Geöffnetes Modegschäft
APA/Robert Jaeger
Öffnungskommission berät

Experten warnen vor „Frühstart“

Schon vergangene Woche hat Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Öffnungen in allen Bereichen – von Kultur, Sport über Gastronomie bis zum Tourismus – für Mitte Mai angekündigt. Am Freitag gibt es Beratungen der Öffnungskommission, wie diese Lockerungen aussehen sollen. Experten warnen vor einem „Frühstart“.

Nach ORF-Informationen soll am 17. Mai auch in allen Schulen der Präsenzunterricht starten. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) ließ wissen, dass man mit den Plänen innerkoalitionär „mehr oder weniger fertig“ sei. Ihm sei der Schutz der Intensivstationen vor Überlastung wichtig ebenso wie Schulöffnungen. Die Ausgangslage in den einzelnen Bundesländern ist jedenfalls sehr unterschiedlich.

In Vorarlberg haben sich seit der weitgehenden Öffnung Mitte März etwa auch von Innengastronomie die Infektionszahlen vervierfacht. Auch hier nahm die ansteckendere B.1.1.7-Variante zu. In Tirol liegt die 7-Tage-Inzidenz inzwischen mit 213 etwa gleichauf mit Wien. Der Komplexitätsforscher Peter Klimek vom Complexity Science Hub Vienna (CSH) zeigte sich am Freitag im Ö1-Morgenjournal daher vorsichtig, was Prognosen angeht: „Es ist unklar, wo wir in welchem Bundesland Mitte Mai stehen. Man kann noch nicht seriös sagen, wie groß die Öffnungsschritte sein können.“

„Erfolg der Impfung nicht verspielen“

Auch wenn es aufgrund der Impfung und des wärmeren Wetters mehr Spielraum für Öffnungen gebe, dürfe man keinen „Frühstart“ hinlegen. Er erinnerte zudem an den vergangenen Frühling, als jeder Öffnungsschritt alle zwei Wochen evaluiert wurde. Auch der Virologe Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Akademie der Wissenschaften appellierte im Ö1-Interview, vorausschauend zu handeln: „Die Impfungen sind eine Erfolgsgeschichte. Diesen Erfolg dürfen wir nicht verspielen.“

Je mehr das Virus Chancen bekomme, Fluchtmutationen zu entwickeln, desto größere Probleme könnte es im Herbst und Winter geben. Die Wissenschaft legt deshalb gerade ein großes Augenmerk auf die in Tirol entstandene Fluchtmutation E484K, die sich mit der erstmals in Großbritannien aufgetretenen Variante B.1.1.7 verbunden hat. Durch diese Fluchtmutation sei es für Antikörper schwieriger, das Virus zu bekämpfen. Das bedeute, so Bergthaler, dass es häufiger zu Reinfektionen kommen sowie der Impfschutz unterlaufen werden könne.

Diese in Tirol entstandene Fluchtmutation trat weltweit bereits mehrmals auf, ist laut Bergthaler aber immer wieder versandet. In Tirol gibt es derzeit rund 1.000 Fälle. Die Daten deuteten derzeit darauf hin, dass diese Mutation in Tirol entstanden ist, sagte der Virologe. Diagnostik und Contact-Tracing würden in Tirol funktionieren. Unter dem Strich zeigten die Infektionszahlen aber, dass die Maßnahmen bisher nicht ausgereicht haben.

Ausreisetestpflicht für Tirol verlängert

Erst am Donnerstag beschloss der CoV-Einsatzstab in Tirol, die Ausreisetestplicht für das Bundesland bis 5. Mai zu verlängern. Die Fluchtmutation wurde als eine Begründung angeführt. Die Testpflicht gilt für Personen mit Wohnsitz in Tirol sowie für Personen, die sich durchgehend über einen Zeitraum von mehr als 24 Stunden in Tirol aufgehalten haben – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Bergthaler mahnte, die Überwachung der Varianten zu beschleunigen. Vom Probenaustausch und der Datenübertragung angefangen bis zu den verwaltungstechnischen und politischen Abläufen werde immer noch viel Zeit liegen gelassen. Die Spielregeln diktiere leider das Virus und nicht das individuelle oder politische Wollen, meinte auch der Molekularbiologe Ulrich Elling.