„Wir trauern um eine herausragende Persönlichkeit und eine international anerkannte Fotografin“, hieß es in der Mitteilung der Helmut Newton Foundation, deren Präsidentin sie war. In dieser Funktion habe sie das Museum für Fotografie in Berlin zu einem „einzigartigen Platz für Fotografie“ gemacht. „Wir werden sie sehr vermissen.“
Die gebürtige Australierin lernte damals noch unter dem Mädchennamen June Browne als erfolgreiche Schauspielerin in ihrer Geburtsstadt Melbourne einen jungen Fotografen kennen, der vor den Nazis aus Deutschland geflohen war. Im Jahr darauf heirateten die beiden. Sie blieben zusammen, bis Helmut Newton mit 83 Jahren 2004 nach einem Verkehrsunfall mit seinem Cadillac in Los Angeles starb.
Karrierestart als Vertreterin von Helmut Newton
Zur Fotografie fand sie erst 1970, und das eher durch Zufall. Das Ehepaar Newton wohnte inzwischen in Paris, June musste für ihren an Grippe erkrankten Mann Helmut bei einem Auftrag einspringen. Sie ließ sich für den Werbeauftrag einer französischen Zigarettenfirma Kamera und Einstellungen erklären und übernahm den Auftrag.
Auf Anregung von Helmut Newton suchte sie sich für ihre weiteren Arbeiten ein Pseudonym. Ihren Künstlernamen Alice Springs fand sie laut ihren eigenen Angaben ebenfalls per Zufall: Sie ließ mit geschlossenen Augen eine Stecknadel auf eine australische Landkarte fallen. Ganz trennte sie sich aber auch beruflich nicht von ihrem Namen. Ihre Lebenserinnerungen nannte sie „Mrs. Newton“.
Wie auch bei ihrem Mann zogen sich durch ihre Fotokarriere prominente Namen aus der Kulturszene, die sie fotografisch porträtierte. In dieser Liste sind etwa die Modeschöpfer Yves Saint Laurent und Karl Lagerfeld, der Regisseur Billy Wilder, die Schauspielerinnen Catherine Deneuve und Nicole Kidman sowie Madonna und die Hells Angels zu finden.
Keine Dramatik
1978 hatte sie in Amsterdam ihre erste Einzelausstellung, 1983 folgte der erste eigene Bildband. Daneben begleitete sie regelmäßig auch die Arbeit ihres Mannes mit der Kamera und betreute seine Bücher und Kataloge als künstlerische Direktorin.
Sie setzte weniger auf dramatische Inszenierungen wie ihr Ehemann, sondern mehr auf den direkten Zugang zu ihren Figuren: „Ich habe mich jeweils bemüht, nichts an meinem Gegenüber zu verändern und seine Gedanken von der Tatsache abzulenken, dass es sich vor der Kamera befand“, sagte sie 2010 in einem Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. In der kommerziellen Fotografie haben sich wenige Frauen durchsetzen können. June Newton war sich ihrer Rolle auch bewusst. Es habe wenige Frauen gegeben in diesem Geschäft, so June Newton: „Aber die meisten sind verdammt gut gewesen.“
„Maßstäbe in Porträtfotografie gesetzt“
Nach dem Tod ihres Mannes gründete June Newton 2004 eine nach ihm benannte Stiftung in Berlin. Helmut Newton hatte hier – in seiner Geburtsstadt – beerdigt werden wollen. Zum zehnjährigen Bestehen zeigte die Witwe nochmals die legendäre Ausstellung „Us and Them“, 1998 unter diesem Titel auch als Bildband erschienen. Das Paar dokumentierte darin in beispielloser Offenheit sein privates und berufliches Zusammenleben. Neben intimen Selbststudien gibt es zahlreiche Porträtpaare, die den jeweils unterschiedlichen Blick der beiden auf ihre Protagonisten deutlich machen.
Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, würdigte die Verstorbene: „Die Kunstwelt verliert mit June Newton eine große und besondere Fotografin, die vor allem mit ihrer einfühlsamen Porträtfotografie Maßstäbe setzte.“