Ausstellung „Life“ des dänisch-isländischen Künstlers Olafur Eliasson
2021 Olafur Eliasson; Foto: Mark Niedermann
Giftgrün

Olafur Eliasson flutet ein Museum

Mit seinem Projekt „Green River“ hat er ohne Vorankündigung Flüsse eingefärbt, für die Expo 2000 er einen 15 Meter langen „Dufttunnel“ geschaffen: Der dänisch-isländische Künstler Olafur Eliasson experimentiert in seinen Arbeiten mit dem menschlichen Verhältnis zur Natur. In der Fondation Beyeler bei Basel flutet er für seine Installation „Life“ gerade acht Räume mit giftgrünem Wasser und zeigt, wie alle Lebewesen „verwoben“ sind.

Steht man im Moment vor der Fondation Beyeler, liegt der Gedanke an eine atomare Katastrophe nicht fern. Die große Glasfassade, mit der Stararchitekt Renzo Piano den Übergang zwischen dem davor liegenden Park und dem Inneren harmonisch konzipiert hat, fehlt. Dafür schwappt der giftgrün gefärbte Teich jetzt in die Ausstellungsräume.

Was nach postapokalyptischem Szenario aussieht, ist das durchdachte Werk Eliassons. Für seine Installation „Life“ hat der Künstler acht Räume unter Wasser gesetzt, die giftgrüne Farbe kommt von dem pflanzlichen Farbstoff Uranin, der bei Nacht fluoresziert.

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Ausstellung „Life“ des dänisch-isländischen Künstlers Olafur Eliasson
2021 Olafur Eliasson; Foto: Mark Niedermann
In „Life“ löst Eliasson den Unterschied zwischen Innenraum und Landschaft auf – dazwischen fließt giftgrünes Wasser
Ausstellung „Life“ des dänisch-isländischen Künstlers Olafur Eliasson
2021 Olafur Eliasson; Foto: Mark Niedermann
Der Farbstoff Uranin fluoresziert in der Nacht und eröffnet den Besucherinnen und Besuchern spektakuläre Lichteffekte
Ausstellung „Life“ des dänisch-isländischen Künstlers Olafur Eliasson
Beide: 2021 Olafur Eliasson; Foto: Pati Grabowicz
Wo sonst Cezannes, Picassos und Monets Bilder an der Wand hängen, wachsen jetzt echte Seerosen und Muschelblumen
Ausstellung „Life“ des dänisch-isländischen Künstlers Olafur Eliasson
2021 Olafur Eliasson; Foto: Pati Grabowicz
Eliasson meint, er habe die Kontrolle über sein Kunstwerk an das Wachstum der Pflanzen abgegeben
Ausstellung „Life“ des dänisch-isländischen Künstlers Olafur Eliasson
2021 Olafur Eliasson; Foto: Mark Niedermann
Die Besucherinnen und Besucher sollen ihre Perspektive auf die Natur um sie herum erweitern – und mit ihr „konspirieren“
Ausstellung „Life“ des dänisch-isländischen Künstlers Olafur Eliasson
2021 Olafur Eliasson; Foto: Mark Niedermann
Die Installation ist bis 17. Juli geöffnet und wächst bis dahin weiter
Ausstellung „Life“ des dänisch-isländischen Künstlers Olafur Eliasson
2021 Olafur Eliasson; Foto: Pati Grabowicz
Eliasson geht es um eine breit angelegte „biozentrische Perspektive“, die nicht nur Menschen, sondern alles Lebendige einschließt

Gewächse statt Picasso und Cezanne

Über Holzstege gelangen die Besucherinnen und Besucher ins Innere. Dort, wo normalerweise das berühmte Seerosen-Triptychon von Claude Monet hängt, sprießen jetzt wirkliche Wasserpflanzen. Die Picassos, die Cezannes, die Mondrians haben Seerosen, Muschelblumen und anderen Gewächsen Platz gemacht.

Je nach Wetter und Lichtverhältnissen bietet die Ausstellung andere Einblicke. Im Laufe der Monate verändert sich das Bild durch das Wachstum der Pflanzen. Besucher sollen die Installation auch über Geruch und Geräusche wahrnehmen. Das Museum spricht von einer „Erkundung unserer Vorstellungen von Natur und Kultur“.

Ausstellungshinweis

Olafur Eliasson: „Life“, Fondation Beyeler, Riehen/Basel. Die Ausstellung ist rund um die Uhr an Ort und Stelle und im Livestream zugänglich und geht bis 17. Juli.

Verwoben sein und „konspirieren“

Eliasson erklärt in einem Statement zu „Life“: „Ich habe im Laufe der Jahre mehr und mehr Interesse dafür entwickelt, das Leben nicht aus einer menschenzentrierten, sondern aus einer breit angelegten, biozentrischen Perspektive zu betrachten.“ Diese erweiterte Perspektive äußert sich für ihn in seiner Installation.

Er wolle das ganze Leben zum Teil seines Werks werden lassen, nicht nur die menschlichen Besucherinnen und Besucher, sondern auch Mikroorganismen, Pflanzen und dergleichen mehr. Dazu gehöre, dass er die Kontrolle über sein Werk gewissermaßen abgegeben habe.

Ausstellung „Life“ des dänisch-isländischen Künstlers Olafur Eliasson
2021 Olafur Eliasson; Foto: Mark Niedermann

Angelehnt an Konzepte der Anthropologin Natasha Myers und des Anthropologen Timothy Choy meint der Künstler, dass es im Verhältnis aller Lebewesen um „Kon-spiration“ gehe. Darin verbindet sich die Etymologie des lateinischen Verbs „conspirare“ (zusammenwirken, harmonieren, sich verschwören) mit seiner Stammform „spirare“ (atmen, leben). „Wir ‚konspirieren‘ mit einem Baum, mit Mitmenschen und mit unserem Planeten.“

„Empfindungsinstallation“ auch online

Die Besucherinnen und Besucher sollen Raum für ihre eigenen Empfindungen haben und eigene Geschichten spinnen können. Die Wahrnehmung des Geruchs ist ein wichtiger Teil der Installation. Die Ausstellung lässt sich aber auch rund um die Uhr mit verschiedenen Kameraperspektiven im Livestream mitverfolgen, auch Infrarotkameras sind darunter, die das nächtliche Fluoreszieren der wachsenden Pflanzenskulptur zeigen.

Eliassons Einnahme des Museumskomplexes ist das Ergebnis einer längeren Beziehung der Fondation mit dem Künstler, wie Museumsdirektor Sam Keller der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte. Erstmals war er 2002 noch als wenig bekannter junger Künstler in der Ausstellung „Monet – bis zum digitalen Impressionismus“ präsent.

„Im Laufe der Jahre kamen wir überein, mal etwas richtig Großes zu machen“, so Keller – was hiermit nun geschehen ist. Für Keller ist „Life“ „ein kollektives Experiment. Es stellt Konventionen von Kunst, Natur, Institution und Leben infrage und versucht ihre Grenzen zerfließen zu lassen.“