Finanzminister Gernot Blümel
APA/Robert Jäger
NR-Sondersitzung

Blümel wehrt sich gegen „Vorverurteilung“

„Ich liebe dieses Parlament“, hat Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) am Freitag seine Rede im Nationalrat begonnen. Die Sondersitzung war von der Opposition einberufen worden, um die bekanntgewordenen Chats um die Bestellung von ÖBAG-Vorstand Thomas Schmid zu thematisieren. Wie schon im „Ibiza“-U-Ausschuss wies Blümel alle Vorwürfe zurück. Ein Misstrauensantrag gegen ihn blieb ohne Folgen.

In Beantwortung einer Dringlichen Anfrage der FPÖ, die aus insgesamt 85 Teilfragen bestand, sprach Blümel von „Skandalisierung, öffentlicher Empörung und Vorverurteilung“. In der Anfrage hatte die FPÖ „Freunderlwirtschaft, Postenschacher und Korruption“ geortet und am Beispiel ÖBAG einen Leitfaden gesehen, „wie (ÖVP-Bundeskanzler, Anm.) Sebastian Kurz die Republik zur Kurz AG umbaut“. Von einem „dichten Netzwerk schwarzer Affären“ war da die Rede.

SPÖ-Klubvizechef Jörg Leichtfried brachte einen gemeinsamen Misstrauensantrag der Oppositionsparteien gegen Blümel ein. Blümel sei als Minister ungeeignet und nicht mehr handlungsfähig. Dank der türkis-grünen Koalitionsmehrheit blieb dieser Antrag ebenso ohne Folgen wie jener der SPÖ auf eine sofortige Abberufung des gesamten ÖBAG-Aufsichtsrats und des Alleinvorstands Schmid.

„Maske der Opposition ist gefallen“

Blümel verurteilte in seiner Rede die Veröffentlichung seiner Nachrichten – es sei sehr entlarvend, dass sich gerade jene Abgeordneten, die sich sonst für Datenschutz einsetzten, nun an Nachrichten Dritter delektierten. „Die Maske der Opposition im Untersuchungsausschuss ist schon gefallen“, sagte der Minister. Erneut zog er sich auf die Aussage zurück, dass die Chats nur dann irritierend und empörend wirken könnten, wenn man sie zeitlich und inhaltlich aus dem Zusammenhang reiße.

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP)

Sondersitzung im Nationalrat

Klar sei, dass die Bundesregierung Personalentscheidungen treffe. Manchmal diskutiere man auch solche, für die man formal nicht zuständig sei. Das sei nichts Neues, nicht verwerflich und passiere in allen Regierungskonstellationen. Wichtig sei, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen eingehalten würden, die Personen qualifiziert seien und die Letztverantwortung beim zuständigen Organ liege. „Das ist gegeben“, so Blümel.

Zum Abschluss „kann man auch gratulieren“

Zum Umbau der Beteiligungsgesellschaft ÖBIB zur ÖBAG meinte der Finanzminister, diese sei kein Geheimnis gewesen und letztlich mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und SPÖ mit Zweidrittelmehrheit im Parlament beschlossen worden. Der Finanzminister – damals noch Hartwig Löger (ÖVP) – habe dabei eine entscheidende Rolle gespielt. Schmid als Generalsekretär in Lögers Ministerium habe führende Verantwortung dafür gehabt.

Zum Abschluss „kann man auch gratulieren, und das habe ich auch getan“, so Blümel. Schmid habe ihm auch sicher erklärt, dass er sich für den Vorstandsposten bewerbe, und er sei sicher der Meinung gewesen, „dass ich ihn für sehr qualifiziert halte“. Die Entscheidung habe aber der zuständige Aufsichtsrat getroffen.

Keine Handynummer von Pilnacek

Fragen zu Kontakten zu Bundeskriminalamtschef Andreas Holzer verneinte Blümel, auch mit dem suspendierten Justizsektionschef Christian Pilnacek sei er nicht in Kontakt gewesen. „Ich habe nicht einmal die Handynummer von Sektionschef Pilnacek“, sagte der Finanzminister. Von seiner Einvernahme und Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit den Bestechungsermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in der Causa Novomatic habe er Kanzler Kurz selbstverständlich informiert. Um Hilfe gebeten habe er ihn aber nicht.

Christian Hafenecker (FPÖ)

Sondersitzung im Nationalrat

Zuvor hatte FPÖ-Mandatar Christian Hafenecker der ÖVP vorgeworfen, ein sich über mehrere Ministerien erstreckendes Machtkartell aufgebaut zu haben, das er als „tiefen Staat“ bezeichnete. Blümel sei dabei Kurz’ „Helfershelfer“ gewesen, mit dem Ziel der „VerÖVPisierung dieser ganzen Republik“.

„Sie stehen für Täuschung, für Gier, Schamlosigkeit und für Arroganz“, warf er Blümel vor: „Die höchste Inzidenz in diesem Land sind die Korruptionsskandale der Kurz-ÖVP.“ Hafenecker wünschte sich, die türkisfarbene Riege „direkt von der Regierungs- auf die Anklagebank“ zu bringen. „Es braucht einen nationalen Schulterschluss der Entfernung der ÖVP von der Macht. Nur so werden wir einen Ständestaat 2.0 verhindern“, sagte er.

Herbert Kickl (FPÖ)

Sondersitzung im Nationalrat

Ordnungsruf für Kickl

Nicht weniger harsch ging nach Blümels Replik FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl mit der Volkspartei ins Gericht. In seiner zehnminütigen, mit einem Ordnungsruf bewerteten Rede sprach er von „Cosa Nostra“, „ehrenwerter ÖVP-Familie“ und davon, dass im Zusammenhang mit der ÖVP der „Mafia-Paragraf“ der einzig taugliche sei. Kritik übte Kickl auch am Verhalten von Bundespräsident Alexander Van der Bellen: „Wachen Sie auf, sonst machen Sie sich zum Beitragstäter dieses Staates im Staat!“

Pamela Rendi-Wagner (SPÖ)

Sondersitzung im Nationalrat

„Tiefste Einblicke in türkise Familie“

Höflicher, aber auch nicht zimperlich legten es SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger an. Die SPÖ-Chefin sprach von „tiefsten Einblicken“ in die „türkise Familie“, die viele enttäuschten. Ob gegen das Strafrecht verstoßen werde, klärten die Gerichte. Aber es gebe auch Werte wie Würde und Moral: „Ohne ein Minimum von politischem Anstand ist kein Staat zu machen.“

Beate Meinl-Reisinger (NEOS)

Sondersitzung im Nationalrat

„Man geniert sich richtig dafür“

Ähnlich äußerte sich Meinl-Reisinger: „Von der ach so neuen Volkspartei ist absolut nichts über geblieben.“ Es sei richtig, dass das System nicht neu sei. Kurz und Co. hätten es aber auf die Spitze getrieben. Die Chats seien hochnotpeinlich: „Man geniert sich richtig dafür.“

Sigrid Maurer (Grüne)

Sondersitzung im Nationalrat

Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer hielt sich eher zurück, was Angriffe auf den Koalitionspartner angeht. Ihr Fraktionskollege David Stögmüller war forscher und will Schmid nicht mehr in seinem Amt sehen. Versichert wurde von allen Grünen, dass die Justiz in Ruhe werde ermitteln können. Wo Korruption sei, müsse auch hingesehen werden, meinte Maurer. Der SPÖ hielt sie Scheinheiligkeit und der FPÖ Dreistigkeit vor, hätten diese Parteien doch auch eine einschlägige Geschichte in Sachen Postenschacher.