Coronavirus geimpft
Reuters/Fedja Grulovic
Auch Serbiens Ministerpräsidentin Brnabic ließ sich bereits impfen

Er ließ sich vor wenigen Tagen in einem Dorf nahe dem ostserbischen Majdanpek impfen. Die Geste, die seine Landsleute außerhalb der größten Städte dazu bewegen soll, sich impfen zu lassen, hatte wohl auch einen politisch-wirtschaftlichen Hintergrund. In Majdanpek befindet sich ein Kupferbergwerk, das dem 2018 von der chinesischen Firma Zijin gekauften Kupferproduzenten Bor gehört. Die Tatsache, dass sich Vucic für das chinesische Sinopharm-Vakzin entschied, wird auch als Unterstützung für chinesische Investoren in seinem Land gedeutet.

Kritik an EU, Lob für „chinesische Brüder“

Vor gut einem Jahr hatte Vucic sehr heftig die Europäische Union wegen fehlender Solidarität in Krisenzeiten kritisiert. Europäische Solidarität existiere nicht mehr, meinte er damals. Gleichzeitig lobte er die „chinesischen Brüder“. Wie andere Staaten hatte auch Serbien wichtige Hilfsgüter aus China erhalten. Auch ein ärztliches Team hatte im Vorjahr dem Land wochenlang geholfen, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen.

Die meisten Bürger und Bürgerinnen Serbiens, wo man derzeit den Impfstoff frei wählen darf, erhielten das Sinopharm-Vakzin, von dem Serbien bisher 2,5 Mio. Dosen erhalten hat. Eine weitere Million Impfdosen entfallen auf die Produkte von Pfizer, AstraZeneca und „Sputnik V“. Ab 20. Mai soll im Torlak-Institut für Virologie in Belgrad mit der Abfüllung des russischen Impfstoffes begonnen werden. Im Herbst soll in Serbien auch die Produktion von Sinopharm starten.

„Weltjournal“: Serbien als „Impfparadies“

Serbien ist – nach Großbritannien – das Land in Europa mit den meisten Menschen, die bereits gegen das Coronavirus geimpft sind. 1,3 Millionen der knapp sieben Millionen Einwohner und Einwohnerinnen haben zumindest eine Dosis erhalten, mehr als 800.000 auch die zweite.

Die Coronavirus-Diplomatie Pekings dürfte, wie Beobachter vermuten, die chinesischen Geschäfte in Serbien weiter festigen. Die erfolgreiche Impfstoffbesorgung dürfte andererseits auch Vucic einen erneuten Wahlsieg bei der im kommenden Jahr anstehenden Präsidentschaftswahl sichern. Andererseits und wohl nicht nur wegen der Coronavirus-Krise macht sich aber auch die Distanzierung des EU-Beitrittskandidaten Serbien von Brüssel spürbar. So wurde im Vorjahr gar kein Beitrittskapitel geöffnet.