AMS-Chef Johannes Kopf
ORF
Arbeitslosigkeit

Vorkrisenniveau „Anfang 2023“ erreichbar

Die ÖVP-Grünen-Regierung hat am Montag ihre zweitägige Klausur mit Blick auf einen „Comebackplan“ gestartet. Bis Dienstag sollen Schritte zur Bekämpfung der ökonomischen Folgen der Coronavirus-Pandemie besprochen werden. Was die Arbeitslosenzahlen betrifft, erwartet Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmarktservice (AMS), eine Rückkehr zum Vorkrisenniveau bis Beginn des übernächsten Jahres.

„Das wird realistisch schon dauern“, sagte Kopf am Montagabend in der ZIB2. „Ich halte es für durchaus denkbar, dass wir dieses Ziel Anfang 2023 erreichen können.“ Um das zu schaffen, müsste sich die Lage im Tourismus und der Gastronomie bessern und es im nächsten Jahr ein „nachhaltiges Wachstum“ geben.

Die türkis-grüne Regierung will bis in einem Jahr 500.000 Menschen wieder in Beschäftigung bringen, die jetzt in Kurzarbeit oder arbeitslos sind. „Ich halte das Ziel für erreichbar“, so Kopf. Das sei aber „nicht ganz einfach“. Unter anderem sei die Reduktion der Langzeitarbeitslosigkeit „eine große Herausforderung“.

AMS-Vorstand Kopf zur Arbeitsmarktlage

AMS-Vorstand Johannes Kopf über die Situation auf dem Arbeitsmarkt und den „Comebackplan“ der Regierung.

Kurzarbeit mit „unangenehmen Nebenwirkungen“

Ende März waren 486.000 Personen zur Kurzarbeit angemeldet und knapp 458.000 Personen arbeitslos oder in AMS-Schulung. Kopf kann sich bei der Reform der CoV-Kurzarbeit über Ende Juni hinaus vorstellen, den Unternehmen für die Kurzarbeit weniger zu ersetzen. „Kurzarbeit hat, wenn sie lange dauert, unangenehme Nebenwirkungen, weil sie Strukturveränderungen verhindert“, sagte der AMS-Chef.

Die heimischen Gastronomie- und Hotelleriebetriebe bereiten sich derzeit auf ein mögliches Ende des Lockdowns im Mai vor und berichten teilweise über eine schwierige Mitarbeitersuche. Viele hätten die Branche verlassen, deswegen gebe es zu wenige Arbeitskräfte, heißt es von Branchenvertretern. „Ich glaube, die Sorge ist verständlich, aber nicht berechtigt“, so der AMS-Vorstand.

Kurz kündigt Öffnungsschritte an

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat für Mitte Mai österreichweite Öffnungsschritte und gleichzeitig für alle Bereiche angekündigt, wie er im Ö1-Morgenjournal am Dienstag sagte. Dann werde wohl auch in den meisten Branchen die Kurzarbeitsregelung auslaufen, so der Bundeskanzler. Es werde keine verpflichtenden Zutrittstests im Handel, wohl aber fürs Personal zum Beispiel in der Gastronomie geben. Den 17. Mai als Öffnungsdatum bestätigte der Kanzler nicht. Konkretes soll die Öffnungskommission Ende der Woche bekanntgeben. Im Juni und Juli sollten dann weitere Schritte kommen, wo man dann die Sicherheitsmaßnahmen weiter herunterfahren könne.

Die Zusammenarbeit in der Regierung und auch mit den Sozialpartnern habe gut funktioniert, so der Kanzler. Zu den Chatprotokollen im Zusammenhang mit der Besetzung von ÖBAG-Chef Thomas Schmid sagte Kurz, dass er rückblickend sehr wohl manches anders machen würde.

Regierung will „Blick nach vorne richten“

Die Regierung startete am Montag in ihre zweitägige Klausur. Man wolle „den Blick nach vorne richten“, sagte Kurz zu Beginn. Zwar würden Arbeitsplätze von Unternehmen geschaffen, so Kurz, aber die Politik müsste die richtigen Rahmenbedingungen bereitstellen. Ein erster Schritt sei die Erhöhung der Investitionsprämie von drei auf fünf Milliarden Euro. Das sei ein großer „Investitionsschub“, sagte er. Dadurch verspreche man, dass der Zuschuss 55 Milliarden Euro an Investitionen auslösen werde, indem diese vorgezogen werden.

Regierung will Investitionen fördern

Bei der Regierungsklausur geht es derzeit um die Wiederbelebung der heimischen Wirtschaft und des Arbeitsmarkts.

„Jetzt geht es darum, dass wir wieder nach vorne schauen“, betonte auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). „Wir wollen uns aus der Krise rausinvestieren.“ Das gelinge mit Ökologisierung und Digitalisierung. Die Prämie von sieben Prozent – oder 14 Prozent, wenn die Investition im Zusammenhang mit Digitalisierung, Ökologisierung, Gesundheit und Life Science steht – soll helfen, dass Unternehmen ihre Investitionen trotz der Coronavirus-Krise tätigen.

Investitionen sollen Standort stärken

Die zweite Klausur seit Beginn der Pandemie – und die dritte der ÖVP-Grünen-Regierung – widmet sich dem ausgerufenen „Comebackplan“ zur wirtschaftlichen Bewältigung der Coronavirus-Krise. Als Ziel wurde formuliert, binnen eines Jahres eine halbe Million Menschen wieder in reguläre Beschäftigung zu bringen. Mit Ende März waren genau 457.817 Menschen arbeitslos oder in Schulung. Die Zahl ist im Vergleich zum ersten Lockdown im März 2020 deutlich gesunken. Allerdings waren ein Jahr zuvor, also vor der Krise, nur 369.000 Menschen arbeitslos oder in Schulung.

Die Investitionsprämie soll sich laut Regierung auch langfristig auf den Arbeitsmarkt auswirken. Man müsse den immensen wirtschaftlichen Herausforderungen begegnen, sagte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP). Mit der Prämie wolle man die internationale Wettbewerbsfähigkeit stärken. Bisher habe die Hälfte der Anträge auf die Investitionsprämie einen digitalen oder ökologischen Fokus, sagte sie. Die Wirtschaftsministerin erhofft sich auf Basis von Berechnungen, dass durch die Investitionen bis zu 800.000 Jobs geschaffen werden.

Auch Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne), die die Agenden zum Klimaschutz verantwortet, betonte, dass klimaschädliche Investitionen – wie etwa in fossile Bereiche – explizit von der Prämie ausgeschlossen seien. Klimaschutz sei hingegen „absoluter Jobmotor“. Viele Menschen seien derzeit durch die Pandemie noch verunsichert. Auftrag der Regierung sei es nun, eine Perspektive zu liefern.

Gelder aus EU-Wiederaufbaufonds

Das Geld für das „Comeback“, was freilich auch die Öffnungen nach den Lockdowns betrifft, soll zum Teil aus staatlichen Geldern und aus dem EU-Wiederaufbaufonds (Recovery and Resilience Facility; RRF) kommen. Die Bundesregierung rechnet damit, dass man aus Brüssel zwischen 3,5 und 4,5 Milliarden Euro für bereits definierte Projekte erhalten wird. Laut aktuellen Planungen werden 46 Prozent davon in Klimaschutzmaßnahmen fließen, hieß es aus der Regierung am Samstag.

Der überwiegende Teil der Mittel aus dem EU-Wiederaufbaufonds werde in neue, noch nicht budgetierte Maßnahmen fließen, ein Teil seien aber auch bereits geplante. Zuletzt hatte es gerade an letzteren Kritik gegeben. Der Gesamtplan für den österreichischen Teil am RRF wurde dieser Tage an die Kommission übermittelt. In weiterer Folge soll nun der Plan vonseiten der Kommission genehmigt werden. Dabei kann es noch zu geringfügigen Anpassungen kommen. Bereits im Jahr 2021 sollen die ersten Mittel zur Auszahlung gelangen und für den Klimaschutz in Österreich eingesetzt werden.

Pressekonferenz zu Beginn der Regierungsklausur

Am Dienstag soll das Ergebnis der Klausur präsentiert werden – in den Gesprächen wird wohl auch der weitere Öffnungsplan debattiert werden. Zuletzt hatte Kurz Lockerungen mit Mai angekündigt. Er zeigte sich auch am Montag optimistisch, was die Bewältigung der Pandemie betrifft, nicht zuletzt aufgrund des Impfprogramms. Allerdings betonte er auch, dass man noch „einige harte Monate der Pandemiebekämpfung“ vor sich habe. Zudem freue er sich auch auf die Zusammenarbeit mit dem neuen Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne), mit dem es bereits gute Gespräche gegeben habe.

Ankündigungen für Opposition wenig überzeugend

Wenig überzeugt von den Ankündigungen war die Opposition: Die Regierung verkaufe „Altes als neu“, merkte SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter an: „Das, was Kurz und Co. uns heute als neuen Weg aus der Krise weismachen wollen, ist nichts anderes als die längst überfällige budgetäre Bedeckung für die bereits vergangenes Jahr beschlossene Investitionsprämie.“

Nach 14 Monaten Lockdown hätten sich Unternehmen „eine echte Öffnungsperspektive verdient, nicht nur eine erhöhte Investitionsprämie“, kritisierte der stellvertretende NEOS-Klubobmann Niki Scherak. Er forderte „echte Reformen“ – der Gewerbeordnung, niedrigere Lohnnebenkosten, Bürokratieabbau samt einem „konkreten Plan, wie es in den kommenden Monaten und Jahren weitergehen soll“.

Erfreut waren hingegen Wirtschaftskammer und Industrie. WKÖ-Präsident Harald Mahrer sieht die Erhöhung auf fünf Mrd. Euro als „Turbo für Wirtschaft, Wachstum und Beschäftigung“. Die Regierung setze „eine wichtige Maßnahme zur richtigen Zeit“, befand Wien Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung (IV).