Die Farbe wurde am Donnerstag vom Team um Maschinenbauprofessor Xiulin Ruan im Fachjournal „ACS Applied Materials & Interfaces“ vorgestellt. „Wenn Sie diese Farbe verwenden würden, um eine Dachfläche von etwa 1.000 Quadratfuß (rund 93 Quadratmeter) abzudecken, könnten Sie eine Kühlleistung von zehn Kilowatt erreichen. Das ist leistungsstärker als die Klimaanlagen, die von den meisten Häusern verwendet werden“, so Ruan laut der Universität. Dunkle Dachflächen beschleunigen den Treibhauseffekt, da sie Sonnenstrahlung absorbieren und dadurch zur Erwärmung der Umgebung beitragen.
Handelsübliche weiße Streichfarbe wird aber oft eher wärmer als kühler. Es gibt bereits Farben auf dem Markt, die Wärme abweisen. Sie reflektieren jedoch nur 80 bis 90 Prozent des Sonnenlichts. Daher können sie Oberflächen nicht stärker kühlen als die Umgebung. Zudem benötigen sie mitunter chemische Strukturen aus mehreren Schichten, die die Einsatzmöglichkeiten in der Praxis beschränken.
Die neue Farbe soll das Licht hingegen weit stärker zurückschicken und auch Infrarotwärme mit einer Wellenlänge ausstrahlen, die nicht von der Luft absorbiert wird. So werde die Strahlung durch die Atmosphäre und darüber hinaus geschickt – in den kalten Weltraum, so Ruan.
Über vier Grad kühler
Der extreme Weißegrad wird laut den Forschenden durch eine sehr hohe Konzentration der chemischen Verbindung Bariumsulfat erzeugt. Damit werden etwa auch Fotopapier und Kosmetika versehen. „Wir haben uns verschiedene kommerzielle Produkte angesehen, im Grunde alles, was weiß ist“, so Xiangyu Li aus dem Entwicklerteam.
„Wir haben festgestellt, dass man mit Bariumsulfat theoretisch Dinge wirklich, wirklich reflektieren kann, was bedeutet, dass sie wirklich, wirklich weiß sind.“ Die Partikel des Bariumsulfats werden in unterschiedlicher Größe beigemischt, um eine möglichst breite Lichtstreuung zu erzielen und einen höheren Reflexionsgrad zu erreichen – je „weißer“, desto kühler.
Mit Thermoelementen, hochpräzisen Temperaturmessgeräten, zeigten die Forscher unter freiem Himmel, dass Oberflächen durch die Farbe um bis zu 4,5 Grad Celsius gekühlt wurden, sowohl in der Nacht als auch unter starker Sonneneinstrahlung.
Weiße Dächer für kühlen Planeten
Die Suche nach effizienter Strahlungskühlfarbe ist nicht neu, Gebäude in zahlreichen Städten und Dörfern sind seit Jahrhunderten zum Hitzeschutz weiß bemalt. Mit dem Bewusstsein der globalen Erwärmung nahm auch die Forschung in diesem Bereich zu. 2008 zeigte eine Studie des Lawrence Berkeley National Laboratory, dass ein durchschnittliches weißes Dach von 1.000 Quadratmeter Größe zehn Tonnen Kohlendioxid ausgleichen kann. Die Forschenden gaben daher den Appell aus: „Streicht das Dach weiß, rettet den Planeten!“

Strahlungskühlung ist eine passive Kühltechnologie, die im Kampf gegen die Klimaerwärmung vermehrt eingesetzt wird. Sie soll die typischen städtischen Wärmeinseln abkühlen helfen, die durch die Temperaturunterschiede zwischen warmer Stadt und kühlerem Umland entstehen. Städtische Wärmeinseln erreichen ihr Maximum in wolkenlosen, windschwachen Nächten. Die Lufttemperatur in Städten hängt nicht nur vom Klima ab, auch Gebäudegeometrie und Bausubstanz tragen dazu bei, ebenso die Strahlung der Oberflächen.
Größere moderne Projekte, die Farbe gegen Hitze verwenden, gibt es inzwischen in mehreren Städten auf der Welt, in New York etwa wurden rund 650.000 Quadratmeter Dachoberfläche weiß bemalt – in der Metropole allerdings ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Marktreife in ein, zwei Jahren
Auch das Forschungsteam der Purdue University beschäftigt sich schon lang mit dem Thema, am perfekten Weiß tüfteln sie nun sechs Jahre lang. Dafür untersuchte Ruans Labor über 100 verschiedene Materialien auf ihre Tauglichkeit.
Die neue Erfindung soll ähnlich widerstandsfähig sein wie herkömmliche Streichfarbe für draußen und auch im kommerziellen Lackherstellungsprozess verwendbar. Dem britischen „Guardian“ sagten die Forscher, die neue Streichfarbe könne in ein, zwei Jahren auf dem Markt sein. Für das Augenlicht stelle die Farbe keine Gefahr dar: Die Oberfläche reflektiert das Sonnenlicht diffus, „sodass die Strahlung in eine bestimmte Richtung nicht sehr stark ist. Es sieht einfach strahlend weiß aus, ein bisschen ‚weißer‘ als Schnee“, so Ruan.
Äquivalent zum „schwärzesten“ Schwarz
Das neue „weißeste“ Weiß der Welt dürfte das beste Äquivalent zum vieldiskutierten „Vanta“-Schwarz sein. „Vanta“ hatte vor rund fünf Jahren für Aufregung in der Farbenwelt gesorgt, nachdem der Hersteller exklusive Nutzungsrechte verhängt hatte. „Vanta“ gilt als „schwärzestes“ Schwarz, es absorbiert 99,96 Prozent des Lichts und lässt Objekte im Auge des Betrachters ihre Form verlieren. Das Material besteht aus Kohlenstoffnanoröhrchen, die so angeordnet sind, dass sie Licht beinahe vollständig schlucken.

Die Farbe war zunächst für die Nutzung im militärischen sowie im Bereich der Luftfahrt entwickelt worden, denn das Pigment macht etwa Tarnkappenbomber für das Radar unsichtbar. Der britische Entwickler NanoSystems sagte später, „Vanta“ sei im Bereich der Kunst exklusiv Anish Kapoor vorbehalten. Das sorgte bei anderen Kunstschaffenden für Empörung.