Baby schlafend
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Coronavirus

Pandemie führte zu Geburtenknick

Die Coronavirus-Pandemie hat vorerst zu einem teils deutlichen Geburtenknick in vielen Staaten geführt. Das zeigt eine Studie des Demografen Tomas Sobotka von der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) die am Mittwochnachmittag vorgestellt wird. In keinem einzigen der untersuchten Länder in der ganzen Welt stiegen die Geburtenzahlen neun Monate nach Ausbruch der Pandemie bis Jahresbeginn 2021 – zum Teil gab es deutliche Einbrüche.

Sobotka und sein Team bauen derzeit eine Datenbank zu Fertilitätstrends in mehr als 30 Ländern auf. Für die Studie mit Beteiligung des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock und des Wiener Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital konnten sie für zehn Länder Geburtendaten bis Dezember 2020, für weitere zehn bis Jänner 2021 und für zwei bis Februar 2021 auswerten – darunter 15 EU-Staaten (inklusive Österreich) sowie die Schweiz, die USA, Russland, Südkorea, Taiwan, Norwegen und die Ukraine.

Im Detail verliefen die Entwicklungen unterschiedlich – teils wurden bereits bestehende Tendenzen rückläufiger Geburten verstärkt, teils kam es zu abrupten Einbrüchen. Am stärksten war der Geburtenrückgang dabei in jenen Staaten, die in der ersten Welle der Pandemie zunächst hohe Infektionszahlen und Todesfälle zu beklagen hatten, etwa Spanien und Italien. In Spanien betrug der Geburtenrückgang sowohl im Dezember 2020 als auch im Jänner 2021 20 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr davor, Italien kam im November 2020 (letzte verfügbare Zahl) auf minus acht Prozent. In beiden Staaten waren bereits vor der Pandemie Geburtenrückgänge zu verzeichnen, allerdings bei Weitem nicht in diesem Ausmaß.

Grafik zeigt Daten zum Geburtenknick durch Covid-19
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: ÖAW

Österreich im Durchschnitt

Auffällig auch die Situation in Ungarn: Dort wuchsen die Geburtenzahlen bis etwa neun Monate nach Beginn der Pandemie, im November 2020 stagnierten sie dann, um im Dezember (minus acht Prozent) und Jänner (minus zehn Prozent) abzustürzen. In Österreich entsprach die Entwicklung ziemlich genau dem durchschnittlichen Trend aller analysierten Staaten.

Vor Beginn der Auswirkungen der Pandemie gab es leicht rückläufige Geburten, ab November 2020 dann einen stärkeren Abfall (zunächst minus vier, dann minus 5,5, Prozent). Ein ähnliches Bild wie in Österreich ergibt sich in den Vereinigten Staaten, in Belgien und Frankreich – auch dort hat sich der Abwärtstrend in den Geburtenzahlen beschleunigt.

Stabilität als Auffälligkeit

Extrem instabil ist die Lage in den osteuropäischen Ländern abseits von Ungarn. Dort schwankten die Geburtenzahlen vor der Pandemie stark, die jüngsten Zahlen zeigen aber noch einmal zum Teil deutliche Rückgänge. Volatil auch die Entwicklung in Taiwan: Dort gab es ebenfalls starke Schwankungen – die Pandemie führte im November und Dezember 2020 zunächst zu keinen Geburteneinbrüchen. Diese folgten dann aber im Jänner und Februar 2021 (minus 23 bzw. minus 15 Prozent). Auffällig: Geburtentechnisch keinen Einfluss hatte die Pandemie auf Dänemark, Finnland und Norwegen. Dort blieben die Geburten stabil.

Mehrere Faktoren

Sobotka, Leiter der Forschungsgruppe „Fertilität und Familie“ am Institut für Demografie der ÖAW, führt den Geburtenknick auf mehrere Faktoren zurück. Einerseits habe er ökonomische Gründe, die in manchen Staaten aufgrund sozialer Sicherungssysteme besser und in anderen weniger stark abgefedert würden, so der Wissenschaftler in einem auf der ÖAW-Website veröffentlichten Interview. Andererseits gebe es auch gesundheitliche Motive – etwa wenn Frauen Angst davor hätten, während einer Infektion schwanger zu werden oder sich im Krankenhaus anzustecken.

„Lockdowns machen es zudem für einige jüngere Paare schwieriger, sich zu treffen und intime Beziehungen zu führen“, so Sobotka. Außerdem könnte es sein, dass sich Paare mit Kindern bezüglich weiteren Nachwuches von eingeschränkten Kinderbetreuungsmöglichkeiten durch Großeltern abschrecken ließen. Und schließlich hätten im Lockdown auch die Kliniken für künstliche Befruchtung geschlossen gehabt. Auch künftig könnte die Pandemie noch Nachwirkungen auf die Geburtenzahlen haben, vermutet Sobotka. In manchen Staaten würden Frauen schon jetzt ihre Kinder erst spät bekommen. Für diese könnte ein Nachholen des Kinderwunsches nach der Pandemie zu spät kommen.