Menschen vor einem Kusntwerk bestehend aus einem Spiegel mit der Aufschrift „Reflect“ vor dem Hennepin County Government Center.
Reuters/Eric Miller
Tod von George Floyd

Prozess in der Schlussphase

Im Prozess um den Tod des Afroamerikaners George Floyd hat die Anklage am Montag ihr Schlussplädoyer gehalten. Staatsanwalt Steve Schleicher sagte vor dem Gericht in Minneapolis, dass der weiße Ex-Polizist Derek Chauvin direkt für den Tod Floyds verantwortlich sei. Chauvins Verteidiger Eric Nelson betonte die Unschuld seines Mandanten.

Floyd habe Chauvin minutenlang gebeten, ihn atmen zu lassen. Chauvins exzessive und erbarmungslose Gewaltanwendung habe Floyd getötet, sagte Staatsanwalt Schleicher. Chauvin sei neun Minuten und 29 Sekunden erbarmungslos auf Floyd gekniet. „Der Angeklagte hat nicht geholfen“ und damit klar gegen die Regeln für Polizeieinsätze verstoßen, betonte Schleicher an die Geschworenen gerichtet.

Chauvin sei „weiter auf Floyd geblieben und drückte ihn mit seinem Knie zu Boden“, selbst als dieser schon leblos war, sagte Schleicher. Floyd habe keinen Puls mehr gehabt, aber Chauvin habe ihn weiter in den „unnachgiebigen“ Asphalt gepresst anstatt zu helfen.

Anwalt: Gewaltanwendung bei „dynamischem Einsatz“

Verteidiger Nelson erklärte, die Anklage habe die Schuld seines Mandanten nicht zweifelsfrei bewiesen. Falls nur ein einziger begründeter Zweifel bestehe, müsse das Urteil auf nicht schuldig lauten, sagte er an die Geschworenen gerichtet.

Angeklagter Derek Chauvin und Anwalt Eric Nelson.
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Anwalt Nelson, Angeklagter Chauvin: Der Advokat sieht die Schuld seines Mandanten als nicht zweifelsfrei bewiesen an

In seinem Plädoyer erklärte er, es könne kein Verbrechen vorliegen, weil es sich bei Chauvins Handeln um berechtigte Gewaltanwendung im Rahmen eines „dynamischen“ Polizeieinsatzes gehandelt habe. Nelson forderte die Geschworenen auf, nicht nur die Minuten zu berücksichtigen, während derer Chauvin auf Floyd kniete, sondern auch die rund 17 Minuten vorher, in denen sich Floyd einer Festnahme widersetzt habe.

Ankläger: Argumentation der Verteidigung „Unsinn“

Schleicher bezeichnete die Argumentation der Verteidigung, dass Floyd nicht infolge von Chauvins Gewaltanwendung gestorben sei, als „Unsinn“. Chauvins Anwalt hatte argumentiert, dass Floyds vorbelastete Gesundheit und Rückstände von Drogen in seinem Blut eine entscheidende Rolle bei seinem Tod gespielt hätten.

Staatsanwalt Steve Schleicher.
AP/Court TV
Staatsanwalt Schleicher: Der Polizist habe Floyd „den Sauerstoff abgeschnitten“

Schleicher betonte jedoch, Floyd sei nicht an einem Herzinfarkt oder einer Überdosis gestorben, sondern an einem Mangel an Sauerstoff, der Hirnschäden verursacht und Floyds Herz zum Stillstand gebracht habe. Chauvin habe Floyd mit seinem Knie „den Sauerstoff abgeschnitten, den Menschen zum Leben brauchen“. Daran gebe es keine Zweifel.

Jury am Zug

Nach den Plädoyers werden die Mitglieder der Jury beraten, um über Schuld oder Unschuld Chauvins zu befinden. Dabei gibt es keine zeitliche Vorgabe. Der schwerwiegendste Anklagepunkt gegen ihn lautet Mord zweiten Grades ohne Vorsatz. Darauf stehen im US-Bundesstaat Minnesota bis zu 40 Jahre Haft. Zudem wird Chauvin auch Mord dritten Grades vorgeworfen, was mit bis zu 25 Jahren Haft geahndet werden kann. Auch muss er sich wegen Totschlags zweiten Grades verantworten, worauf zehn Jahre Haft stehen. Chauvin hat auf nicht schuldig plädiert.

Der 46 Jahre alte Floyd war am 25. Mai vergangenen Jahres in Minneapolis bei einer Festnahme ums Leben gekommen. Videos dokumentierten, wie Polizisten den unbewaffneten Mann zu Boden drückten. Chauvin presste dabei sein Knie rund neun Minuten lang in Floyds Hals, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen.

Zeichen gegen Polizeigewalt erhofft

Der Tod von Floyd hat trotz Pandemie wochenlange Proteste und Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt ausgelöst. Geändert hat sich bisher wenig. Seit Prozessbeginn am 29. März wurden jeden Tag im Schnitt drei weitere Menschen durch Polizisten im Einsatz getötet, berichtete die „New York Times“ („NYT“). Viele Menschen hoffen, dass das Urteil im Floyd-Prozess ein Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt setzt und gegen Straffreiheit der Sicherheitskräfte.

Dutzende Menschen halten vor dem George Floyd Memorial in Minneapolis ihre Hände in die Höhe
APA/AFP/Kerem Yucel
Der Tod Floyds löste eine Protestwelle gegen Rassismus und Polizeigewalt aus

Es wird erwartet, dass es im Falle eines Freispruchs oder einer kurzen Haftstrafe für Chauvin erneut zu Protesten kommen wird. Bereits seit rund einer Woche finden im Großraum Minneapolis immer wieder Proteste statt. Auslöser dafür: ein tödlicher Schuss einer weißen Polizistin auf einen 20-jährigen Schwarzen, Daunte Wright, bei einer Verkehrskontrolle.