Mitarbeiter des Bundeskanzleramts im Ibiza Untersuchungsausschuss
ORF.at/Lukas Krummholz
Schredderaffäre

Erhitzte Gemüter bei „Ibiza“-Befragung

Die Schredderaffäre ist am Mittwoch in den „Ibiza“-U-Ausschuss zurückgekehrt und hat dieses Mal ordentlich Staub aufgewirbelt. Denn die Staatsanwaltschaft (StA) Wien dürfte Ermittlungen gegen die Auskunftsperson eingeleitet haben. Selbst das Kanzleramt meldete sich schriftlich zu Wort – wenige Minuten vor der emotional geführten Befragung.

Gegen die Auskunftsperson, einen Kabinettsmitarbeiter von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), sei von zwei Abgeordneten der Opposition eine Sachverhaltsdarstellung eingebracht worden, hieß es aus dem Bundeskanzleramt. Das Verfahren fundiere auf keinen „neuen Erkenntnissen“, aber aufgrund der Ermittlungen habe der Mitarbeiter das Recht auf Schutz vor Bekanntgabe der Identität. Man stehe den Behörden bei der Aufklärung „vollumfänglich zur Verfügung“. Und: Das Bundeskanzleramt sei „überzeugt, dass sich die Haltlosigkeit der offenbar politisch motivierten Anschuldigungen in Kürze zeigen wird“.

Grund für die doch ungewöhnliche Pressemitteilung ist eine bei der StA Wien eingelangte Sachverhaltsdarstellung, die zu Ermittlungen gegen die Auskunftsperson führte. Eingebracht wurde die Anzeige von Kai Jan Krainer (SPÖ) und Stephanie Krisper (NEOS). Die StA Wien führe ihn nun als Beschuldigten, sagte die Auskunftsperson auf Nachfrage. Gegenüber ORF.at bestätigte die Staatsanwaltschaft sowohl die Anzeige als auch den Beschuldigtenstatus. Man gehe den Vorwürfen nach, man befinde sich allerdings im Anfangsstadium.

Camemium der Nationalbibliothek im Rahmen des biza Untersuchungsausschusses
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Am späten Mittwochabend wurde es nochmals laut in der Hofburg

Es sei, so wurde von der StA Wien betont, keine Wiederaufnahme des ursprünglichen Schredderverfahrens, das im Sommer 2019 eingestellt wurde. Dem Vernehmen nach gehe es nicht um das Schreddern selbst, so hieß es im U-Ausschuss, sondern unter anderem um die Unterdrückung von Beweismitteln und die Beantwortung eines Amtshilfeersuchens der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die laut Krainer und Krisper „tatsachenwidrig ausgeführt“ worden sei. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Viele Festplatten und viele Fragen

In der Schredderaffäre geht es für gewöhnlich um fünf Festplatten aus Multifunktionsgeräten im Bundeskanzleramt, die unter falschem Namen außerhalb Wiens geschreddert wurden. Laut Opposition geht aus einer Rechnung aber hervor, dass vom Unternehmen sechs Festplatten ausgebaut wurden. Eine davon sei ordnungsgemäß und drei in Niederösterreich unter einem falschen Namen geschreddert worden. Über zwei ausgebaute Festplatten würden Informationen fehlen, dafür seien noch zwei unbekannte Datenträger vernichtet worden, so SPÖ und NEOS. Woher die Letzteren stammen, sei unklar.

Die Auskunftsperson widersprach den „Mythen und Unwahrheiten“ der Opposition vehement. Die Vernichtung der Festplatten werde bewusst mit dem „Ibiza-Video“ vermischt, sagte der Befragte. Weder habe er das Video als Original noch als Kopie „jemals besessen“, bis zur Veröffentlichung habe er nichts von dessen Existenz gewusst. „Ich habe das Video bis jetzt nicht gesehen, außer der bekannten Szenen.“ Die Vernichtung der Festplatten sei ein „üblicher Vorgang“ und wegen der sensiblen Informationen, die sich darauf befinden, auch „notwendig und rechtmäßig“.

Laut der Auskunftsperson habe die Firma fünf Festplatten aus den Multifunktionsgeräten ausgebaut und ihm übergeben. Auf die Frage von Verfahrensrichter Ronald Rohrer, ob er beim Ausbau anwesend war, antwortete der Kabinettsmitarbeiter: Er selbst sei nicht dabei gewesen, aber er wisse aus der Auskunft aus parlamentarischen Anfragen, dass die Festplatten eben aus diesen Geräten ausgebaut wurden. Er könne aber sagen, dass diese ihm übergebenen Platten geschreddert wurden. Wer ihm die Festplatten übergab und was auf diesen war, sagte er nicht.

Auskunftsperson: „Politisch motivierte Anzeige“

SPÖ-Fraktionsführer Krainer wollte dann wissen, ob die Auskunftsperson die Festplatten wiedererkennt, und legte Fotos von fünf Festplatten vor. Nach der erneuten Beratung mit seiner Vertrauensperson entschlug sich der Befragte, woraufhin der SPÖ-Politiker nachbohrte, wie das mit seinem Statement zusammengehe, wonach er bestätigen könne, dass die fünf ausgehändigten Festplatten vernichtet wurden. Es blieb bei der Entschlagung.

Kai Jan Krainer (SPÖ) und Stephanie Krisper (NEOS)
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Krainer und Krisper hatten eine Sachverhaltsdarstellung bei der StA Wien eingebracht

Es handle sich um eine „politisch motivierte Anzeige von Krainer und Krisper“, wiederholte die Auskunftsperson einen Satz, den auch ÖVP-Mandatar Andreas Hanger im Zuge der Befragung sagte und auch in einer Aussendung während der laufenden Befragung festhielt.

Hanger nahm „Lügenmärchen“ zurück

Jener Mitarbeiter im Bundeskanzleramt, der die Festplatten an die Entsorgungsfirma übergab, sagte vor ein paar Wochen in seiner „Ibiza“-Befragung, er habe seine Hilfe angeboten, die Festplatten zu vernichten: „Wenn mein Vorgesetzter mir sagt, dass es sich um fünf Druckerfestplatten handelt, gehe ich davon aus, dass es auch Druckerfestplatten sind.“ Normal hätte es seiner Meinung nach Monate gebraucht, bis die Platten zerstört worden wären. Den falschen Namen habe er verwendet, um nicht den Eindruck zu vermitteln, dass sich die Regierung auf eine Ablöse vorbereitet.

Schon zu Beginn der Befragung gingen die Wogen hoch – insbesondere bei der SPÖ und der ÖVP. Hanger warf der Opposition „Lügenmärchen“ vor, was bei dieser für Aufregung sorgte. Der Mandatar nahm die Formulierung zurück. Die Befragung wurde ab da von zahlreichen Debatten über die Zulässigkeit von Entschlagung sowie entsprechenden Geschäftsordnungsdebatten begleitet.

Über die Streitpunkte entschied am Ende – wie in der Verfahrensordnung festgeschrieben – der Ausschussvorsitzende. Zu Beginn leitete ÖVP-Mandatar Friedrich Ofenauer die Befragung, später übernahm Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der am Nachmittag nach zwei weiteren Auskunftspersonen an seinen Parteikollegen übergeben hatte.

Ermittelt, eingestellt – neue Anzeige

Die Schredderaffäre hatte ihren Anfang kurz nach der Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“ und wenige Tage, bevor der damaligen Regierung das Misstrauen ausgesprochen wurde. In dieser Zeit ließ der Mitarbeiter von Bundeskanzler Kurz die Festplatten von einem Unternehmen in Niederösterreich schreddern. Allerdings vergaß er, die Rechnung zu bezahlen, woraufhin es zu einer Anzeige kam und der Vorgang publik wurde. Wegen des Zeitpunkts vermutet die Opposition einen Konnex mit dem „Ibiza-Video“, die WKStA nahm Ermittlungen auf.

Andreas Hangar (ÖVP)
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Andreas Hanger übernahm vergangene Woche die Fraktionsführung der ÖVP

Allerdings wurde das Verfahren an die StA Wien abgetreten, weil eine Auskunft aus dem Bundeskanzleramt unter der damaligen Kanzlerin Brigitte Bierlein eine Verbindung mit dem Video ausschloss. Wegen des Schredderns der Festplatten gebe es keine Beweise, hieß es. In der Beantwortung des Amtshilfeersuchens wurde auch angegeben, dass fünf Druckerfestplatten von einer Firma ausgebaut und schließlich dem Bundeskanzleramt übergeben worden seien.

Christian Ries von der FPÖ merkte aber an, dass Bierlein zum Zeitpunkt der Aktion gar nicht im Amt war. „Wer teilte ihr mit, dass alle fünf Festplatten aus den Geräten ausgebaut wurden? Wer hat die Antwort des Amtshilfeersuchens geschrieben?“, fragte er die Auskunftsperson, die sich entschlug – wie bei vielen der im Ausschuss gestellten Fragen.