CDU-Chef Laschet und CSU-Vorsitzender Söder
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K-Frage ungelöst

Sorge in Union vor Spaltung wächst

Im Streit über die deutsche Kanzlerkandidatur von CDU und CSU werden Warnungen vor einer Spaltung in der Union lauter. Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Carsten Linnemann, warnte eindringlich vor einer Kampfabstimmung. CDU-Chef Armin Laschet und der CSU-Vorsitzende Markus Söder erzielten bisher keine Einigung in der Kanzlerfrage.

„Was wir jetzt brauchen, ist eine gemeinsame Lösung und keine Kampfabstimmung in der Fraktion“, so Linnemann (CDU). Es drohten Gräben aufgerissen zu werden, „die sich nur schwer wieder zuschütten lassen“, sagte Linnemann der Funke-Mediengruppe. Zuvor hatten bereits CDU-Mitglied Friedrich Merz und das CDU-Bundesvorstandsmitglied Mike Mohring vor einer dauerhaften Spaltung der Union gewarnt.

Beide Parteien hüllten sich unterdessen in Schweigen über mögliche Gespräche. Mittlerweile liegen etliche Vorschläge auf dem Tisch, den Chefs der beiden Schwesterparteien die Entscheidung aus der Hand zu nehmen. Laschet und Söder hatten eine Klärung der Kanzlerfrage bis zum Wochenende angekündigt. Wann und wie eine Einigung zustande kommen könnte, blieb aber zuletzt unklar. Medienberichten zufolge reiste Söder Sonntagabend per Flugzeug von Nürnberg nach Berlin.

Kampfabstimmung am Dienstag?

Im Deutschen Bundestag gibt es eine Initiative, die auf eine Kampfabstimmung in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am Dienstag hinauslaufen könnte. In CDU-Kreisen wird vermutet, dass Söder darauf spekulieren könnte. Dort hätte der bayerische Ministerpräsident wohl eine deutliche Mehrheit. Unter seinen Anhängern wird bereits eine Unterschriftenliste vorbereitet, mit der Abgeordnete eine Abstimmung erzwingen wollen, sollte es am Wochenende nicht zu einer Einigung kommen. Während die CSU quasi geschlossen fest zu Söder steht, ist die Lage in der großen Schwesterpartei deutlich heterogener.

Der rheinland-pfälzische Vizelandesvorsitzende Christian Baldauf schlug eine Kreisvorsitzenden-Konferenz vor. Der Vizechef des CDU-Arbeitnehmerflügels, Christian Bäumler, bringt eine Schlichtung ins Spiel und fordert eine Neuordnung der Beziehungen von CDU und CSU. Im „Handelsblatt“ schlägt er als mögliche Schlichter für die CDU Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und den hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier sowie für die CSU die ehemaligen Parteivorsitzenden Edmund Stoiber und Theo Waigel vor.

Grafik zu den Bewerbern für Kanzlerkandidatur der Union
Grafik: APA/ORF.at; Fotos: AFP

Junge Union stellt sich hinter Söder

Mit großer Mehrheit stellte sich die Junge Union (JU) am Sonntagabend hinter CSU-Chef Markus Söder und erhöhte damit den Druck auf Laschet. „Die beiden Kandidaten hatten genug Zeit, zu einer Entscheidung zu kommen. Dies ist nicht geschehen und jetzt sehen wir uns gezwungen, uns zu positionieren. Dies ist mit deutlicher Mehrheit für Markus Söder erfolgt“, sagte JU-Chef Tilman Kuban.

In der Videokonferenz der JU-Landeschefs hatten sich nach Angaben der JU 14 Landesvorsitzende für Söder ausgesprochen. Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein als mittelgroße Verbände sowie Brandenburg hätten von einem „gemischten Stimmungsbild“ berichtet. Die Junge Union Nordrhein-Westfalen, die mehr als ein Viertel aller JU-Mitglieder stellt, sprach sich für CDU-Chef Armin Laschet als Kanzlerkandidaten aus. Die JU hat 18 Landesverbände.

CDU stärkt Laschet den Rücken

Unterdessen stellten sich weitere Organisationen der CDU hinter Laschet: Nach der Frauen-Union und CDU-Präsidiumsmitglied Daniel Caspary sprach sich auch der Chef des Arbeitnehmerflügels, NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann, in der „Bild am Sonntag“ für den nordrhein-westfälischen Regierungschef aus. Auch Linnemann als Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung und Friedrich Merz als Vizepräsident des Wirtschaftsrates stärkten Laschet den Rücken.

Der Chef des Parlamentskreises Mittelstand (PKM), Christian von Stetten, kritisierte das CDU-Präsidium. Dieses reagiere beleidigt auf Wünsche der CDU-Mitglieder nach Mitsprache, schreibt der CDU-Bundestagsabgeordnete, der für Söder eintritt, auf Facebook. Dabei habe die Struktur- und Satzungskommission vorgeschlagen, dass CDU-Mitglieder bei wichtigen Personalentscheidungen wie einer Kanzlerkandidatur eine Informations- und Diskussionsmöglichkeit haben sollten.

Kramp-Karrenbauer rügt Söder

Die frühere CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer warf Söder zuvor mangelnden Respekt vor der großen Schwesterpartei und deren Gremien vor. Der Europapolitiker Dennis Radtke brachte sogar eine Ausdehnung der CDU nach Bayern ins Spiel, womit beide Parteien um dieselben Wählerstimmen konkurrieren würden.

Mit dieser Drohung hatte 1976 der damalige CDU-Vorsitzende Helmut Kohl einen Machtkampf mit CSU-Chef Franz Josef Strauß für sich entschieden. Auch im Streit der Schwesterparteien in der Flüchtlingskrise 2016 hatte es Überlegungen gegeben, die CDU nach Bayern auszudehnen. Seit Jahrzehnten gilt eigentlich, dass CDU und CSU nicht in Konkurrenz zueinander treten wollen. Die CSU nimmt daher nicht an Wahlen außerhalb Bayerns teil, die CDU ist nicht in Bayern aktiv.

Am vergangenen Sonntag hatten sich sowohl Laschet als auch Söder zur Übernahme der Kanzlerkandidatur bereiterklärt. Am Montag stellten sich die Spitzengremien von CDU und CSU jeweils hinter ihre Parteichefs. Am Dienstag traten beide in der Bundestagsfraktion auf, wo es Dutzende Wortmeldungen gab – nach Teilnehmerangaben mehr zugunsten Söders als für Laschet.

Union legt in Umfrage zu

Der Machtkampf zwischen Söder und Laschet bremst einer Umfrage zufolge nicht die Erholung der Unionsparteien in der Wählergunst. Im Sonntagstrend, den das Meinungsforschungsinstitut Kantar wöchentlich für die „Bild am Sonntag“ erhebt, legt die Union zwei Prozentpunkte auf 29 Prozent zu.

Die Werte der meisten übrigen Parteien bleiben unverändert: Die Grünen kommen auf 22 Prozent, die SPD auf 15 Prozent, die AfD auf elf Prozent und die FDP auf neun Prozent. Die Linke verliert einen Punkt auf acht Prozent. Kantar fragte zwischen dem 8. und dem 14. April 1.437 Menschen, welche Partei würden sie wählen würden, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahlen wären.