Medizinisches Personal verarbeitet einen Antigentest
APA/AFP/Ronny Hartmann
„Gebot der Verantwortung“

Deutsche Betriebe zum Testen verpflichtet

Im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie hat die deutsche Regierung am Dienstag eine Reihe neuer Maßnahmen auf den Weg gebracht. Dazu zählt neben einer deutschlandweit verbindlichen „Notbremse“ auch eine Testangebotspflicht. Unternehmen müssen laut der am Montag in Kraft tretenden Verordnung zum Arbeitsschutz allen Beschäftigten, „die nicht dauerhaft im Homeoffice arbeiten können“, Coronavirus-Tests anbieten.

„Ich halte das für ein Gebot der Verantwortung“, sagte dazu Deutschlands Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Dienstag, derjenige Teil der Wirtschaft, der offen bleiben solle, müsse nun zum Infektionsschutz einen verpflichtenden Beitrag leisten. Deutschlands Regierungssprecher Steffen Seibert rief die Beschäftigten dazu auf, die Testangebote auch zu nutzen.

Nach Angaben Heils sei zur Umsetzung der Testpflicht der Einsatz von Schnelltests, PCR-Tests und auch Selbsttests möglich. Unternehmen könnten auch mit Dienstleistern arbeiten – etwa mit der Apotheke um die Ecke.

Vorgesehen ist, dass Betriebe ihren Beschäftigten einmal pro Woche ein Testangebot machen. Zwei Tests pro Woche sollen Mitarbeitern zur Verfügung stehen, die besonders gefährdet sind. Das trifft auf Bereiche mit viel Kundenkontakt oder körpernahe Dienstleistungen zu. Auch Beschäftigte, die vom Arbeitgeber in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden, müssen zweimal pro Woche ein Testangebot erhalten. Eine Testpflicht für Arbeitnehmer gibt es nicht.

Rund 70 Prozent bieten Testmöglichkeiten

„Wir stärken Unternehmen, die bereits testen“, sagte Heil. Es sei nicht akzeptabel, wenn andere das nicht täten. Für viele Unternehmen ändert sich mit einer solchen Angebotspflicht aus Sicht des Wirtschaftsministeriums nicht viel. Nach Angaben des Ministeriums bieten inzwischen rund 70 Prozent der Unternehmen ihren Beschäftigten wöchentliche Testmöglichkeiten an, weitere Angebote kämen hinzu. Das belegten auch die Befragungen der deutschen Regierung aus der vergangenen Woche. Mitte März waren es noch rund 35 Prozent gewesen.

Kritik aus Wirtschaft

Kritik an dem Beschluss kommt vor allem aus der Wirtschaft. Die Verpflichtung sei eine weitere Misstrauenserklärung gegenüber den Unternehmen und ihren Beschäftigten in diesem Land, sagte Deutschlands Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger.

Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, sagte der dpa: „Statt bürokratischer Auflagen braucht es jetzt dringend Hilfe bei der Beschaffung von ausreichend Tests, die gerade für kleine und mittlere Unternehmen schwierig ist.“ Aus Sicht des Deutschen Mittelstands-Bunds ist eine unzureichende Verfügbarkeit von zertifizierten Tests ein Problem. Kritik kam auch aus der Chemieindustrie.

„Wird in der Praxis nicht viel ändern“

Die Maschinen- und Anlagenbauer halten die angekündigte Pflicht zum Angebot von Coronavirus-Tests in den Betrieben hingegen für handhabbar. „Da der überwiegende Teil unserer Unternehmen die Selbstverpflichtung, ihren Mitarbeitern Corona-Tests anzubieten, von vornherein sehr ernst genommen hat, wird sich in der Praxis nicht viel ändern“, sagte Karl Haeusgen, Präsident des Branchenverbandes VDMA.

Auch die IG Metall begrüßte die Angebotspflicht. „Im Augenblick sind regelmäßige Tests eine zentrale Maßnahme, um die zahlreichen Beschäftigten, die nicht im Homeoffice arbeiten können, zu schützen“, sagte am Dienstag der Erste Vorsitzende Jörg Hofmann.

Ruf nach täglicher Selbsttestpflicht

Die Kosten für die Tests tragen die Arbeitgeber. Grundsätzlich können die Firmen die Kosten für Schnelltests allerdings im Rahmen der Überbrückungshilfe III geltend machen, wenn sie die Voraussetzungen dafür erfüllen. Nach Angaben des deutschen Wirtschaftsministeriums sind neben Desinfektionsmitteln und Schutzmasken auch Schnelltests und die Schulung von Beschäftigten zu Hygienemaßnahmen förderfähig. Die deutsche Regierung rechnet mit Kosten pro Beschäftigten von 130 Euro bis Ende Juni.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte mehr Tests. Bei einer Fünftagewoche sei mehr als ein Angebot notwendig, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann. „Bei besonders gefährdeten Beschäftigten muss arbeitstäglich ein Schnelltest zur Verfügung gestellt werden.“ Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, fordert laut dpa „eine tägliche Selbsttestpflicht für alle Beschäftigten, die nicht im Homeoffice sind. Gerade in der Alten- und Krankenpflege ist das überfällig.“