Abgeholzter Regenwald
Reuters/Bruno Kelly
WWF-Bericht

EU zweitgrößter Waldzerstörer

Westliche Länder sind für die Abholzung von Tropenwäldern verantwortlich, das ist weitgehend bekannt. Der WWF ließ am Mittwoch allerdings mit einer Studie aufhorchen, wonach die Staaten der Europäischen Union auf Platz zwei hinter China im weltweiten Vergleich der „Waldzerstörer“ landen. Damit liegt die EU noch vor Indien und den USA.

Im Jahr 2017 seien 16 Prozent der weltweiten Zerstörung von Tropenwald im Zusammenhang mit Handel auf EU-Importe zurückgegangen, heißt es in dem am Mittwoch veröffentlichten WWF-Bericht. Analysiert hat die NGO dafür die Jahre 2005 bis 2017. Die EU liege damit auf Platz zwei der „Weltrangliste der Waldzerstörer“ hinter China (24 Prozent) und vor Indien (neun Prozent) und den USA (sieben Prozent). In Brasilien, Indonesien und Paraguay wurde für die EU-Importe dem Bericht zufolge die größte Waldfläche gerodet.

Am meisten tropischer Wald wurde laut WWF für Importe von Soja (31 Prozent), Palmöl (24 Prozent) und Rindfleisch (zehn Prozent) zerstört, gefolgt von Holzprodukten (acht Prozent), Kakao (sechs Prozent) und Kaffee (fünf Prozent). Dabei ist zu bemerken, dass das meiste Soja für Nutztierfuttermittel importiert wird. Laut WWF-Statistik werden ungefähr 80 Prozent des importierten Sojas weltweit als Viehfutter verwendet. Das restliche Fünftel entfällt auf Agrartreibstoffe, Margarine und Sojalebensmittel.

Forstarbeiter neben Baumstämmen in einem brasilianischen Regenwald
Reuters/Bruno Kelly
Tropenwälder werden nicht nur des Holzes wegen gerodet. Hauptverantwortlich ist die Nahrungsmittelindustrie.

Die erzeugte Menge von Sojafutter hat sich in den letzten 50 Jahren verzehnfacht, während sich der weltweite Fleischkonsum in derselben Zeitspanne vervierfachte. Bis 2050 soll er sich laut Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) nochmals verdoppeln.

Deutschland in EU hauptverantwortlich

Innerhalb der EU sei Deutschland als größte Volkswirtschaft mit Abstand für die meiste Entwaldung durch Importe verantwortlich gewesen, heißt es in dem Bericht. Durchschnittlich wurden laut WWF jährlich 43.700 Hektar Wald für deutsche Importe vernichtet. Insgesamt gehen 80 Prozent der Waldzerstörung durch die EU-Importe auf die acht größten Volkswirtschaften der Union zurück. Diese sind Deutschland, Italien, Spanien, das frühere EU-Mitgliedsland Großbritannien, die Niederlande, Frankreich, Belgien und Polen. Österreich liegt in der „Waldzerstörer-Rangliste“ der ehemals EU-28 auf Platz 15.

Grafik zur Abholzung von Wäldern
Grafik: ORF.at; Quelle: WWF

Die Rodungen hatten laut WWF auch Auswirkungen auf das Klima. Durch die Abholzung für EU-Importe seien 2017 indirekt 116 Millionen Tonnen CO2-Emissionen verursacht worden, heißt es in dem Bericht. Das entspreche mehr als einem Viertel der EU-Emissionen aus der Landwirtschaft im selben Jahr.

„Wälder sind unsere Lebensversicherung“

Insgesamt wurden 2017 1,3 Millionen Hektar Tropenwald für den internationalen Handel abgeholzt – davon 203.000 Hektar für EU-Importe. Zudem wurden weltweit durch die Rodungen 740 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt. Der WWF forderte die Regierungen der EU auf, sich in Brüssel für ein starkes EU-Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten einzusetzen.

„Die Ära der Naturzerstörung muss enden, denn natürliche Ökosysteme wie Wälder sind unsere Lebensversicherung“, sagte Christine Scholl, WWF-Expertin für nachhaltige Lieferketten in Deutschland. „Produkte, die auf dem europäischen Markt landen, dürfen nicht auf Kosten von Natur und Menschenrechten produziert werden.“ Für den Bericht wurden Daten zur Abholzung, unter anderem aus Satellitenbilder, mit Untersuchungen der internationalen Handelsströme verknüpft.

SPÖ fordert Lieferkettengesetz

Die EU trage direkt zur Vernichtung von unersetzlichem Lebensraum für unzählige Tiere und Pflanzen bei, reagierte SPÖ-Umweltsprecherin Julia Herr auf die WWF-Studie: „36.400 Hektar gehen auf unsere Rechnung.“ Das sei in etwa die Größe des Neusiedler Sees.

„Waren, die auf dem europäischen Markt landen, müssen frei von Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung produziert worden sein. Dafür müssen wir Konzerne in die Pflicht nehmen, die mit ihren globalen Lieferketten die Verantwortung tragen“, forderte Herr in einer Aussendung. Kern eines Lieferkettengesetzes seien Sanktionen für Konzerne bei Nichteinhaltung.

Die SPÖ-Umweltsprecherin schloss sich der Forderung des WWF nach einem starken europäischen Lieferkettengesetz an und will einen bereits zuvor eingebrachten Antrag dazu im Umweltausschuss erneut zum Thema machen. „Leider haben ÖVP und Grüne den Antrag im letzten Umweltausschuss vertagt“, so Herr weiter. Die SPÖ sehe die Verantwortung klar bei den Konzernen und weniger bei den Konsumentinnen und Konsumenten.

Unternehmen „zur Transparenz verpflichten“

Auch die Bürgerinitiative Lieferkettengesetz Österreich meldete sich via Aussendung zu Wort. Mit der Regenwaldabholzung schreite der ökologische Raubbau „im Rekordtempo“ voran. Der Verein verwies darauf, dass durch die Regenwaldabholzung die lokale Bevölkerung von ihrem Land vertrieben werde.

„Damit ist aber nicht nur Umweltzerstörung im großen Stil verbunden, sondern auch Kinderarbeit und Formen moderner Sklaverei, wie kürzlich Greenpeace am Beispiel Milka aufzeigte“, so die Bürgerinitiative. Unternehmen sollten mit einem Lieferkettengesetz „zur Transparenz verpflichtet“ werden, so Veronika Bohrn Mena, die Sprecherin der Initiative. Der Verein greift den jüngst im Europäischen Parlament beschlossenen Vorstoß für ein Importverbot von Waren auf, die nachweislich auf Kinderarbeit und Umweltzerstörung basieren.