Rauch steigt aus einem Kohlekraftwerk auf.
AP/Charlie Riedel
„Alle müssen handeln“

Neuer US-Ehrgeiz bei Klimazielen

Mit einem neuen Klimaschutzziel für 2030 und einem internationalen Gipfel haben sich die USA im Kampf gegen die Erderwärmung auf der globalen Bühne zurückgemeldet. Bei einem Onlineklimagipfel mit 40 Staats- und Regierungschefs – darunter auch jenen Russlands und Chinas – rief US-Präsident Joe Biden am Donnerstag zu entschiedenem und schnellem Handeln auf, um die Klimakrise einzudämmen.

Biden führte aus, wie die USA ihre Klimaziele anheben wollen – dabei will er noch ehrgeizigere US-Klimaziele verfolgen als sein Vorvorgänger im Amt, Barack Obama. Dieser hatte 2015 angekündigt, bis 2025 den Ausstoß von Treibhausgasen um 26 bis 28 Prozent unter den Wert von 2005 zu senken.

Biden will nun bis 2030 eine Halbierung schaffen. Die Emissionen sollen auf gesamtwirtschaftlicher Ebene um 50 bis 52 Prozent verringert werden, wie er zum Auftakt der Veranstaltung sagte – am Freitag wird der Gipfel wiederum mit Reden einer Reihe von Staats- und Regierungschefs fortgesetzt. Biden bekräftigte auch den Pfad der USA, spätestens 2050 die CO2-Emissionen auf netto null zu drücken.

„Wir haben wirklich keine Wahl“

Biden rief zudem die Weltgemeinschaft zu ehrgeizigeren Zielen im Kampf gegen die Klimakrise auf. „Wir müssen handeln – wir alle.“ Schnelles Handeln sei nötig: „Wir haben wirklich keine Wahl.“ Der US-Präsident warb dafür, in Klimaschutzmaßnahmen auch die wirtschaftlichen Chancen zu sehen: Die Energiewende, der Ausbau der Elektromobilität und Infrastrukturmaßnahmen böten die Gelegenheit, Millionen gut bezahlte Jobs zu schaffen.

Abgesandter für Klima John Kerry, US StaatssekretärAntony Blinken und Präsident Joe Biden bei der Teilnahme am Online-Klimagipfel.
APA/AFP/Brendan Smialowski
Biden (r.) mit Außenminister Antony Blinken (Hintergrund) und Klimabeauftragtem John Kerry (Vordergrund) sowie den 30 zugeschalteten Staats- und Regierungschefs. Groß im Bild: UNO-Generalsekretär Guterres.

UNO: Welt „am Rande des Abgrunds“

Auch UNO-Generalsekretär Antonio Guterres verlangte von den Staats- und Regierungschefs der Welt mehr konkrete Schritte im Kampf gegen die Klimakrise. Nötig sei eine globale Koalition für Treibhausgasneutralität bis Mitte des Jahrhunderts, beteiligt werden sollte „jedes Land, jede Region, jede Stadt, jedes Unternehmen und jede Branche“, sagte Guterres auf dem virtuellen Klimagipfel. „Wir brauchen einen grünen Planeten – aber die Welt ist auf Alarmstufe Rot. Wir stehen am Rande des Abgrunds.“

Bildschirm auf virtuellem Klimagipfel
AP/Evan Vucci
Der Gipfel mit über 40 Teilnehmenden aus aller Welt findet virtuell statt

Bei dem hochkarätigen Treffen beraten 40 Staats- und Regierungschefs ihre Pläne. Auch der russische Präsident Wladimir Putin und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping sind trotz außenpolitischer Spannungen mit den USA dabei, ebenso Papst Franziskus. Es ist die erste große außenpolitische Initiative Bidens. Damit unterstreicht er, dass seine Regierung den Klimawandel ins Zentrum der US-Außen- und -Sicherheitspolitik stellen will.

Pentagon-Chef warnt vor Sicherheitsrisiken

Auch US-Verteidigungsminister Lloyd Austin warnte eindringlich vor den globalen Sicherheitsrisiken durch den Klimawandel. „Der Klimawandel macht die Welt unsicherer, und wir müssen handeln“, sagte Austin beim Gipfel. „Die Klimakrise ist eine zutiefst destabilisierende Kraft für unsere Welt.“

Austin fügte hinzu: „Heute kann keine Nation dauerhafte Sicherheit finden, ohne sich mit der Klimakrise auseinanderzusetzen. In unserem Beruf sind wir mit allen möglichen Bedrohungen konfrontiert, aber nur wenige von ihnen verdienen es wirklich, als existenziell bezeichnet zu werden.“ Auf die Klimakrise treffe eine solche Bezeichnung aber zu.

Multiplikatoreffekt erhofft

„Das ehrgeizige neue Ziel des Präsidenten, die Emissionen bis 2030 um 50 bis 52 Prozent unter das Niveau von 2005 zu bringen, verleiht uns einen bedeutenden Hebel, um Klimaschutzmaßnahmen im Ausland voranzutreiben“, sagte ein Regierungsbeamter. Das sei wichtig, da mehr als 85 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen außerhalb der Vereinigten Staaten verursacht würden. Jede Verringerung habe einen Multiplikatoreffekt, der Klimaschutzmaßnahmen im Ausland inspiriere.

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) kommentierte auf Twitter, die neuen US-Ziele seien „ein wichtiges Signal“ und brächten „auch global eine ganz neue Dynamik in die Klimabewegung. Immer mehr Länder erkennen die Dringlichkeit und handeln. Genau diese gemeinsamen Anstrengungen braucht es jetzt. (…) Österreich wird bis 2040 klimaneutral werden – mit diesem Vorhaben sind wir international vorne dabei.“

USA: Treibhausgase bis 2030 halbieren

Die USA wollen beim Klimaschutz die Führungsrolle übernehmen und bis 2030 den Ausstoß von Treibhausgasen halbieren. Das hat Joe Biden bei einem virtuellen Klimagipfel bekanntgegeben.

Tatsächlich kündigte zuletzt eine Reihe von Staaten und Institutionen ehrgeizigere Klimaziele an. Am Donnerstag sagte Japan zu, bis 2030 seinen Treibhausgasausstoß um 46 Prozent im Vergleich zu 2013 zu reduzieren. Das bisherige Ziel lag bei 26 Prozent und wurde seit Langem von Klimaschützern kritisiert. Der kanadische Premierminister Justin Trudeau kündigte an, bis 2030 solle das Emissionslevel von 2005 um 40 bis 45 Prozent unterschritten werden.

EU erklärte neues Ziel

Kurz vor Bidens Konferenz einigten sich auch das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten auf ambitionierte Ziele für den Klimaschutz, die in einem europäischen Klimagesetz festgeschrieben werden. Bis zum Jahr 2030 soll der CO2-Ausstoß europaweit um „mindestens 55 Prozent“ gegenüber 1990 sinken.

Obwohl Großbritannien die EU verlassen hat, hat es ebenfalls ein Netto-Null-Ziel für 2050 gesetzlich verankert. Premierminister Boris Johnson sagte am Dienstag zu, sein Land werde seine Emissionen bis 2035 um 78 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren.

Auch Russland reduziert Emissionen

Kurz vor seiner Rede beim Gipfel ordnete auch Putin eine Reduktion schädlicher Treibhausgase in russischen Städten an. In den zwölf größten Industriezentren sollte bis 2024 der Ausstoß um 20 Prozent gesenkt werden, sagte er am Mittwoch in Moskau bei einer Rede zur Lage der Nation. „Diese Aufgabe muss gelöst werden.“ In allen Städten mit akuten Problemen bei der Luftqualität müsse es zudem Abgasquoten samt transparenter Kontrolle geben.

Im russischen Parlament wird derzeit ein Gesetz zum Ausstoß von Treibhausgasen beraten. Dabei geht es der Staatsduma zufolge zunächst nur darum, dass Unternehmen künftig genau messen und angeben müssen, wie viel Emissionen sie ausstoßen.

ORF-Korrespondent Langpaul über den US-Klimavorstoß

ORF-Korrespondent Thomas Langpaul berichtet über den virtuellen Klimagipfel, zu dem die USA eingeladen haben, und zum Vorstoß, die US-Treibhausgasemissionen bis 2030 halbieren zu wollen.

China will 2060 CO2-neutral sein

China verschärfte das Land seine Ziele und kündigte an, spätestens 2060 unterm Strich kein CO2 mehr zu produzieren. Und das, obwohl China in den nächsten Jahren noch beim Ausstoß zulegen will. Immerhin soll der Höhepunkt der Emissionen noch vor 2030 erreicht werden.

Präsident Xi wiederholte am Donnerstag seine Zusage. China habe sich verpflichtet, schneller vom Höhepunkt zur Neutralität zu gelangen, als es vielen entwickelten Länder gelingen könnte, sagte Xi. „Das erfordert außergewöhnlich harte Anstrengungen.“

Bolsonaro sichert Ende der Abholzung zu

Auch der international unter Druck geratene brasilianische Staatschef Jair Bolsonaro versprach Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel. Brasilien werde die illegale Abholzung bis 2030 beenden, sagte er. Damit würde es seine Emissionen bis zu diesem Datum um 50 Prozent verringern. Bolsonaro forderte aber für die „Umweltdienste“, die Brasilien dem Planeten leiste, eine „gerechte Entlohnung“. Brasilien besteht für Anstrengungen beim Regenwaldschutz auf finanzielle Mittel im Voraus, die USA wollen zuerst Ergebnisse sehen. Umweltminister Ricardo Salles hatte als Preis dafür, die Abholzung im brasilianischen Amazonasgebiet in einem Jahr um 40 Prozent zu reduzieren, zuletzt eine Milliarde Dollar genannt.

Pariser Klimaziele bei Weitem nicht ausreichend

Bliebe es weltweit bei den 2015 in Paris eingereichten nationalen Klimaschutzbeiträgen und würden diese vollständig umgesetzt, würde sich die Erde um etwa drei Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter erwärmen. Ziel des Abkommens ist jedoch, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, möglichst auf 1,5 Grad.

Der Konferenz am Donnerstag und Freitag werden weitere Gipfel wie G-7 und G-20 folgen, in denen der Kampf gegen den Klimawandel eine zentrale Rolle spielen wird. Gesammelt und bewertet werden die neuen Zusagen dann im November bei der regulären Weltklimakonferenz der UNO in Glasgow.