Eine Frau geht in Kuba an einem Plakat mit Raul Castro, Fidel Castro und Kubas Präsidenten Miguel Díaz-Canel vorbei
Reuters/Alexandre Meneghini
Kuba ohne Castro

Parteitag läutet Ende einer Ära ein

„Somos Continuidad“ (Wir sind Kontinuität): Mit diesen Worten wird in Kuba seit Wochen der am Freitag anlaufende Kongress der allein regierenden Kommunistischen Partei (PCC) eingeläutet. Das turnusgemäß alle fünf Jahre stattfindende Delegiertentreffen markiert diesmal aber auch das Ende einer Ära: Wenn Raul Castro wie erwartet das Amt des Ersten Parteisekretärs an Miguel Diaz-Canel übergibt, wird das seit 1959 kommunistische Kuba erstmals nicht mehr von einem Castro kontrolliert.

Der jüngere Bruder des 2016 verstorbenen Revolutionsführers Fidel Castro hatte Diaz-Canel zwar schon 2018 die Führung des Staats- und Ministerrats und 2019 das Amt des Staatspräsidenten übertragen lassen – was die Machtverhältnisse in Kuba betrifft, hält Raul Castro als PCC-Chef allerdings die Zügel weiterhin fest in der Hand.

Dass der 89-Jährige nun altersbedingt aus dem machtvollen Amt scheidet, gilt Beobachtern zufolge als ausgemachte Sache. Und da keine Kinder und Enkel aus dem Castro-Clan als Nachfolger infrage kommen, wird es in Kuba nun auch „keine Familiendynastie nach dem Vorbild Nordkoreas“ geben, hieß es im Politmagazin „The European“: Castros Erbe sei dennoch schon lange geregelt, und Diaz-Canel werde dieses am Parteitag nun auch mit einem „für sozialistische Diktaturen üblichen 99,x-Prozent-Ergebnis“ antreten.

Raul Castro und Kubas Präsident Miguel Díaz-Cane
AP/Ramon Espinosa
Diaz-Canel ist bereits Staatspräsident von Kuba, Raul Castro hält bisher als Erster PCC-Sekretär die Zügel in der Hand

Der Schritt markiert für das über 60 Jahre von den beiden Castro-Brüdern strikt regierte Land einen Zeitenwechsel, da – wie von Raul Castro bereits beim letzten Parteikongress in den Raum gestellt – auch „die historische Generation der revolutionären Veteranen“ vor dem Abschied von Kubas Politparkett stehen.

Achter PCC-Kongress

Der PCC-Kongress findet etwa alle fünf Jahre statt – die diesjährige Ausgabe ist die achte seit der ersten im Jahr 1975. Bei dem von 16. bis 19. April laufenden Parteitag wählen etwa 1.000 Delegierte unter anderem auch das Zentralkomitee.

„Übergabe an die neuen Generationen“

„Dies wird der Kongress der Kontinuität sein, der in der schrittweisen und geordneten Übergabe der Hauptverantwortlichkeiten des Landes an die neuen Generationen zum Ausdruck kommt“, zitiert die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“) dazu den wohl ebenfalls scheidenden Vizeparteivorsitzenden Jose Ramon Machado Ventura und damit einen langjährigen Mitstreiter der Castro-Brüder.

Ob es unter Diaz-Canel nun zu einer bedeutenden Abkehr von der bisherigen Politik kommt, bleibt dennoch fraglich. Laut „The European“ sei der 60-Jährige vielmehr „ein Kind des Systems“ und habe sich in seiner bisherigen Politkarriere „als ausgesprochen linientreu präsentiert“.

Raul und Fidel Castro im Jahr 2011
AP/Javier Galeano
Bereits lange vor dem Tod von Langzeitmachthaber Fidel Castro übernahm dessen jüngerer Bruder Raul die Führung des Landes

Wachsender Unmut

Ungeachtet einer Reihe bereits umgesetzter Reformen, sorgt die zuletzt durch die Coronavirus-Pandemie weiter verschärfte Wirtschaftskrise für wachsenden Unmut über Misswirtschaft, Armut und Korruption. Kubas zunehmend desillusionierte Bevölkerung werde von Diaz-Canel demnach auch verstärkt Verbesserungen für die Zukunft einfordern.

Beobachtern zufolge werde Kubas neue Führung um weitere marktwirtschaftliche Reformen nicht herumkommen. Nach einer zum Jahreswechsel in Angriff genommenen Währungsreform stellte der Ministerrat in Havanna zuletzt eine umfangreiche Öffnung des Arbeitsmarktes für Selbstständige in Aussicht. Inwieweit diese Reformen dann auch umgesetzt werden, bleibt offen. Reuters verweist in diesem Zusammenhang auf die 2011 angekündigten ersten und bis heute nach wie vor nicht vollständig umgesetzten Öffnungsschritte.

„Ein Zeichen, dass die Menschen genug haben“

Den Unmut vieler Kubaner über die Regierung und das sozialistische Einparteiensystem artikuliert unter anderen die Künstlergruppe Movimiento San Isidro. Deren Rückhalt in der Bevölkerung machten Videos deutlich, die vor wenigen Tagen in Sozialen Netzwerken verbreitet wurden.

Darauf ist ein Gerangel zwischen Polizisten und einer aufgebrachten Menge am 4. April in der Altstadt von Havanna zu sehen. Ein Polizist hat einen Mann im Würgegriff und versucht, ihn in einem Polizeiwagen zu zerren. Mehreren Menschen gelingt es gemeinsam, den Mann aus dem Griff des Beamten loszureißen.

Bei dem Mann, der der Polizei schließlich entkam, handelte es sich um den Rapper Maykel Osorbo. Ein Foto von dem Tag zeigt ihn mit erhobener rechter Faust – vom Handgelenk hängen Handschellen. „Was jetzt in Kuba passiert, ist ein Zeichen, dass die Menschen genug haben, dass sie es nicht mehr ertragen können“, sagte dazu laut BBC Osorbo, der auch hinter dem etwa auf YouTube bereits millionenfach aufgerufenen Protestsong „Patria y Vida“ (Vaterland und Leben) steht.