Ein Mann arbeitet in einem iranischen Uranumwandlungsanlage
AP/Vahid Salemi
Treffen in Wien

Schlechte Vorzeichen für Atomgespräche

Der Angriff auf die iranische Atomanlage in Natans am Wochenende, die darauffolgende Ankündigung des Iran, den Grad der Urananreicherung auf 60 Prozent zu erhöhen, sowie die Verschiebung um einen Tag haben einen dunklen Schatten auf die Atomgespräche auf Expertenebene in Wien am Donnerstag geworfen.

Deutschland, Frankreich und Großbritannien zeigten sich besorgt über die iranische Ankündigung zur Anreicherung von Uran auf 60 Prozent. „Dies ist eine ernste Entwicklung, da die Herstellung von hoch angereichertem Uran einen wichtigen Schritt zur Produktion einer Nuklearwaffe darstellt“, hieß es am Mittwoch in einer gemeinsamen Erklärung der drei Staaten, die am internationalen Atomabkommen mit dem Iran von 2015 neben Russland und China beteiligt sind.

Der Iran habe „keinen glaubwürdigen zivilen Bedarf für eine Anreicherung auf diesem Niveau“. Die „gefährliche jüngste Ankündigung“ stehe im Gegensatz zu der konstruktiven Atmosphäre der jüngsten Verhandlungen. Frankreichs Präsidialamt teilte mit, die iranischen Pläne seien eine gravierende Entwicklung, die eine Abstimmung zwischen den fünf Staaten, eben Frankreich, Deutschland, Großbritannien, China und Russland, benötige.

Irans Präsident Hassan Rouhan und Vertreter der Interantionalen Atomengerierganisation
AP/Iranian Presidency Office
Präsident Hassan Rouhani lässt sich auf dem am Wochenende veröffentlichten älteren Foto die Atomanlage erklären

Russland drängt zur Eile

Die ursprünglich für Mittwoch geplante Fortsetzung der Wiener Gespräche war am Dienstag um um einen Tag verschoben worden. Es bestehe „kein Zweifel“ daran, dass auch über „die jüngsten Maßnahmen des Iran im Nuklearbereich“ beraten werde, wie der russische UNO-Botschafter Michail Uljanow via Twitter im Zusammenhang mit Teherans Ankündigung für eine verstärkte Urananreicherung weiter mitteilte.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow warnte bei seinem Iran-Besuch am Dienstag vor einem Scheitern der internationalen Gespräche über die Zukunft des Abkommens. Er drängte zur Eile bei den Gesprächen: „Ich glaube, dass wir nicht viel Zeit haben.“ Diejenigen, die die Verhandlungen stören und letztlich begraben wollten, wüssten, dass es nur ein bestimmtes Zeitfenster gebe.

Rouhani: Kein Problem mit Verhandlungen

Obwohl der Iran mehrfach Atomabkommen gebrochen hat, will das Land nach den Worten von Präsident Hassan Rouhani die Verhandlungen über sein Nuklearprogramm in Wien fortsetzen. „Auch wenn wir nun unser Uran auf 60 Prozent anreichern wollen, haben wir weiterhin kein Problem mit Verhandlungen“, sagte er am Mittwoch. Das gelte auch für Gespräche mit den USA. Sobald das 2015 geschlossene Abkommen vertragsgerecht umgesetzt werde und die US-Sanktionen gegen sein Land aufgehoben seien, „wird der Iran am gleichen Tag zu all seinen technischen Verpflichtungen in dem Deal zurückkehren“, so Rouhani laut einer Mitteilung des Präsidialamts.

Bei einer Aufhebung der US-Sanktionen würden auch die Chancen der Reformer um Rouhani bei der Präsidentschaftswahl wieder steigen. Die Regierung von US-Präsident Joe Bidens hat grundsätzlich Bereitschaft signalisiert, dem Atomabkommen wieder beizutreten. Washington dringt allerdings darauf, dass der Iran zunächst zu seinen Verpflichtungen aus dem Abkommen zurückkehrt. Teheran wiederum macht die Aufhebung von US-Strafmaßnahmen zur Vorbedingung dafür, dass der Iran sich wieder in vollem Umfang an das Abkommen hält.

Rouhani: Anreicherung Reaktion auf israelische Attacke

Politische Hardliner im Iran forderten Rouhani allerdings nach dem Zwischenfall in Natans auf, die diplomatischen Verhandlungen zur Rettung des Atomabkommens abzubrechen. Auch Außenminister Mohammed Dschawad Sarif schloss sich dieser Forderung in seiner Funktion als Atomchefunterhändler im iranischen Parlament an. Das Parlament wird von den Hardlinern dominiert. Auch der oberste geistlicher Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, warnte am Mittwoch im staatlichen Fernsehen, dass die Gespräche sich nicht hinziehen und „schädlich“ für die islamische Republik werden dürften.

Irans Außenminister Javed Sarif
APA/AFP/Atta Kenare
Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif

Sarif bezeichnete den Angriff auf die Atomanlage Natans im Zentrum des Landes als israelischen Terrorakt. Die Entscheidung Teherans, sein Uran entgegen der Atomvereinbarung nun auf 60 Prozent anzureichern, ist laut Rouhani eine Reaktion auf den mutmaßlich israelischen Angriff am Sonntag auf die Atomanlage Natans. Dabei wurden laut Atom-Chef Ali Akbar Salehi zahlreiche Zentrifugen beschädigt, die aber umgehend mit neueren ersetzt werden sollen. Das Uran soll den Angaben zufolge für medizinische Zwecke verwendet werden. Ziel Israels war es laut Teheran, das iranische Atomprogramm zu schwächen und auch die Bemühungen zur Rettung des Atomabkommens zu sabotieren. Beides will der Iran verhindern.

IAEA-Besuch in Natans

Die Kontrolleure der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) haben Natans inzwischen aufgesucht. Die Vorbereitungen zur Herstellung von hoch angereichertem Uran seien fast abgeschlossen, berichtete die Behörde anschließend. Nach wenigen letzten Schritten sei dann bald die eigentliche Anreicherung auf 60 Prozent geplant, berichtete ein IAEA-Sprecher.

Bisher lag der Anreicherungsgrad im Iran bei 20 Prozent, obwohl im Atomabkommen nur weniger als vier Prozent erlaubt sind. Auch die Nutzung von schnelleren Zentrifugen ist ein Verstoß gegen den Atomdeal. Zwar reichen auch 60 Prozent für den Bau einer Atombombe nicht aus, aber es wird befürchtet, dass der Iran jederzeit den Prozess von 60 auf die für den Bombenbau nötigen 90 Prozent erhöhen könnte. Die iranische Führung hat mehrmals betont, dass sie keinerlei Interesse am Bau von Massenvernichtungswaffen habe.

Außenansicht der Atomkraftanlage in Natans
Reuters/Raheb Homavandi
Die iranische Atomanlage Natans im Jahr 2005

USA 2018 einseitig aus Abkommen ausgestiegen

Bei den Gesprächen geht es um die Zukunft des historischen Abkommens, das den Iran am Bau von Kernwaffen hindern, ihm zugleich aber die zivile Nutzung der Kernkraft ermöglichen soll. Israel lehnt den Deal seit jeher vehement ab, weil es das Abkommen für nicht weitreichend genug hält und sich durch das iranische Atom- und Raketenprogramm in seiner Existenz bedroht sieht.

Die 2015 in Aussicht gestellte wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Iran kam aufgrund des Kurswechsels unter US-Präsident Donald Trump nie zustande. Dieser stieg 2018 einseitig aus dem Abkommen aus. Als Reaktion auf neue Sanktionen begann der Iran später, vereinbarte Obergrenzen für die Produktion von Uran zu überschreiten.

„NYT“: Angriff schwächt Verhandlungsposition des Iran

Die fünf verbliebenen Partner des Deals – Russland, China, Deutschland, Frankreich und Großbritannien – versuchten in den vergangenen zwei Jahren, das Abkommen am Leben zu erhalten. Um eine Wiedereinbindung der USA in das Abkommen zu ermöglichen, müsste der Iran sein Nuklearprogramm im Gegenzug für die Aufhebung der von Trump wiedereingeführten Sanktionen wohl wieder zurückfahren. Der Angriff hat nach Einschätzung der „New York Times“ („NYT“) die Verhandlungsposition des Iran bei den Atomgesprächen erheblich geschwächt. Der Grund: Der Iran soll neue Zentrifugen zur Urananreicherung als Druckmittel eingesetzt haben.

Der Cyberangriff auf die Atomanlage wird nach Informationen der „NYT“ die Urananreicherung dort um mindestens neun Monate zurückwerfen. Das berichtete das Blatt am Montag unter Berufung auf zwei höhere US-Geheimdienstmitarbeiter. Der Angriff soll eine heftige Explosion ausgelöst haben, als deren Folge das gesamte Stromnetz einer Untergrundanlage, in der die Zentrifugen für die Urananreicherung hergestellt werden, zerstört worden sei. Es werde mindestens neun Monate dauern, die Schäden zu beheben.

Netanjahu: Iran größte Bedrohung in Nahost

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ging am Montag nicht direkt auf den Zwischenfall in Natans und die Vorwürfe Teherans ein. Allerdings bezeichnete er den Iran als Unterstützer weltweiten Terrors und größte Bedrohung in der Nahost-Region. „Ich werde es dem Iran nie erlauben, Atomwaffen zu erlangen, um sein Ziel des Völkermords und der Auslöschung Israels zu erreichen“, sagte Netanjahu.

Ein namentlich nicht genannter US-Repräsentant sagte der israelischen Nachrichtenseite Walla zudem, die USA als wichtiger Bündnispartner Israels seien an dem Vorfall in Natans nicht beteiligt gewesen. In einem israelischen Rundfunkbericht hatte es auch geheißen, der Mossad stecke hinter dem Vorfall. Auch zwei höhere US-Geheimdienstmitarbeiter sprachen in der „NYT“ von einer israelischen Geheimdienstoperation.

Nicht der erste Vorfall

An der Anlage in Natans gab es mehrfach Vorfälle oder Anschläge, die Israel zugeschrieben wurden, das eine atomare Bewaffnung des Iran verhindern will. Schon im letzten Sommer hatte es in Natans in einer Arbeitshalle zum Bau hochmoderner Zentrifugen eine schwere Explosion gegeben. Der Hintergrund blieb unklar. Die Rede war damals von einem Sabotageakt Israels, aber offiziell bestätigt wurde das nie.

2007 hatte zudem eine Explosion in der Energieversorgung Dutzende Zentrifugen in Natans zerstört. 2010 wurden dort sogar mehr als 1.000 Zentrifugen durch Steuerungsbefehle des Schadvirus „Stuxnet“ zerstört, der von Israel und den USA entwickelt worden sein soll. Trotz der Vorfälle konnte der Iran im März 2021 mit dem Einsatz neuer IR-4-Zentrifugen zur unterirdischen Urananreicherung in Natans beginnen.