Mann trägt einen Stapel Akten
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Informationsfreiheit

Tauziehen um Auskunftspflicht und Sondervoten

Die geplante Reform des Amtsgeheimnisses wird zum Tauziehen zwischen Befürwortern und Gegnern strenger Transparenzregeln. Während Transparenz- und Menschenrechtsaktivisten eine Nachschärfung der Pläne fordern, lehnen die Länder das ab. Die Justiz hegt zudem Bedenken gegen Sondervoten. Die Begutachtung des Pakets endet am Montag.

Transparenzaktivisten und Journalisten geht der von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) vorgelegte Entwurf nicht weit genug. So kritisieren sowohl das Forum Informationsfreiheit als auch epicenter.works sowie die Vereinigung der Parlamentsredakteure und der Presseclub Concordia die vierwöchige Wartefrist auf Auskünfte als zu lange. Auch fehlt aus ihrer Sicht ein Informationsfreiheitsbeauftragter zur Überwachung der Regeln. Die geplante 100.000-Euro-Grenze für die Offenlegung staatlicher Verträge ist allen vier Organisationen deutlich zu hoch.

Forum Informationsfreiheit und epicenter.works fordern die Verkürzung der Wartefrist von vier auf zwei Wochen. Das wird auch vom Ökobüro, dem Dachverband der Umweltorganisationen, sowie von T-Mobile („Magenta“) unterstützt.

Die beiden Transparenzorganisationen begrüßen das erstmals explizit eingeräumte Recht auf (auch teilweisen) Dokumentenzugang und die Verpflichtung der Behörden, in jedem Fall eine Interessenabwägung zwischen Geheimhaltung und Offenlegung vorzunehmen. Allerdings kritisieren sie, dass Behörden nur Unterlagen aus ihrem unmittelbaren Wirkungsbereich herausgeben sollen und nicht alle ihnen vorliegenden Informationen.

Warnung vor Erschwerung parlamentarischer Anfragen

Die Liga für Menschenrechte warnt außerdem, dass der türkis-grüne Plan auch parlamentarische Anfragen an die Regierung erschweren würde. Die im neuen Gesetz vorgesehenen Geheimhaltungsgründe würden nämlich auch gegenüber dem Parlament gelten. Die historische Streitfrage, ob sich Minister gegenüber den Abgeordneten auf das Amtsgeheimnis berufen können (oder ob es sich dabei um ein Redaktionsversehen bei der Verfassungsreform 1929 handelt), würde damit zugunsten der Regierung geklärt.

Auch sonst erlaubt das Gesetz für die Liga zu viel an Geheimhaltung, etwa wenn Informationen zur „Vorbereitung einer Entscheidung“ unter Verschluss gehalten werden. Hier wird eine Einschränkung auf Gerichtsverfahren gefordert. Auch die Journalistenvertreter kritisieren die Geheimhaltungsgründe als zu zahlreich und zu ungenau.

Länder pochen auf Vetorecht

Gleich vorsorglich abgelehnt werden die von den Aktivisten geforderten Verbesserungen von den Ländern. Aus Sicht der in St. Pölten angesiedelten Verbindungsstelle der Bundesländer kommen weder ein Informationsfreiheitsbeauftragter noch kürzere Fristen infrage. Im Gegenteil: wer wegen einer verweigerten Auskunft vor Gericht zieht, sollte laut Verbindungsstelle drei Monate (nicht zwei Monate) auf ein Urteil warten müssen. Gefordert werden auch Ausnahmen für Landesunternehmen und für die Landtage.

Die Länder sind hier in einer starken Position, denn sie können jede künftige Gesetzesänderung blockieren. ÖVP und Grüne wollen nämlich per Verfassungsbestimmung verankern, dass das Informationsfreiheitsgesetz „nur mit Zustimmung der Länder kundgemacht werden darf“. Tirol pocht darauf, dass dieses Vetorecht auch für den aktuellen Entwurf gelten muss. Die Verbindungsstelle fordert daher Verhandlungen über den Inhalt.

Mehrere Länder fürchten auch zusätzliche Verwaltungskosten. Der Gemeindebund hatte die geplanten Regeln bereits zuvor als praxisfern und kostentreibend kritisiert. Auch die Sozialversicherungen bezweifeln die von der Regierung behauptete längerfristige Kostenneutralität der neuen Auskunftsregeln.

Datenschutzbehörde will mehr Personal

Bedenken hat auch die Datenschutzbehörde. Sie sollte gemäß den Regierungsplänen staatliche Stellen über die neuen Auskunftsregeln beraten, was sie aber als unpraktikabel ablehnt. Stattdessen schlägt die Datenschutzbehörde vor, dass sie im Streitfall darüber entscheiden könnte, ob eine Auskunft zu erteilen ist oder nicht (oder als Ombudsstelle eine Empfehlung aussprechen könnte). Eine Aufstockung des Personals um 42 Vollzeitstellen wäre aus Sicht der Behörde aber auch für die von Türkis-Grün vorgesehene Beratung nötig.

VfGH gegen „Dissenting Opinion“

Bedenken hegt auch die Justiz – und zwar nicht nur gegen die neuen Auskunftspflichten, sondern auch gegen die ins Gesetz eingeflochtene „Dissenting Opinion“ am Verfassungsgerichtshof (VfGH). Dessen Mitglieder sollen abweichende Stellungnahmen abgeben dürfen, wenn sie mit einer Entscheidung unzufrieden sind. Der VfGH befürchtet, dass darunter die Akzeptanz leiden könnte und kritisiert zudem, dass der Plan mit dem eigentlichen Zweck der Informationsfreiheit „nichts zu tun hat“.

Auch die Richtervereinigung lehnt Sondervoten am VfGH ab. Sie sperrt sich außerdem gegen zusätzliche Auskunftspflichten bei Rechtsprechung und Ermittlungen. Auch der Verwaltungsgerichtshof lehnt eine Auskunftspflicht über Einzelverfahren ab. Der Dachverband der Verwaltungsrichter fordert, dass die neue Informationspflicht nur für die Justizverwaltung gelten soll, nicht aber für die „Organe der Gerichtsbarkeit“. Als Alternative könnte sich der Verfassungsgerichtshof eine Erweiterung der bestehenden Akteneinsicht vorstellen.

OLG: Übernahme von Geheimhaltungsgründen

Das Oberlandesgericht Wien (OLG) kritisiert außerdem die Behauptung der Regierung, das Amtsgeheimnis würde künftig abgeschafft. Das OLG verweist darauf, dass die bestehenden Geheimhaltungsgründe im Wesentlichen auch ins neue Gesetz übernommen werden. Demnach kann eine Auskunft unter anderem verweigert werden, wenn die Geheimhaltung zur „Vorbereitung einer Entscheidung“ nötig ist. „Ein rechtlich verbindlicher Bereich, der die staatlichen Organe zur Geheimhaltung verpflichtet, bleibt erhalten, geändert wird nur die rechtliche Systematik, mit der dies angeordnet wird“, schreibt das Oberlandesgericht dazu.

Widerstand gegen die neuen Regeln kommt auch von einer Reihe von betroffenen Institutionen und Firmen. So lehnen die Sozialversicherungen das „Jedermannsrecht“ auf Auskünfte ab, weil es der Selbstverwaltung widerspreche. Die (teil)staatlichen Energieunternehmen fordern eine Ausnahme, weil sie im Wettbewerb mit privaten und börsennotierten Firmen ohne Informationspflicht stehen. Und die Casinos Austria finden Rechnungshofprüfungen ab 25 Prozent Staatsbeteiligung „systemwidrig“.

Volksanwaltschaft will mehr Prüfkompetenz

Die Volksanwaltschaft forderte zudem eine Ausweitung ihrer Prüfkompetenz: „Bund, Länder und Gemeinden lagern verstärkt Bereiche der Daseinsvorsorge wie etwa Krankenhaus-Träger in externe Unternehmen aus – mit dem Effekt, dass sie von der Volksanwaltschaft nicht geprüft werden können“, sagte Bernhard Achitz, derzeit Vorsitzender der Volksanwaltschaft, in einer Aussendung. Wie nun beim Rechnungshof vorgesehen, solle daher auch die Prüfkompetenz der Volksanwaltschaft auf ausgegliederte Rechtsträger ausgeweitet werden, so die Forderung.

Amnesty International begrüßte die Abschaffung des Amtsgeheimnisses, sah aber noch Verbesserungsbedarf. „Unsere Analyse des geplanten Gesetzespakets hat gezeigt, dass es eine noch klarere Orientierung an menschenrechtlichen Prinzipien braucht. Ein Beispiel dafür ist, wenn es um Informationen über Eingriffe in die Menschenrechte oder Korruption geht. Solche Informationen dürfen niemals zurückgehalten werden, da es hier ein öffentliches Interesse gibt. Wir fordern daher eine klarere Verankerung dieser Offenlegungsinteressen im Gesetz“, so Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich.