Eine junge Frau hält ein gezeichnetes Bild von George Floyd in die Höhe
Reuters/Leah Millis
Tod von George Floyd

Prozess gegen Chauvin geht in letzte Runde

Der Prozess gegen den weißen Ex-Polizisten Derek Chauvin geht in die Schlussphase. Chauvin wird vorgeworfen, den Afroamerikaner George Floyd bei einer brutalen Festnahme getötet zu haben. Am Montag werden die Schlussplädoyers am Gericht in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota gehalten. Die Erwartungen an das Verfahren sind groß. Noch in dieser Woche könnte es ein Urteil geben.

Die Anhörung von Zeugen war nach drei Wochen am Donnerstag zu Ende gegangen. In ihren Schlussplädoyers werden Staatsanwaltschaft und Verteidigung versuchen, die Geschworenen zu überzeugen. Die zwölf Mitglieder der Jury beraten im Anschluss – ohne Zeitvorgabe – über Schuld oder Unschuld von Chauvin. Bis zum Urteil könne es daher eine Stunde oder eine Woche dauern, sagte Richter Peter Cahill. Für einen Schuldspruch ist ein einstimmiges Urteil notwendig.

Die Geschworenen dürfen während der Beratungen nicht mehr nach Hause gehen, sondern sind in einem Hotel untergebracht. Sie bleiben aus Sicherheitsgründen bis auf Weiteres anonym. Ihre Auswahl hatte sich lange hingezogen. Verteidiger, Staatsanwälte und das Gericht hatten Dutzende Kandidaten und Kandidatinnen über zweieinhalb Wochen befragt, um möglichst faire und unvoreingenommene Jurymitglieder zu finden.

Chauvin plädiert auf nicht schuldig

Für die Verteidigung geht Floyds Tod nicht primär auf die Gewalteinwirkung zurück, sondern vor allem auf dessen vorbelastete Gesundheit und auf Rückstände von Drogen in seinem Blut. Das wurde von Experten der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen. Einem Lungenspezialisten zufolge starb Floyd an den Folgen von Sauerstoffmangel. Der niedrige Gehalt an Sauerstoff habe Hirnschäden verursacht und Floyds Herz zum Stillstand gebracht. Der Polizeichef von Minneapolis, Medaria Arradondo, bezeichnete Chauvins Gewaltanwendung als unverhältnismäßig und vorschriftswidrig.

Der 46-jährige Floyd war am 25. Mai in Minneapolis bei einer brutalen Festnahme ums Leben gekommen. Videos dokumentierten, wie Polizisten den unbewaffneten Mann zu Boden drückten. Chauvin presste dabei sein Knie rund neun Minuten lang auf Floyds Hals, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen. Der mit Handschellen gefesselte und auf dem Boden liegende 46-Jährige verlor der Autopsie zufolge das Bewusstsein und starb. Die Beamten hatten Floyd wegen des Verdachts festgenommen, mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben.

Chauvin wird Mord zweiten Grades ohne Vorsatz vorgeworfen. Darauf stehen in den USA bis zu 40 Jahre Haft. Vorgeworfen werden dem Ex-Polizisten auch Mord dritten Grades sowie Totschlag zweiten Grades. Das erste Delikt kann mit bis zu 25 Jahren Haft, das zweite mit bis zu zehn Jahren geahndet werden. Chauvin wurde bereits entlassen und ist auf Kaution frei. Er plädiert auf nicht schuldig. Sein Anwalt Eric Nelson argumentiert, Chauvins Vorgehen gegen Floyd sei zwar hart, aber gerechtfertigt und regelkonform gewesen.

Dutzende Menschen halten vor dem George Floyd Memorial in Minneapolis ihre Hände in die Höhe
APA/AFP/Kerem Yucel
Der Tod von George Floyd löste eine Protestwelle gegen Rassismus und Polizeigewalt aus

Zeichen gegen Polizeigewalt erhofft

Der Tod von Floyd hat trotz Pandemie wochenlange Proteste und Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt ausgelöst. Geändert hat sich bisher wenig. Seit Prozessbeginn am 29. März wurden jeden Tag im Schnitt drei weitere Menschen durch Polizisten im Einsatz getötet, berichtete die „New York Times“ („NYT“). Viele Menschen hoffen, dass das Urteil im Floyd-Prozess ein Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt setzt und gegen Straffreiheit der Sicherheitskräfte.

Es wird erwartet, dass es im Falle eines Freispruchs oder einer kurzen Haftstrafe für Chauvin erneut zu Protesten kommen wird. Bereits seit rund einer Woche finden im Großraum Minneapolis immer wieder Proteste statt. Auslöser dafür: ein tödlicher Schuss einer weißen Polizistin auf einen 20-jährigen Schwarzen, Daunte Wright, bei einer Verkehrskontrolle.