Die Ingenieurinnen und Ingenieure hatten dem Flug entgegengefiebert, die NASA selbst verglich ihn mit dem historischen Erstflug der Gebrüder Wright. Entsprechende Tests hatten zuvor nur in Vakuumkammern stattgefunden. Ob „Ingenuity“ (Einfallsreichtum) tatsächlich auf dem Mars abheben würde, war bis zuletzt eine offene Frage. Doch Flug und Landung liefen plangemäß.
„Ingenuity“ brachte am Montag seine 1,8 Kilogramm Gewicht auf eine Höhe von drei Metern und schwebte rund eine halbe Minute über dem Mars. Dabei trotzte der Hubschrauber extremen Bedingungen: Auf dem Mars ist es nachts bis zu minus 90 Grad Celsius kalt, zudem ist die Anziehungskraft des Planeten geringer und die Atmosphäre wesentlich dünner – sie beträgt nur rund ein Prozent im Vergleich zur Erde. Daher müssen die Rotorblätter auf Marsflügen um ein Vielfaches schneller kreisen als auf der Erde. Ein Windstoß hätte gereicht, und die Aktion wäre gescheitert oder „Ingenuity“ womöglich zerstört worden.
Jahrelange Arbeit
Die NASA übertrug den Moment, als die Daten zurück auf die Erde geschickt wurden, live. Das Team applaudierte, nachdem die Daten des Hubschraubers auf der Erde angekommen und ausgewertet worden waren – mehrere Stunden nachdem der Flug auf dem Mars stattgefunden hatte. „Unser Team arbeitet seit sechs Jahren an dem Helikopter, manche noch länger, um den ultimativen Traum zu verwirklichen, den ersten Flug auf dem Mars“ zu vollziehen, sagte MiMi Aung, die Projektmanagerin von „Ingenuity“.

Gebrüder Wright
Am 17. Dezember 1903 hoben die Brüder Wilbur und Orville Wright in North Carolina nacheinander mit einem Motorflugzeug ab. Zwölf Sekunden war die Maschine beim weltweit ersten motorisierten Flug in der Luft. Heute gelten sie als Erfinder des Motorflugs.
Vorarbeit für Venus und Titan
Die Orientierung des Geräts funktioniert nicht durch GPS-Daten, sondern allein durch Kameras und einer am California Institute of Technology (Caltech) entwickelten Software. Um kamerabasiert und autonom fliegen zu können, kann das System daher nur die auf dem Mars aufgenommenen Bilddaten heranziehen. Zudem will man die Topografie der Umgebung festhalten. Unter seinen Solarzellen gab die NASA dem Hubschrauber etwas Besonderes mit: An einem Kabel ist ein kleines Stück Stoff aus dem Flugzeug der Gebrüder Wright befestigt.
Die Drohne soll nun in den kommenden Wochen weitere Flüge absolvieren. Dazwischen muss „Ingenuity“ immer fünf, sechs Tage pausieren, um die Solarzellenbatterien aufzuladen. So soll der Hubschrauber den Weg für die Luftüberwachung des Mars und anderer Ziele wie der Venus und des Saturnmondes Titan ebnen.
Biolabor auf dem Mars
Der kleine Helikopter war im Bauch von „Perseverance“ (Durchhaltevermögen) Ende Februar nach 203 Flugtagen und 472 Millionen zurückgelegten Kilometern mit einem riskanten Manöver in einem ausgetrockneten Marssee gelandet. Diesen See namens „Jezero Crater“ mit einem Durchmesser von etwa 45 Kilometern soll „Perseverance“ in den kommenden zwei Jahren untersuchen. Entwicklung und Bau hatten rund 2,5 Milliarden Dollar (etwa 2,2 Mrd. Euro) gekostet und acht Jahre gedauert. Das Fahrzeug soll auf dem Mars nach Spuren früheren mikrobiellen Lebens fahnden sowie das Klima und die Geologie des Planeten erforschen.

Der Flug war bereits mehrfach wegen technischer Probleme verschoben worden. Auch am Montag hätte noch einiges schiefgehen können, hatte zuvor Stephan Weiss von der Universität Klagenfurt gesagt. Weiss war an der Entwicklung von „Ingenuity“ beteiligt. Schon ein Sandkorn, das einen mechanischen Ablauf stört, hätte den Flug torpedieren können. Auch ein Verlust von Daten durch Strahlungseinflüsse oder ungünstige Windverhältnisse in der dünnen Marsatmosphäre hätten das Experiment vorzeitig beendet. Die Liste an Dingen, die hätten schiefgehen können, sei „fast endlos“, so Weiss – mehr dazu in science.ORF.at.