Zentrifugen im Atomkraftwerk Natans
AP/Atomic Energy Organization of Iran
Nach Angriff auf Natans

Hardliner im Iran gegen Atomgespräche

Iranische Hardliner haben nach dem Angriff auf die Atomanlage Natans Präsident Hassan Rouhani am Montag aufgefordert, die Atomgespräche in Wien – die nächste Runde ist am Mittwoch geplant – abzubrechen. „Herr Rouhani, Terror und Verhandlungen passen nicht zusammen“, hieß es in einem Leitartikel der Nachrichtenagentur Tasnim.

Gegen Rouhani erstatteten auch 190 Abgeordnete Anzeige, weil der Präsident angeblich die parlamentarischen Gesetze missachtet habe. Auch das soll im Zusammenhang mit den Atomverhandlungen stehen. Die Hardliner waren von Anfang an gegen die prowestliche Linie von Rouhani und gegen das Wiener Atomabkommen. Gespräche mit dem Erzfeind USA betrachten sie als Landesverrat. Der numehrige Angriff auf die Atomanlage ist so kurz vor dem Treffen in Wien weiteres Wasser auf die Mühlen der Hardliner.

Der Cyberangriff auf die Atomanlage wird nach Informationen der „New York Times“ („NYT“) die Urananreicherung dort um mindestens neun Monate zurückwerfen. Das berichtete das Blatt am Montag unter Berufung auf zwei höhere US-Geheimdienstmitarbeiter. Der Angriff soll eine heftige Explosion ausgelöst haben, als deren Folge das gesamte Stromnetz einer Untergrundanlage, in der die Zentrifugen für die Urananreicherung hergestellt werden, zerstört worden sei. Es werde mindestens neun Monate dauern, die Schäden zu beheben.

Außenansicht der Atomkraftanlage in Natans
Reuters/Raheb Homavandi
Die iranische Atomanlage Natans im Jahr 2005

Sarif: Werden erfolgreich weitermachen

Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif bezeichnete den Cyberangriff als Terrorakt und machte Israel dafür verantwortlich. „Die Zionisten (Israel, Anm.) wollen mit diesen Terroroperationen die nuklearen Errungenschaften des Iran und die Atomverhandlungen (in Wien) sabotieren“, sagte Sarif am Montag im Parlament. Beides werde aber nicht passieren. „Unsere Rache ist, dass wir in beiden Bereichen erfolgreich weitermachen werden“, so der iranische Chefdiplomat laut staatlicher Nachrichtenagentur IRNA. In der Anlage im Zentraliran werden unter anderem neue Zentrifugen für die Urananreicherung hergestellt.

Die EU fürchtet nun um die Atomverhandlungen mit Teheran. „Wir weisen alle Versuche zurück, die laufenden diplomatischen Aktivitäten zu untergraben“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Dienstes der EU am Montag in Brüssel. Der Vorfall, „bei dem es sich um einen Sabotageakt gehandelt haben könnte“, müsse gründlich aufgeklärt werden. Der Angriff hat nach Einschätzung der „New York Times“ die Verhandlungsposition des Iran bei den Atomgesprächen erheblich geschwächt. Der Grund: Der Iran soll neue Zentrifugen zur Urananreicherung als Druckmittel eingesetzt haben.

Irans Außenminister Javed Sarif
APA/AFP/Atta Kenare
Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif

Netanjahu: Iran größte Bedrohung in Nahost

Israel hat sich bisher offiziell nicht zu den iranischen Vorwürfen, hinter der Attacke zu stecken, geäußert. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nannte den Iran am Montag die größte Bedrohung in der Nahost-Region. Auf die Vorwürfe Teherans, Israel sei für die Attacke auf Natans verantwortlich, ging Netanjahu nach einem Treffen mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in Jerusalem indes nicht ein.

„Der Iran unterstützt Terroristen auf der ganzen Welt“, sagte Netanjahu vor Journalisten. Teheran habe auch „nie das Streben nach Atomwaffen“ und nach Raketen zum Transport von Atomsprengköpfen aufgegeben. „Ich werde es dem Iran nie erlauben, Atomwaffen zu erlangen, um sein Ziel des Völkermords und der Auslöschung Israels zu erreichen“, sagte Netanjahu.

Austin äußerte sich nicht zur Iran-Frage, bekräftigte aber das starke Bündnis zwischen Israel und den USA. Man werde Israels militärischen Vorsprung in der Region garantieren. Er habe mit Netanjahu „über Wege gesprochen, unser Verteidigungsbündnis im Angesicht von Herausforderungen zu stärken“, sagte Austin. Man wolle sich für eine weitere Annäherung zwischen Israel und arabischen Staaten einsetzen. Das Ziel sei „dauerhafter Frieden in dieser Region“.

Israelische Geheimdienstoperation wahrscheinlich

Israels öffentlich-rechtlicher Rundfunk Kan sprach Sonntagabend unter Berufung auf Geheimdienstkreise von einem „bedeutsamen“ Schaden und Rückschlag für Teheran. Man könne davon ausgehen, dass auch die neuen Zentrifugen dabei beschädigt worden seien. Der israelische Geheimdienst Mossad schätze, dass der Iran damit in seinen Möglichkeiten, Uran anzureichern, zurückgeworfen werde.

In einem israelischen Rundfunkbericht hatte es auch geheißen, der Mossad stecke hinter dem Vorfall. Auch zwei höhere US-Geheimdienstmitarbeiter sprachen in der „NYT“ von einer israelischen Geheimdienstoperation.

Irans Präsident Hassan Rouhan und Vertreter der Interantionalen Atomengerierganisation
AP/Iranian Presidency Office
Präsident Hassan Rouhani lässt sich auf dem am Wochenende veröffentlichten älteren Foto die Atomanlage erklären

Iran nennt keine Details

Am 4. Jänner hatte Netanjahu bekräftigt, dass Israel dem Iran die Herstellung von Atomwaffen nicht gestatten werde. Sein Energieminister Juval Steiniz sagte im Februar, der Iran könne binnen sechs Monaten genug Uran für eine Atombombe produzieren. Israel betrachtet das iranische Atomprogramm als eine ernsthafte Gefahr, denn der Iran verfügt über Raketen mit einer Reichweite bis zu 2.000 Kilometern, die jeden Ort Israels treffen könnten. Würden die Raketen mit Atomsprengköpfen ausgerüstet, wäre Israels Existenz ernsthaft bedroht. Teheran betont, keine Atomsprengköpfe zu besitzen und die Raketen nur im Falle eines Vergeltungsschlags einzusetzen.

Nach dem Cyberangriff auf die Atomanlage gab es, wie schon bei einem ähnlichen Angriff am gleichen Ort im letzten Sommer, zunächst unterschiedliche Angaben. Die iranische Atomorganisation AEOI sprach zunächst von einem harmlosen Stromausfall in einer der Werkstätten außerhalb der Anlage. Dann aber bezeichnete AEOI-Chef Ali Akbar Salehi den Vorfall als einen „nuklearen Terrorakt“, gab aber keine Details an.

Israel: Zentrifugen wohl beschädigt

Die genaue Ursache des Angriffs und das Ausmaß der Schäden werden noch untersucht. Aber laut Sarif wurde bei dem Sabotageakt nur die Produktionslinie der älteren Zentrifugen beschädigt. „Dafür sind unsere Anlagen voll mit neueren Zentrifugen“, so der Minister. In der Natans-Anlage wird unter anderem eine neue Generation von Zentrifugen hergestellt, mit denen der Iran den Urananreicherungsprozess – derzeit bei 20 Prozent – beschleunigen und erhöhen kann.

Laut AEOI-Sprecher Behrus Kamalwandi wurde bei dem Vorfall in Natans niemand verletzt. Später wurde aber berichtet, dass der Sprecher bei der Besichtigung der Anlage gestürzt sei und mit Verletzungen am Bein und Kopf ins Krankenhaus musste.

Der Sprecher der Iranischen Atombehörde (AEOI), Behrus Kamalwandi
APA/AFP/Iranian Presidency
Der Sprecher der iranischen Atomenergiebehörde (AEOI), Behrus Kamalwandi

Israels Sender Kan berichtete, dass der eigene Geheimdienst die Vorgänge als „bedeutsamen“ Schaden einstuft – größer, als der Iran zugebe. Man könne davon ausgehen, dass auch die neuen Zentrifugen dabei beschädigt worden seien. Der Mossad schätze, dass der Iran damit in seinen Möglichkeiten, Uran anzureichern, zurückgeworfen werde.

Nicht der erste Vorfall

In Natans sollten am Sonntag neue iranische Zentrifugen mit größerer Leistungsfähigkeit in Betrieb genommen werden, die laut Iran-Abkommen nicht erlaubt sind. Derzeit wird in Natans Uran auf bis zu 20 Prozent angereichert. Die Anlage war mehrfach Ort von Vorfällen oder Anschlägen, die Israel zugeschrieben wurden, das eine atomare Bewaffnung des Iran verhindern will.

Schon im letzten Sommer hatte es in Natans in einer Arbeitshalle zum Bau hochmoderner Zentrifugen eine schwere Explosion gegeben. Der Hintergrund blieb unklar. Die Rede war damals von einem Sabotageakt Israels, aber offiziell bestätigt wurde das nie. 2007 hatte zudem eine Explosion in der Energieversorgung Dutzende Zentrifugen in Natans zerstört. 2010 wurden dort sogar mehr als 1.000 Zentrifugen durch Steuerungsbefehle des Schadvirus „Stuxnet“ zerstört, der von Israel und den USA entwickelt worden sein soll. Trotz der Vorfälle konnte der Iran im März 2021 mit dem Einsatz neuer IR-4-Zentrifugen zur unterirdischen Urananreicherung in Natans beginnen.