Zwei Personen spielen Schach
Getty Images/Agnieszka Marcinska/Eyeem
Pandemie und Netflix

Schach-Hype reißt nicht ab

In der Pandemie hat Schach, das „Spiel der Könige“, zum weltweiten Siegeszug angesetzt: Immer mehr Menschen widmen sich diesem Brettspiel, das rund 1.500 Jahre alt ist. Auslöser dieses Booms ist einerseits eine brillant gemachte Streaming-Serie, andererseits die Coronavirus-Pandemie samt Lockdowns mit Ausgangsbeschränkungen.

Ausverkauft sind Schachbretter und -figuren, nicht nur in Österreich, sondern in Europa und auch in den USA. Michael Ehn ist Schach-Historiker, Fachbuchhändler und Geschäftsführer des größten und ältesten Schachgeschäfts in Österreich. Für ihn war die Netflix-Serie „Queen’s Gambit“ einerseits ein Glücksfall. Denn diese gut gemachte Serie gewährt spannende Einblicke in eine männerdominierte Welt, die des Profischachspiels, aus der Perspektive einer Frau.

Die Authentizität und Dramaturgie eröffnete bald nach Serienstart über sechzig Millionen Menschen Schach als Hochleistungssport. Nur: Das Interesse war zu groß – es gab einen Run auf Schachbretter, Schachuhren und sogar Schachliteratur. Der Bestand war schnell ausverkauft und weil dieses Phänomen global aufgetreten ist, gibt es jetzt einen weltweiten Engpass an Schachutensilien.

Der Schach-Hype hält an

Es ist kein Ende des Schach-Hypes in Sicht: Nach der Netflix-Serie „Queen’s Gambit“ sind beliebte Schachfiguren noch immer ausverkauft.

Run auf die schönen Bretter

Plastikspiele, kleine Bretter oder Reiseschachs sind nach wie vor erhältlich. Aber seit so viele Menschen die schönen Bilder in „Queen’s Gambit“ gesehen haben, wollen sie alle auch die schönen Holzfiguren und die Turnierbretter. Auf Ebay sind die Suchanfragen nach Schachbrettern seit Ausstrahlung der Serie um 250 Prozent gestiegen. Auch bei Google weiß man von diesem Trend. Die Frage, wie man Schach spielt, sei so häufig gestellt worden wie schon lange nicht. Auf Internetplattformen wie Chess.com oder Lichess.org haben sich die Neuregistrierungen verfünffacht.

„Queen’s Gambit“ setzte Standards

Die Netflixserie „Queen’s Gambit“ hat die Art und Weise verändert, wie über Schach gedacht wird: Vom Nerd-Hobby hin zum zeitgemäßen Trendsport.

Auch in Deutschland haben Schachhändler seit November, also gleich nach Serienstart, zehnmal so viele Spiele verkauft wie sonst um diese Jahreszeit. Hier sind die Produkte aller Hersteller praktisch ausverkauft. Vereinzelt gibt es sogar Anfragen von Vertriebspartnern aus den USA, die versuchen, ihren Bedarf mit Schachbrettern aus Europa zu decken. Den Hype um Schach hat auch Markus Ragger mitbekommen. Er ist Österreichs bester Schachspieler. Seine Elo-Zahl bewegt sich rund um 2.700 – damit gehört er zu den fünfzig weltbesten Spielern.

Fotostrecke mit 5 Bildern

Wiener Schachfiguren
ORF/Peter Baminger
Schachfiguren im „Wiener Design“. Diese Figuren waren seit den 20er Jahren der Standard im österreichischen Schach.
Nackte Schachfiguren
ORF/Peter Baminger
Weiße und schwarze Figuren, handgeschnitzt und alle nackt. Diese Figuren stammen aus Afrika und zählen zu den teuren Sammelstücken.
Chinesische Schachfiguren aus Elfenbein
ORF/Peter Baminger
Handgeschnitzt aus Elfenbein. Diese Figuren stammen aus China und sind ebenfalls teurere Sammelstücke.
Schachfiguren aus Jade
ORF/Peter Baminger
Handgeschnitzt aus Jade. Diese Figuren stammen ebenfalls aus China und sind Sammelstücke.
Staunton Schachfiguren
ORF/Peter Baminger
Das ist das aktuelle Standard-Stein-Design. Diese Figuren werden vom Schachweltverband FIDE empfohlen.

„Schach verbindet Generationen und Kulturen“

Die Netflix-Serie hat auch Ragger gut gefallen und er versteht, warum sie so viele Menschen zu dem Spiel gebracht hat: „Schach ist ein Sport, der Generationen und Kulturen verbindet, weil man muss kaum etwas gemeinsam haben, außer dass man die Schachregeln kennt.“ Weil man Schach sehr gut online spielen kann, sei das auch eine gute Möglichkeit, sich zeitlich einen Lockdown zu verkürzen. Denn wenn viele Leute viel zu Hause sitzen, wird Schach zum idealen Zeitvertreib.

Der Staatsmeister und der neue Hype

Markus Ragger war 16 Mal österreichischer Staatsmeister im Schach. Er versteht, warum „Queen’s Gambit“ zu einem neuen Hype um seinen Sport geführt hat.

Frauensache Schach

Weniger als zehn Prozent der Schachspieler sind Frauen. Unter Schulkindern haben Mädchen noch einen höheren Anteil, aber ab dem Alter von vierzehn bleiben hauptsächlich die Burschen dem Spiel treu. Ob daran etwas die Streaming-Serie ändern kann, ist noch nicht sicher. Zwar ist die Hauptfigur eine Frau, aber auch im Film muss sie sich in der männerdominierten Schachwelt behaupten und das ist anstrengend. Den Frauenanteil im Schach zu erhöhen, versucht Dagmar Jenner mit dem Club „Frau Schach“. Seit 2013 versammelt sie im Wiener Cafehaus „Schopenhauer“ regelmäßig ausschließlich Frauen, um die zum Spiel zu motivieren.

Dagmar Jenner ist „Frau Schach“

Dagmar Jenner hat den Schachclub „Frau Schach“ gegründet, in dem sich ausschließlich Frauen im Wiener Cafe Schopenhauer regelmäßig zum Schachspiel treffen.

Auch der "Österreichische Schach Bun ist männerdominiert, aber man ist bemüht. Heuer hat Christof Tschohl als Präsident die Leitung übernommen. Er unterstützt Initiativen wie den Club „Frau Schach“ und ist auch stolz darauf, dass im Präsidium des ÖSB nun eine Frau kooptiert ist.

Männerdomäne Schach „aufbrechen“

Christof Tschohl, der Präsident des Österreichischen Schachbundes, will die „männlich Dominierte“ Welt des Schachs „aufbrechen“.

Christof Tschohl will den Frauenanteil in der Schachszene unbedingt erhöhen. Dass Schach nicht nur ein Spiel, sondern auch ein Sport ist, untermauert sein Generalsekretär Walter Kastner mit eindrucksvollen Zahlen.

10.000 spielen Schach in heimischen Vereinen

Walter Kastner, der Generalsekretär des ÖSB, erzählt, dass in Österreich rund 10.000 Spielerinnen und Spieler in Österreich aktiv in Vereinen spielen.

Die „Wiener Steine“

Dass es aufgrund des aktuellen Hypes derzeit nur billige Plastiksteine online zu kaufen gibt, ist jedenfalls nur die halbe Wahrheit. Denn so gut sortierte Geschäfte wie „Schach und Spiele“ bieten als Alternativen auch echte Sammlerstücke. Um 50 Euro bekommt man etwa die guten alten „Wiener Steine“.

Sie wurden ab den 1920er Jahren produziert und waren in den meisten Cafehäusern in Österreich bis in die 2000er Jahre verfügbar, um Spieler und damit Kundschaft anzulocken. Aber auch andere Steine sind erhältlich, etwa Antikes aus Elfenbein oder Jade. Das jetzt aktuelle Klassik-Design ist aber der Stauton-Standard und der ist derzeit ausverkauft.