Kanzleramt in Berlin
Reuters/Hannibal Hanschke
K-Frage

Grüne entschieden, Union ringt um Antwort

Die deutschen Grünen haben am Montag ihre Entscheidung bekanntgegeben, wer für die Kanzleramtskandidatur nominiert wird: Annalena Baerbock. Die SPD entschied sich schon vor Längerem für Olaf Scholz. Einzig die Union kann sich seit Tagen nicht entscheiden, wer antreten soll – CDU-Chef Armin Laschet oder CSU-Chef Markus Söder.

Baerbock sprach von einer „Schlammschlacht“ in der Union und forderte wie Scholz CDU und CSU auf, den Machtkampf zu beenden und einen der beiden Kandidaten ins Rennen zu schicken. Eigentlich war die von Laschet und Söder selbst ernannte Frist, sich zu einigen, bereits am Sonntag abgelaufen. Ein Treffen der beiden Sonntagabend ging aber ergebnislos zu Ende.

Laschet kündigte am Montag für den Abend eine Sondersitzung des CDU-Bundesvorstands an. Dazu habe er auch Söder eingeladen. Er wolle dabei einen Vorschlag unterbreiten, wie die Unionsparteien „sehr schnell in dieser Woche zu den erforderlichen Entscheidungen kommen“. Die CSU beriet unterdessen intern über das weitere Vorgehen. Bereits in der Früh gab es CDU-Beratungen in der hessischen Landesvertretung in Berlin. Söder kündigte am Nachmittag an, die Entscheidung der CDU zur Kanzlerkandidatur zu akzeptieren.

 Markus Söder steht neben Armin Laschet
APA/dpa/Michael Kappeler
Söder und Laschet streiten seit Tagen über die Kanzlerkandidatur

Laschet bekräftigt Anspruch auf Merkel-Nachfolge

Vor Beginn der Sitzung bekräftigte Laschet seinen Anspruch auf die Merkel-Nachfolge. „Es geht um die besten Antworten auf die drängenden Zukunftsfragen. Und ich bin bereit, für uns die Kandidatur zu übernehmen“, sagte Laschet laut deutschen Medien. Laschet habe betont, er wolle jeden ermutigen, in der Runde offen seine Meinung zu sagen, hieß es. Er wurde mit den Worten zitiert: „Nur wenn wir offen, ganz transparent sind, haben wir eine Chance, gestärkt in die nächsten Wochen und in den Wahlkampf zu gehen.“

Der Rückhalt für Laschet in der CDU bröckelt allerdings. Neben der Jungen Union hatten auch mehrere CDU-Landesverbände eine Präferenz für CSU-Chef Söder erkennen lassen.

Umfrage: Söder vor Laschet

Einer aktuellen Umfrage zufolge würden der Union unter Laschet bei der Bundestagswahl am 26. September Verluste drohen. Derzeit würden 27 Prozent der Befragten der Union ihre Stimme geben. Unter Laschet würden laut der RTL/ntv-Umfrage aber nur knapp zwei Drittel daran festhalten. Bei einer Direktwahl des Kanzlers würden sich 40 Prozent für Söder aussprechen und 19 Prozent für Laschet.

Runder läuft es für die Grünen. Das Duo Robert Habeck und Annalena Baerbock führen die Partei seit 2018 gemeinsam und brachten die Zustimmung über über 20 Prozent. Das bisher beste Ergebnis erzielten die Grünen 2009 (10,7 Prozent). Bei der letzten Wahl 2017 erreichten sie nur 8,9 Prozent. Nicht zuletzt wegen dieses Erfolgs entschieden sie sich auch, erstmals ins Kanzlerrennen mit einzusteigen. Wer das von den beiden machen sollte, machten sich Habeck und Baerbock untereinander aus. Am Montag wurde die Entscheidung wie geplant bekanntgegeben. Die Entscheidung muss noch an einem Parteitag Mitte Juni bestätigt werden, die Zustimmung gilt aber als sicher.

Schwarz (ORF) zur Kür Baerbocks

Deutschlands Grüne gehen mit Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin in die Bundestagswahl im September 2021. Laut Umfragen ist es nicht ausgeschlossen, dass im Herbst eine Dreierkoalition gegen die CDU/CSU gebildet werden könnte. In diesem Fall könnte Baerbock Bundeskanzlerin werden.

„Wir beide wollten es“

Baerbock gab zu, dass die Emanzipation eine Rolle bei der Entscheidung gespielt habe – wie „viele, viele andere Fragen“ auch. Mitte März hatte Habeck noch gemeint, dass das Geschlecht bei der Entscheidung keine Rolle spielen werde: „Weder Annalena noch ich argumentieren so.“ Die Entscheidung fiel laut Baerbock bereits vor Ostern.

Annalena Baerbock und Robert Habeck
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Robert Habeck überließ Annalena Baerbock den Vortritt bei der Kandidatur für das Kanzleramt

„Wir beide wollten es, aber am Ende kann es nur eine machen“, sagte Habeck am Montag. „Es wird nicht immer leicht sein“, sagte Baerbock bei der Verkündung der Entscheidung. Der Wahlkampf werde die Partei gehörig fordern. Die Partei werde sich aber untereinander helfen. Auch wolle das Spitzenduo den Wahlkampf gemeinsam anführen, so Baerbock: „Das hat uns drei Jahre stark gemacht.“ Die größte Kraft entstehe immer aus gemeinsamem Handeln.

Baerbock: „Ja, ich war noch nie Kanzlerin“

Deutschland brauche Veränderungen, sagte die 40-Jährige. Mit den Grünen werde es einen anderen Politikstil geben – miteinander und nicht gegeneinander. Sie sieht den Klimaschutz als „Aufgabe meiner Generation“. Die Politik der neuen Bundesregierung müsse Klimaschutz für alle Bereiche zum Maßstab machen, um das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen. Das insgesamt schwindende Vertrauen in die Demokratie bereite ihr große Sorge. Es brauche mehr Transparenz und Menschlichkeit.

Die 40-jährige Baerbock studierte Politikwissenschaft und Völkerrecht. Im Gegensatz zu ihrem Kollegen Habeck hat sie noch keine Regierungserfahrung. Das sprach sie auch bei ihrer Kandidaturankündigung am Montag an: „Ja, ich war noch nie Kanzlerin, auch noch nie Ministerin. Ich trete an für Erneuerung. Für den Status quo stehen andere.“

Baerbock gilt aber als inhaltlich stärker und verlässlicher als Habeck. Eine inhaltliche Richtungsentscheidung war die Wahl zwischen dem grünen Spitzenduo jedenfalls nicht. Beide zählen zum realpolitischen Flügel der Partei. Der Kurs der Partei wurde bereits mit einem neuen Grundsatzprogramm Mitte März abgesteckt.