Der Mediziner Wolfgang Mückstein
APA/Roland Schlager
Herkulesaufgabe Gesundheitsminister

Politneuling Mückstein vor vielen Baustellen

Der künftige Sozial- und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) will auch „unpopuläre Entscheidungen“ treffen, wenn nötig. Diese dürften nicht lange auf sich warten lassen, die Liste der Aufgaben ist lang. Neben der Pandemie warten große Herausforderungen auf Umsetzung, darunter die lang erwartete Pflegereform.

Der Sessel des Gesundheitsministers ist in Zeiten einer Pandemie ein Schleudersitz: In Tschechien ist der vierte Ressortchef innerhalb eines Jahres am Ruder, in Rumänien der dritte, und in zahlreichen anderen Ländern der oder die zweite. Nun auch in Österreich: Am Montag wird mit Mückstein ein Allgemeinmediziner neuer Minister, der wenig politische Erfahrung hat.

Die Grünen setzen auf den Wiener Arzt als Fachmann in der Pandemie. Und er hat einen Vorzug: Bei den Regierungsverhandlungen saß Mückstein bei den Kapiteln Gesundheit und Soziales mit am Verhandlungstisch. Von der CoV-Krise war damals freilich noch keine Rede.

Porträt des künftigen Gesundheitsministers

Der 46-Jährige Wolfgang Mückstein praktiziert in Wien als Hausarzt und war bisher als Ärztekammer-Funktionär tätig. Der Quereinsteiger übernimmt in wenigen Tagen die politische Verantwortung für das Gesundheitsministerium.

Sie wird aber auch in Mücksteins Amtszeit das dominante Thema sein. Angesichts der weit ansteckenderen Virusmutante B.1.1.7 stiegt er direkt im Lockdown ins Krisenmanagement ein. Neben der Aufgabe, die Infektionszahlen wieder zu drücken und so die Intensivstationen zu entlasten, kommt als erstes Großprojekt die Impfung auf Mückstein zu: Die wiederholte Ankündigung von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), bis zum Sommer seien alle Willigen geimpft, wollte Mückstein am Dienstag nicht mitversprechen: Man kämpfe mit Verzögerungen beim Impfstoff, und er wolle „keine Luftschlösser bauen“, so Mückstein. Es werde noch dauern, bis alle geimpft seien – ob Juli oder August, werde man sehen.

Priorität Impfung

Österreichs Impfstart holperte zu Beginn, noch im Jänner hatte Mückstein selbst in seiner Funktion als Leiter einer Gruppenpraxis in Interviews beklagt, in seiner Praxis bereitzustehen, aber keinen Impfstoff zu haben. Inzwischen wurden mehr als zwei Millionen Impfdosen verabreicht. Doch angesichts großer Lieferprobleme von AstraZeneca und nun auch Johnson & Johnson stehen noch einige Hürden bevor.

Auch im Impfplan ist noch einiges abzuarbeiten: Auch die mittleren Generationen wollen demnächst drankommen, zudem muss noch geklärt werden, ob und womit unter 16-Jährige immunisiert werden sollen. Das alles wird mit den Bundesländern, die die Verabreichung organisieren, in den Mühlen der Realpolitik zu koordinieren sein.

Dementsprechend monothematisch waren auch die Wünsche aus verschiedenen Richtungen an den neuen Ressortchef: Opposition, Ärztekammer und zahlreiche Interessenvertreterinnen und -vertreter forderten Mückstein am Dienstag auf, das Impftempo zu steigern. Davon hänge ab, wie schnell man zurück in die Normalität gelange.

„Öffnungskommission“ für Lockerungen

Zudem wird sich der neue Minister in Kooperation mit anderen Ressorts Öffnungsschritten für den Mai widmen müssen. Kurz hatte Lockerungen ab nächstem Monat in Aussicht gestellt, dazu soll eine „Öffnungskommission“ eingerichtet werden. Allen voran warten besonders die Schulen auf eine längerfristig durchführbare Strategie.

Mayer-Bohusch (ORF) über den neuen Gesundheitsminister

Andreas Mayer-Bohusch, Innenpolitikexperte des ORF, spricht über den neuen Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein.

Mückstein äußerte sich am Dienstag dazu: Er habe selbst Kinder im Homeschooling, und in seiner Arztpraxis habe er auch die Kollateralschäden der Pandemie wie Schlafstörungen bei Kindern erlebt. Doch mit den Fallzahlen derzeit sei der Lockdown im Osten sicher die einzige Möglichkeit. Mückstein wird sich aber auch um die mehr werdenden Lockdown-Müden kümmern und die viel beschworene Perspektive bieten müssen.

Stolpersteine im Ministerium

Auch das Gesundheitsministerium an sich ist eine Herausforderung: Die zersplitterten Zuständigkeiten machen die Arbeit in der Pandemie schwer. Hinzu kommt, dass das Ressort lange nicht optimal aufgestellt war – das war besonders im vergangenen Jahr anhand diverser später aufgehobener Verordnungen erkennbar. Auch der Streit rund um Impfstoffbeschaffung und den damaligen Impfkoordinator Clemens Martin Auer gereichte dem Ressort nicht zur Ehre.

Personelle Mängel wurden erst spät repariert: In der Regierung von ÖVP und FPÖ war die Generaldirektion für öffentliche Gesundheit abgeschafft worden, Anschober führte sie erst Ende letzten Jahres wieder als Chief Medical Officer ein. Mückstein beginnt hier allerdings nicht als Quereinsteiger. Als langjähriger Funktionär in der Wiener Ärztekammer kennt er zumindest die Nöte des Gesundheitswesens sowie die Wünsche der Sozialversicherungen.

Maskenpflicht und „Grüner Pass“

Mit dem Bundesrat dürfte Mückstein hingegen weniger vertraut sein. Dort wurde zuletzt das Paket rund um Maskenpflicht am Arbeitsplatz und Zutrittstests im Handel blockiert. Nach dem ursprünglichen Plan hätten diese Maßnahmen nach Ostern in Kraft treten sollen. Nun muss das Gesundheitsministerium ausloten, inwieweit ein Vorziehen von Teilen des Gesetzespakets durch eine Beschlussfassung im Parlament noch im April möglich sein kann. Der neuerliche starke Widerstand von Sozialpartnern ist vorherzusehen. Teil des Pakets ist aber auch der „Grüne Pass“, der Geimpften und Genesenen mehr Freiheiten bringen könnte – ein weiteres neues Arbeitsfeld für Mückstein.

Im Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen standen einige weitere Gesundheitskapitel, die die Pandemie bisher zunichte machte, vom Ausbau der Primärversorgung bis zur Stärkung der nicht ärztlichen Gesundheitsberufe.

17 Ziele im Bereich der Pflege

Der größte Brocken im Ministerium war vor der Krise allerdings eine großangelegte Pflegereform, die Anschober auch während der vergangenen Monate weiterverfolgte. Im Strategiepapier der „Taskforce Pflege“ wurden 17 Ziele aus fünf Themenfeldern beschrieben. Sie drehten sich um „Verlässlichkeit in der Pflege und Betreuung und Sicherheit des Systems“, das Vorgehen gegen Einsamkeit und die Förderung des Miteinander, die Anerkennung der Leistung Pflegender durch angemessene Rahmenbedingungen, die Entlastung für pflegende Angehörige und den Umgang mit Demenz sowie vorausschauende Planung und Gestaltung.

Ziele war neben der Einführung eines „Pflege-Daheim-Bonus“ für pflegende Angehörige etwa ein pflegefreier Tag pro Monat als Unterstützung für pflegende Angehörige und Burn-out-Prophylaxe. Zudem sollten die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf verbessert und die Kräfte in der 24-Stunden-Betreuung gestärkt werden.

Kommission soll Umsetzung vorbereiten

Im Februar legte dazu die „Taskforce Pflege“ ihren Bericht vor. Der weitere Plan sah für heuer eine „Zielsteuerungskommission“ vor, in der Bund, Länder, Städte, Gemeinden und Trägerorganisationen gemeinsam die Entwicklung der strukturellen Reformen umsetzen sollten. Mückstein strich den Sozialbereich am Montag als besonders wichtig hervor. Es sei „hoch an der Zeit“, die Pflegesysteme zu modernisieren. Allein die Pflegereform wäre in anderen Legislaturperioden ein ambitioniertes Großprojekt. Wie weit sie zusätzlich zur Pandemie bewältigbar ist, wird sich auch angesichts des erwartbaren Spardrucks noch zeigen.

Hinzu kommt, dass Mückstein in Verhandlungen der Koalition, mit Sozialpartnern und Ländern ein Neuling ist. Vor Vorwürfen war Vorgänger Anschober nicht geschont worden, auch nicht vom Koalitionspartner ÖVP. Mit dem Finanzministerium wird Mückstein über die Kosten der Pandemiebekämpfung verhandeln müssen, mit den Landeshauptleuten über Maßnahmen. Qua Gesetz hätte der Gesundheitsminister die Möglichkeit, mit Verordnungen zu agieren, doch umgesetzt wird in den Ländern. Anschober vermied daher stets die Konfrontation und suchte den Ausgleich.

Ob Mückstein in Verhandlungen mit erfahrenen Gesprächspartnerinnen und -partnern ebenso verfährt, bleibt abzuwarten. Er werde die nötigen Maßnahmen setzen, sagte er, auch wenn diese unpopulär seien. „Weil ich mich dazu als Gesundheitsminister und Arzt verpflichtet sehe“, so Mückstein. Er sei sich der „historischen Aufgabe“ bewusst: „Wenn du keine Bedenken hast, mitten in der Pandemie Gesundheitsminister zu werden und damit oberster Krisenmanager, dann fehlt dir der Respekt vor der Aufgabe.“