Die Russische Botschaft in Prag
APA/AFP/Michael Cizek
Diplomatenabzug

Streit zwischen Prag und Moskau eskaliert

Der Streit zwischen Prag und Moskau spitzt sich zu: Nach dem Verstreichen eines Ultimatums an Russland hat Tschechien am Donnerstag die Ausweisung von Dutzenden russischen Diplomaten aus Prag angekündigt. Dutzende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen innerhalb einer Frist Prag verlassen.

Russland habe bis Ende Mai Zeit, die Belegschaft seiner Botschaft in Prag auf das Niveau der tschechischen Botschaft in Moskau zu reduzieren, sagte der neue tschechische Außenminister Jakub Kulhanek auf einer Pressekonferenz mit Premier Andrej Babis. Tschechiens diplomatische Vertretung in Moskau verfügt über 24 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die russische Vertretung in Prag hat 94 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Kulhanek sagte weiter, die angekündigte Entscheidung Tschechiens stehe im Einklang mit der entsprechenden Wiener Konvention (Artikel 11). Es handle sich also um einem „standardmäßigen Vorgang“. Kulhanek begründete das Vorgehen mit den Worten, dass Russland „unangemessen“ auf die Ausweisung von 18 Mitarbeitern der russischen Botschaft in Prag im Zusammenhang mit den Explosionen im Munitionslager im südmährischen Vrbetice 2014 reagiert habe.

Der tschechische Außenminister Jakub Kulhanek.
AP/Petr David Josek
Der neue tschechische Außenminister Kulhanek ist seit seinem Amtsantritt in einen handfesten Streit mit Russland verwickelt

„Haben keine Freude damit“

Tschechien schreibt die Explosionen mit zwei Toten dem russischen Geheimdienst GRU zu, was jedoch Russland strikt bestreitet. Babis sagte auf der Pressekonferenz, Tschechien sei ein souveräner und selbstbewusster Staat. „Wir haben keine Freude damit, auch wollen wir keine Eskalation. Wir haben aber gehofft, dass Russland die Unangemessenheit seiner Reaktion anerkennt“, so der Premier in Anspielung auf das tschechische Ultimatum vom Mittwoch.

Mit diesem Ultimatum hatte Tschechien die Rückkehr von 20 ausgewiesenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der tschechischen Botschaft in Moskau gefordert. Dieses Ultimatum lief am Donnerstag um 12.00 Uhr ab, wobei Russland auf die Forderung nicht eingegangen ist.

Moskau: „Pfad der Zerstörung der Beziehungen“

Das russische Außenministerium reagierte verärgert auf Kulhaneks Ankündigung und kündigte umgehend Gegenmaßnahmen an – ließ aber offen, welche das sein werden. „Prag hat den Pfad der Zerstörung der Beziehungen eingeschlagen, die Antwort wird nicht lange auf sich warten lassen“, sagte die Sprecherin Maria Sacharowa laut dpa der Agentur Interfax zufolge.

Schon auf das Ultimatum hatte Moskau mit schwerer Kritik reagiert, der Kreml sprach von „Hysterie“. Das tschechische Vorgehen sehe man „extrem negativ“, sagte Sprecher Dmitri Peskow Interfax zufolge. Die russischen Diplomaten formulierten nun ihre Position. Ein Sprecher des Kremls sprach zuletzt von absurden und völlig unbegründeten Anschuldigungen.

Mensche portestieren vor der russischen Botschaft in Prag.
Reuters/David W Cerny
Proteste vor der russischen Botschaft in Prag Anfang der Woche

Beide Länder wiesen bereits am Wochenende gegenseitig Botschaftsangehörige aus – Prag 18 Russinnen und Russen bzw. Moskau 20 Tschechinnen und Tschechen. Die tschechische Botschaft in Moskau gilt seither als kaum mehr arbeitsfähig. Beobachter sprechen vom schwersten Konflikt zwischen beiden Staaten seit Jahrzehnten.

Kein Kommentar von Zeman

Tschechien war zudem verärgert, weil Russland zwei Mitarbeiter mehr als Tschechien ausgewiesen hatte. Außerdem mussten die Tschechen Moskau binnen 24 Stunden verlassen, während Prag den Russen 48 Stunden gab. Babis versicherte wiederholt, dass Staatspräsident Milos Zeman, der als prorussisch gilt, mit dem Vorgang der Regierung in dem Diplomatenstreit einverstanden sei. Zeman persönlich äußerte sich jedoch bisher zu den Turbulenzen nicht. Eine Stellungnahme kündigte er für Sonntag an.

Auch Slowakei weist Russen aus

Als Zeichen der Solidarität mit Tschechien kündigte auch die Slowakei die Ausweisung russischer Botschaftsmitarbeiter an. Der slowakische Ministerpräsident Eduard Heger teilte mit, die dort ebenfalls von einem Ausweisungsbeschluss betroffenen drei russischen Diplomaten müssten das Land binnen sieben Tagen verlassen. Verteidigungsminister Jaroslav Nad erklärte, die Entscheidung basiere auf Erkenntnissen des slowakischen Geheimdiensten sowie der Geheimdienste verbündeter Länder.

Unterdessen will Deutschland Tschechien helfen, seine Botschaft in Moskau nach den Ausweisungen weiterzubetreiben. Außenminister Heiko Maas bot seinem tschechischen Amtskollegen Kulhanek in einem Telefonat entsprechende Unterstützung an. „Die tschechische und die deutsche Botschaft in Moskau stehen hierzu bereits in direktem Kontakt“, hieß es dazu aus dem Auswärtigen Amt. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte Prag in einem Telefonat mit Ministerpräsident Babis ebenfalls Solidarität zu.

NATO stellte sich an die Seite Prags

Tschechien bekam unterdessen die Unterstützung der NATO-Partner zugesichert. „Die Verbündeten bringen ihre tiefe Besorgnis über die destabilisierenden Maßnahmen zum Ausdruck, die Russland weiterhin im euro-atlantischen Raum (…) durchführt“, heißt es in einer am Donnerstag in Brüssel veröffentlichen Mitteilung der NATO-Staaten. Man stehe uneingeschränkt solidarisch an der Seite der Tschechischen Republik.