Mitarbeiter an der Produktionsstraße des MAN-Werks Steyr
APA/Werner Kerschbaummayr
MAN Steyr

Nach Votum viele Fragen offen

Nach dem abschlägigen Votum der MAN-Steyr-Belegschaft zum Übernahmeangebot von Siegfried Wolf geht das Ringen um den Standort in Oberösterreich weiter. Während die Konzernmutter das Werk bis 2023 schließen will, möchte die Gewerkschaft die vereinbarte Standortgarantie bis 2030 einklagen. Zwischen diesen beiden Szenarien könnten weitere Verhandlungen liegen – doch vieles ist noch ungewiss.

Am Mittwoch sprachen sich fast zwei Drittel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Steyr in einer Urabstimmung gegen das Angebot von Wolf aus. Der Ex-Magna-Chef wollte laut seinem Konzept von der aktuell knapp 1.900 Personen zählenden Stammbelegschaft rund 1.250 Leute übernehmen, die aber auf bis zu 15 Prozent des Nettoeinkommens hätten verzichten müssen.

Eine Bleibeprämie von 10.000 Euro und ein Sozialplan für jene, die „freiwillig“ gehen, konnte die Mehrheit der Belegschaft nicht überzeugen. Ein adaptiertes Angebot von Wolf dürfte es nach dem Nein nicht geben – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Die Politik hatte die MAN-Zentrale in München, die Teil des VW-Imperiums ist, aufgefordert, nicht alle Türen zuzuschlagen und für Gespräche offen zu bleiben – mehr dazu in ooe.ORF.at. Schließlich gehe es um den ganzen Standort. „In der Konsequenz dieses Ergebnisses muss MAN die Schließungspläne für das Werk wieder aufnehmen, weil wir außer diesem Angebot des Investors Wolf keine Alternativen vorliegen haben, die es lohnt weiterzuverhandeln“, sagte hingegen VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch am Freitag.

Gespräch suchen

Neben Wolfs Angebot wurde in den vergangenen Wochen allerdings noch ein weiteres ventiliert, dem „Green Mobility Center“ eines Konsortiums um den Linzer Unternehmer Karl Egger (KeKelit). Mit diesem Konzept liebäugelte zunächst der MAN-Betriebsrat in Steyr, doch für die MAN-Zentrale wurde dieses als zu wenig konkret erachtet und deshalb nicht ins Auge gefasst. Der Sprecher des Konsortiums, der Wiener Anwalt Gerald Ganzger, sagte gegenüber dem „Volksblatt“, dass man nach wie vor gesprächsbereit sei, „es müssen nun alle an einem Strang ziehen“.

Der Betriebsratsvorsitzende des Steyr-Werks, Helmut Emler, will sich auf kein Konzept festlegen. Man wolle in den kommenden Wochen das Gespräch mit der Zentrale in München suchen, sagte Emler am Freitag im Ö1-Mittagsjournal. Er geht davon aus, dass die Verhandlungen mehrere Monate dauern werden – weshalb auch der angekündigte Wechsel an der Betriebsratsspitze jetzt vollzogen wurde. Der bisherige Vorsitzende Erich Schwarz trat nun seine Pension an, die er wegen der Verhandlungen um ein paar Monate verschoben hatte.

Auch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian und WKÖ-Präsident Harald Mahrer pochten auf die Sozialpartnerschaft und auf die „große Verantwortung“, die der MAN-Konzern gegenüber der Region, den Arbeitnehmern und deren Familien habe. Das Belegschaftsvotum könne „nicht das Aus für Steyr bedeuten, das ein wichtiger Baustein am Automotiv-Standort Österreich ist“. Sie appellierten an alle Beteiligten, „rasch konstruktive Gespräche zu führen und in sozialpartnerschaftlicher Manier wieder an einen Tisch zu kommen“.

Schließungspläne bis 2023

Das Ringen um das Werk in Steyr begann im Herbst des vergangenen Jahres. Wegen Sparmaßnahmen hatte MAN die Vereinbarung zur Standort- und Beschäftigungssicherung in Österreich und Deutschland, die bis 2030 gegolten hätte, gekündigt. Bis zu 9.500 Jobs weltweit standen damit plötzlich auf dem Spiel.

In Deutschland wurde die Zahl deutlich reduziert, doch das Werk in Steyr will der Lkw-Hersteller weiterhin bis 2023 verkaufen. Der Betriebsrat in Oberösterreich kündigte an, als letzte Maßnahmen diese Standortsicherung bis 2030 einzuklagen. Denn durch die Vereinbarungen sollten betriebsbedingte Kündigungen bis zum 31. Dezember 2030 ausgeschlossen werden.

Ob das der Fall sein wird, ist unklar. Denn zuerst will der Betriebsrat verhandeln, um das Werk fortführen zu können. Ob MAN bereit ist, sich mit der Arbeitnehmervertretung an einen Tisch zu setzen, ist alles andere als fix. Die Konzernmutter will das Werk nämlich verkaufen. Als Alternative wurde in den vergangenen Wochen nur die Schließung in Aussicht gestellt. Der Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich, Johann Kalliauer, bezeichnete dieses „Drohungsszenario“ aus München als „unverantwortlich“ und „aktienrechtlich äußerst bedenklich“.

Die Belegschaft sei unter enormen Zeitdruck gesetzt worden, und die Konzeption von Wolf habe offensichtlich für viele nicht genügend Sicherheit geboten, „ganz abgesehen von den massiven Einschnitten, die in dieser Form natürlich viele irritiert haben“, so Kalliauer, der sich allerdings zuversichtlich zeigte. „Ich gehe davon aus, dass es für Steyr eine Lösung geben wird. Die Belegschaft, die in Steyr zur Verfügung steht, ist eine hoch qualifizierte, hoch engagierte und für viele Investoren attraktiv.“

Felbermayr: Politik ohne Zauberstab

Ganz anders reagierte Gabriel Felbermayr, designierter WIFO-Chef und derzeit noch Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel, auf das Votum der Belegschaft. Für die Region sei das Werk „natürlich sehr wichtig“. Aber man müsse sich fragen, „ob die Mitarbeiter von MAN die gesamtwirtschaftliche Sicht eingenommen haben“, sagte der Ökonom. Die Politik können selbst wenig zur Lösung beitragen. „Hier von der Politik zu erwarten, sie könnte das mit dem Zauberstab lösen, ist abwegig.“ Was sie jedoch tun könne, so Felbermayr, sich zu überlegen, was sie für den Standort generell tun könne.

Mitarbeiter an der Produktionsstraße des MAN-Werks Steyr
APA/Werner Kerschbaummayr
Seit 1919 wird in Steyr produziert, seit 1989 unter MAN

Appelle an MAN aus Politik

Aus Sozialpartnerschaft und Politik kamen am Freitag Appelle an den Lkw-Hersteller MAN, in Sachen Steyr wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren, um eine Schließung des Werks doch noch abzuwenden. Am Abend erklärte auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), sich für den Standort einsetzen zu wollen – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Kurz sagte gegenüber dem ORF, er hoffe sehr, dass es eine Möglichkeit gebe, die Masse der Arbeitsplätze am Standort und auch den Standort zu retten. Er sei in sehr engem Kontakt mit Oberösterreichs Landehauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), aber auch mit den Sozialpartnern, „und wir stehen alle bereit, unseren Beitrag zu leisten“. Kurz sprach Qualifizierungs- und darüber hinausgehende Maßnahmen an.

Stelzer: MAN „in die Pflicht nehmen“

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) hatte sich über das Votum der Belegschaft, das zu respektieren sei, wenig erfreut gezeigt. „Wenn es noch ernsthafte Angebote gibt, wäre es jetzt an der Zeit, diese vorzulegen“, so Schramböck. Stelzer bezeichnete das Votum als „Ausdruck der Enttäuschung über den Umgang des MAN-Konzerns“ mit den Beschäftigten. Man wolle nun „den MAN-Konzern in die Pflicht nehmen, auch andere Optionen ernsthaft ins Auge zu fassen und mit weiteren Interessenten zu verhandeln“.

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried sieht in Sachen Zukunft des Standortes „ein massives Versäumnis der Regierung“, allen voran von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). „Seit Monaten kämpfen Gewerkschaft, Betriebsrat und Bürgermeister um die Arbeitsplätze. Wo war in all dieser Zeit der Bundeskanzler?“ FPÖ-Chef Norbert Hofer forderte eine Krisensitzung unter Einbindung Schramböcks, um „gemeinsam mit den Verantwortlichen von MAN und der Politik in Oberösterreich eine Lösung zu finden“ und die Arbeitsplätze zu retten.