Satellitenkarte mit chinesischen Fischerbooten in den Gewässern um Südamerika
Reuters/Rodrigo Garrido
Weltmeere

China schickt Fischereiflotte vor

China verfolgt mit seiner Fischereiflotte, der mit Abstand größten der Welt, ambitionierte Pläne rund um den Globus – oft fernab der Grenze des Erlaubten. Die Ziele reichen vom Südchinesischen Meer über den Indischen Ozean bis in den Atlantik und den Pazifik. Nicht nur, dass die Volksrepublik am Leerfischen der Meere im großen Stil beteiligt ist, andere Regierungen beobachten auch militärisches Bestreben.

Betroffene Staaten berichten von verbotener Ausrüstung und dem Eindringen in ihre Hoheitsgebiete. Regierungen, Fischerinnen und Fischer sowie Umweltschutzorganisationen beschuldigen die Volksrepublik außerdem des illegalen Fischfangs. China habe so lokale Wirtschaften in Mitleidenschaft gezogen und bedrohe ganze Ökosysteme, etwa in Ecuador, klagt die dortige Regierung. Im August letzten Jahres fischten 300 chinesische Trawler in der Nähe der geschützten Galapagos-Inseln, die zu Ecuador gehören.

Problematisch wird die Lage für andere Regierungen zunehmend dann, wenn die Besatzung der Schiffe auf Südseeinseln Siedlungen errichtet, die oftmals zu Territorialstreitigkeiten führen – so etwa auf den offiziell unbesetzten Atollen im Südchinesischen Meer. Neben Einrichtungen, die der Fischerei dienen, rüstete China dort auch militärisch auf, unter anderem mit Flugpisten, Hangars und Marinestützpunkten. Das zeigen Satellitenaufnahmen.

Fische im Galapagos Marine Reserve
Reuters/Jorge Silva
Die Artenvielfalt auf den Galapagos-Inseln ist stark bedroht

Immer wieder kommt es zu militärischen Auseinandersetzungen, etwa mit Vietnam, den Philippinen, Malaysia und Indonesien. Indonesien ist sogar dazu übergegangen, chinesische Trawler erst zu beschlagnahmen und anschließend zu sprengen, in der Hoffnung, dass das andere chinesische Boote von der Wilderei in indonesischen Gewässern abhalte. Ecuador und Peru versetzten ihre Marine im vergangenen Jahr in Alarmbereitschaft, um Hunderte chinesische Trawler zu verfolgen, die sich in der Nähe südamerikanischer Fischgründe aufgehalten hatten.

„WSJ“: Ghanaer müssen Chinesen Fisch abkaufen

Im westafrikanischen Ghana und im benachbarten Sierra Leone berichteten Fischerinnen und Fischer dem „Wall Street Journal“ („WSJ“), dass Dutzende chinesischer Trawler täglich in ihre Hoheitsgewässer eindringen würden. Sie hätten es besonders auf Fische in flachen Gewässern abgesehen, die die lokale Bevölkerung ernähren würden. „Weil die Trawler unsere Fischbestände sehr schnell dezimiert haben, sind wir alle verschuldet“, sagte Kojo Panyin, ein 53-jähriger Fischer, dem „WSJ“.

Fischerboot im Golf von Guinea
APA/AFP/Natalija Gormalova
Die Küstenbewohnerinnen und -bewohner Ghanas sind auf die Fischerei als Lebensgrundlage angewiesen

Chinesische Trawler würden die unzureichend überwachten Regeln zunehmend ignorieren, so lokale Fischerinnen und Fischer sowie Naturschutzorganisationen gegenüber der Zeitung. Ein moderner chinesischer Industrietrawler könne 700 Tonnen pro Tag fischen, eine Menge, für die ein ghanaisches Fischerboot sechs Monate brauche, schrieb das „WSJ“. Die Einwohnerinnen und Einwohner von Axim, einem Fischerdorf in Ghana, müssten nun in eine andere Stadt 80 Meilen östlich fahren, um den Chinesen den Fang abzukaufen. Als Reaktion versucht Ghana immer wieder, chinesische Trawler in Gewahrsam zu nehmen, ist der Volksrepublik aber weit unterlegen.

Organisationen beobachten Steigerung

Laut Spyglass, einer im kanadischen Vancouver ansässigen Datenbank für Fischereiverbrechen, waren Schiffe unter chinesischer Flagge bzw. in chinesischem Besitz von 2010 bis 2019 für 21 Prozent der weltweiten Fischereiverstöße verantwortlich. 16 Prozent waren es noch im Jahrzehnt davor. Die Genfer Global Initiative, eine Überwachungsorganisation für transnationale Kriminalität, setzte China auf Platz eins im Ranking der illegalen Fischerei. Chinas Außenministerium behauptet, es verlange von seinen Fischern im Ausland, dass sie sich an lokale Gesetze halten.

Grafik zur weltweiten Fischerei
Grafik: ORF.at; Quelle: Stimson Report

Jedes Jahr bringt Chinas Flotte Millionen Tonnen an Fisch und Meeresfrüchten ein, um die boomende Mittelschicht des Landes mit 1,4 Milliarden Einwohnerinnen und Einwohnern zu ernähren. Deshalb ist die Fernfischerei auch im nationalen Entwicklungsplan des chinesischen Präsidenten Xi Jinping verankert. „Die (Fischerei-)Industrie ist wichtig für die nationale Ernährungssicherheit“, heißt es in dem Plan. Und weiter: „Sie ist von großer Bedeutung für die Wahrung der nationalen maritimen Rechte und Interessen.“ Xis Plan sieht außerdem die weltweite Entwicklung von 29 chinesischen Fernfischereistützpunkten vor.

Mit 13 Fischerbooten begonnen

So wie in nahezu allen Industriezweigen ist China auch bei der Fischerei in extrem kurzer Zeit zur Supermacht aufgestiegen. Chinas erste Hochseeflotte, die im März 1985 auslief, bestand aus bloß 13 Fischerbooten, die man – inklusive Matrosen – von Frachtunternehmen ausgeliehen hatte. In ihrem ersten vollen Betriebsjahr erntete die Flotte nach offiziellen Angaben rund 20.000 Tonnen Fisch und Meeresfrüchte. Zunächst verkaufte das Land fast den gesamten Fang aus dem Meer ins Ausland.

Chinesisches Fischerboot wird von der ecuadorianischen Küstenwache abgedrängt
Reuters/Santiago Arcos
Die chinesische Flotte dringt häufig unerlaubt in fremde Hoheitsgewässer vor

Heute umfasst die chinesische Flotte wohl Tausende Schiffe, Boote und hochtechnologisches Equipment. Zwar gab Chinas Außenministerium zuletzt 2019 an, seine Flotte bestehe aus 2.701 Schiffen auf See, doch sagen offizielle Daten etwas anderes. Eine Analyse des in London ansässigen Overseas Development Institute (ODI) zeigt, dass die Zahl der chinesischen Schiffe, die außerhalb der eigenen Hoheitsgewässer daran beteiligt sind, derzeit bis zu 17.000 beträgt. Zum Vergleich: Taiwans und Südkoreas Flotte umfasst laut den Daten zusammen etwa 2.500.

Unternehmen eng mit Staat verflochten

Daten der Volksrepublik zufolge fischt China seit 2015 rund zwei Millionen Tonnen pro Jahr. Das könnte laut „WSJ“-Analysen eine Untertreibung sein. China ist heute der weltweit größte Verbraucher von Fisch und Meeresfrüchten und war gleichzeitig 2019 der drittgrößte Importeur nach Europa und den USA. Die Importe von Fisch nach China beliefen sich 2019 auf 15 Milliarden US-Dollar (rund zwölf Mrd. Euro), doppelt so viel wie vier Jahre zuvor.

Obwohl drei Viertel der Fischereiflotte heute in Privatbesitz ist, ist der chinesische Staat nach wie vor stark in der Branche vertreten. Die größte Fernfischereifirma des Landes, die China National Fisheries Corp., und ihre Tochtergesellschaften sind nach wie vor in staatlichem Besitz und gehören zu einem direkt von der Zentralregierung geführten Agrarkonglomerat. Chinas Fischereiunternehmen sind wie alle namhaften Firmen des Landes auf staatliche Subventionen angewiesen.