Das Schweizer Bundeshaus in Bern
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Abkommen EU – Schweiz

Keine Annäherung in jahrelangem Streit

Seit Jahren ringen die Schweiz und die EU um ein Rahmenabkommen, das bisher getroffene Vereinbarungen unter ein Dach bringen soll. Obwohl mittlerweile ein Vertragstext vorliegt, zeichnet sich keine Annäherung zwischen den beiden Seiten ab.

Von der Personenfreizügigkeit über die eidgenössische Teilnahme am Schengen- sowie dem Dublin-Abkommen bis zur Besteuerung von Erspartem und Regeln für die Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte: Mehr als 100 bilaterale Abkommen regeln derzeit das Verhältnis zwischen Brüssel und dem Nicht-EU-Mitglied Schweiz. Fast 20 Komitees sind für die Koordination zuständig.

Das Rahmenabkommen soll laut Schweizer Regierung dazu dienen, den „bewährten bilateralen Weg zu festigen und weiterzuentwickeln“. Der Vertragstext wurde 2018 ausverhandelt und soll etwa die zügigere Übernahme neuer Rechtsvorschriften regeln sowie die Frage, wer in Streitfällen über die Auslegung von Verträgen entscheidet. Bern hat bisher die Unterschrift verweigert und fordert, drei aus Sicht der Schweiz wesentliche Punkte auszuklammern. Brüssel lehnt das ab.

Drei große Hürden

Bei den drei Themen geht es um Regelungen zum Lohnschutz sowie um Staatsbeihilfen und die Personenfreizügigkeit. So will die Schweiz unter anderem eine Regelung nicht ändern, die ausländische Dienstleistungsunternehmen verpflichtet, sich acht Tage vor der Ausführung eines Auftrags in der Schweiz anzumelden und eine Kaution zu hinterlegen. Das soll die Schweizer Wirtschaft mit ihrem höheren Lohnniveau schützen.

Grenzübergnag zwischen Deutschland und der Schweiz
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Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz: Der Text des Abkommens steht seit 2018, Bern hat aber noch nicht unterschreiben

Zudem möchte das Land verhindern, dass neue Regelungen den Anspruch von in der Schweiz lebenden EU-Bürgerinnen und -Bürger auf Sozialleistungen stärken und zum Beispiel Kantone bei der Vergabe von Staatsgarantien eingeschränkt werden. Für die Schweiz ist die EU der wichtigste Handelspartner. Mehr als 50 Prozent der Exporte gehen in die Unionsländer.

Schweizer Forderung für EU „nicht akzeptabel“

Nach längerer Pause haben Brüssel und Bern im Jänner die Verhandlungen über das Abkommen wiederaufgenommen. Nachdem Unterhändler beider Seiten keine Lösung erzielen konnten, reiste der Schweizer Präsident Guy Parmelin am Freitag zu einem Gespräch mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen nach Brüssel.

Guy Parmelin und Ursula Von der Leyen
Reuters/Francois Walschaerts
Von der Leyen und Parmelin in Brüssel: Die Tür für Verhandlungen bleibt laut EU offen

Eine Annäherung konnte nicht erzielt werden. Ein Sprecher von der Leyens sagte nach dem Treffen, Parmelin habe auf der Position beharrt, dass die drei Streitfragen „aus dem Abkommen ausgeklammert werden sollten“. Das sei für die EU-Seite „nicht akzeptabel“.

„Erhebliche Divergenzen“

Brüssel hoffe aber, dass Lösungen gefunden werden könnten, und sei weiter zu Verhandlungen bereit. „Unsere Tür bleibt offen.“ Brüssel schlägt „praxisorientierte Lösungen“ vor, die zum Beispiel aus Zusatzerklärungen bestehen könnten. „Ich denke, es ist möglich, Kompromisse zu finden (…)“, sagte von der Leyen. Es brauche dafür aber auf beiden Seiten ein gewisses Maß an Flexibilität.

Der Schweizer Präsident räumte ein, dass es „erhebliche Divergenzen“ zwischen den beiden Seiten gebe. Die Diskussionen hätten nicht den nötigen Fortschritt gebracht. Er wolle ein akzeptables Abkommen erreichen, das einer Prüfung in Bern standhalten würde.

Schweizer Börse nicht mehr anerkannt

Die Druckmittel sind ungleich verteilt. Die EU sitzt auf dem längeren Ast. Brüssel hat Bern bereits gedroht, keine neuen Marktzugangsabkommen mehr auszuhandeln und die alten nicht zu aktualisieren. Ein Stromabkommen wurde auf Eis gelegt, und der Vertrag über die gegenseitige Anerkennung von medizinischen Gütern im Mai soll nicht verlängert werden. Eine Daumenschraube hat die EU schon angezogen: Sie erkennt die Schweizer Börse nicht mehr als ebenbürtig an.

Die Schweiz hat die Eingliederung neuer EU-Mitglieder seit 2006 mit der Kohäsionsmilliarde gefördert, einer Milliarde Franken (rund 900 Millionen Euro) über zehn Jahre. Die geplante neue Milliarde hält sie seitdem zurück, weil keine Einigung da ist.

Während die EU-Kommission weiter auf Verhandlungen setzt, verlangen andere EU-Vertreter eine härtere Linie gegenüber Bern. „Die Schweiz muss endlich sagen, ob sie das Abkommen überhaupt noch möchte, und wenn nicht, wie die bestehenden Grundsatzfragen alternativ geregelt werden können“, so der Vorsitzende der Schweiz-Delegation im EU-Parlament, der Deutsche Andreas Schwab (CDU). „Schweizer Uhrwerke arbeiten präzise, die Schweizer Hängepartie ist peinlich.“