Krankenschwester prüft Sauerstoffflasche
Reuters/Leonardo Benassatto
Hilferuf aus Brasilien

Sauerstoff und Medikamente fehlen

Angesichts der außer Kontrolle geratenen CoV-Pandemie haben Gouverneure brasilianischer Bundesstaaten „humanitäre Hilfe“ bei den Vereinten Nationen angefragt. Sie ersuchten im Videogespräch mit der stellvertretenden UNO-Generalsekretärin Amina Mohammed Hilfe beim Kauf von Impfstoffen und Intubationsmedikamenten, wie das Nachrichtenportal G1 am Freitagabend (Ortszeit) berichtete.

„In elf Bundesstaaten fehlen Krankenhaus-Patienten Schmerz- und Beruhigungsmittel sowie Sauerstoff“, sagte demnach der Gouverneur des Bundesstaates Piaui, Wellington Dias von der Arbeiterpartei (PT).

Brasilien ist einer der Brennpunkte der Coronavirus-Pandemie. Fast 14 Millionen der rund 212 Millionen Einwohner haben sich nach Daten des Gesundheitsministeriums im größten Land in Lateinamerika mit dem Coronavirus infiziert, 368.749 Patienten sind im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben.

Friedhof bei Manaus, Brasilien
APA/AFP/Michael Dantas
Über 368.000 Brasilianerinnen und Brasilianer sind im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben

Ärzte ohne Grenzen macht Regierung mitverantwortlich

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen sprach angesichts des fehlenden politischen Willens der Regierung von Präsident Jair Bolsonaro, auf die Gesundheitskrise zu reagieren, von einer „humanitären Katastrophe“.

„Die brasilianischen Behörden haben der ungebremsten Ausbreitung von Covid-19 seit einem Jahr einfach zugesehen“, kritisierte Christos Christou, der internationale Präsident von Ärzte ohne Grenzen. Ihre Weigerung, faktenbasierte Maßnahmen für die öffentliche Gesundheit umzusetzen, habe viel zu viele Menschen zu früh zu Tode kommen lassen. „Die Reaktion auf Covid-19 in Brasilien muss dringend verbessert und an die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst werden, um weitere vermeidbare Todesfälle und den Zusammenbruch des Gesundheitssystems (…) zu verhindern.“

Falschinformationen und die Politisierung von Maßnahmen wie Maskentragen und Abstandhalten verschärfen die Situation laut Ärzte ohne Grenzen. Die Impfkampagne laufe „nur mit halber Geschwindigkeit“. Bislang seien nur etwa elf Prozent der Menschen mit mindestens einer Dosis geimpft worden.

Demonstration in Brasilia
Reuters/Adriano Machado
Seit Monaten wird gegen Bolsonaros CoV-Politik demonstriert

Viele Junge unter den schwer betroffenen Patienten

Mehr als die Hälfte der Kranken auf Covid-19-Intensivstationen waren im März jünger als 40 Jahre. BBC Brazil berichtete, dass 1.300 Babys an Covid-19 gestorben seien. Die Zahl der Toten überschritt in manchen Regionen Brasiliens Anfang April die Zahl der Geburten.

Im Jänner war bei vier aus dem brasilianischen Amazonas-Gebiet kommenden und nach Japan eingereisten Menschen eine neue CoV-Variante nachgewiesen worden. Die wohl bereits zuvor entstandene Mutante P.1 ist inzwischen erschienenen Studien zufolge ansteckender als das ursprüngliche Virus und herrscht in Brasilien vor. Im Gegensatz zur ersten Welle hatten in den ersten Monaten des Jahres auch nur wenige Bundesstaaten, an die Präsident Bolsonaro die Verantwortung abgeschoben hat, einschränkende Maßnahmen erlassen.