Medizinisches Personal betreut eine Patientin vor dem Jumbo-Covid-19-Krankenhaus in Mumbai (Indien)
AP/Rafiq Maqbool
„Es ist ein Tsunami“

CoV lässt Indiens Kliniken kollabieren

Mit täglich neuen Höchstwerten an Neuinfektionen gilt Indien derzeit als globales Zentrum der Coronavirus-Pandemie. Die Kliniken des Landes kollabieren. Es fehlt an Patientenbetten und Sauerstoffversorgung. Auch die Krematorien sind überlastet. „Es ist ein Tsunami“, beschrieb ein Gericht in der Metropole Delhi die Lage.

Die rasche Ausbreitung des Coronavirus bringt Krankenhäuser in Indien an ihre Belastungsgrenze. Der Mangel an medizinischem Sauerstoff zur Beatmung von Patienten, die an der Lungenkrankheit leiden, verschärft sich. Fernsehbilder zeigten Warteschlangen vor Krankenhäusern. Krematorien baten Angehörige von Verstorbenen um Geduld, da sie überlastet seien.

Ein Gericht in der Metropole Delhi, zu der die Hauptstadt Neu-Delhi gehört, forderte die Regierung auf Initiative mehrerer Krankenhäuser zum Handeln auf. „Es ist ein Tsunami. Wie versuchen wir Kapazitäten aufzubauen?“, fragte das Gericht an die Adresse der Regierung. Diese setzt bereits Militärflugzeuge und Züge ein, um Sauerstoff aus verschiedenen Regionen im In- und Ausland nach Delhi zu bringen.

Menschen warten auf die Verbrennung von Angehörigen in New Delhi
Reuters/Danish Siddiqui
Menschen warten auf die Verbrennung von Angehörigen in Neu-Delhi

Fast 350.000 Neuinfektionen

Das Gesundheitsministerium meldete den dritten Tag in Folge mit 346.786 Fällen eine neuen globalen Höchstwert bei Neuinfektionen. „Bitte helft uns, Sauerstoff zu bekommen, sonst kommt es hier zu einer Tragödie“, wandte sich der Chefminister der Hauptstadtregion Delhi, Arvind Kejriwal, an Ministerpräsidenten Narendra Modi. Indien steht mit 1,3 Milliarden Einwohnern weltweit an zweiter Stelle nach China.

Patienten und Angehörige warten vor einem Krankenhaus in New Delhi (Indien)
APA/AFP/Maude Brulard
Covid-19-Patienten und Angehörge vor einem Krankenhaus in Neu-Delhi

EVP-Chef Weber will Flüge einstellen

Der Chef der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), forderte unterdessen die sofortige Einstellung aller Flugverbindungen aus Indien in die EU. „Die indische Doppelvariante scheint sich schnell auszubreiten, und die Situation dort droht außer Kontrolle zu geraten“, begründete Weber seinen Vorstoß. In Deutschland und der EU seien bereits einige Coronavirus-Infektionen mit der indischen Mutante aufgetreten.

Weber verwies in der „Bild“-Zeitung darauf, dass Kanada und Großbritannien bereits entsprechende Schritte eingeleitet hätten. Insgesamt müssten die EU-Länder „aufgrund der Dynamik der Coronavirus-Pandemie besser und schneller im koordinierten Vorgehen werden“. Auch Weltärzte-Präsident Frank Ulrich Montgomery sprach sich für Schutzmaßnahmen gegen die indische Variante aus.

Deutschland und Iran verhängen Einreisestopp

Deutschland will Indien ab Montag zum Virusvariantengebiet erklären. In der Bundesrepublik gilt dann ein weitgehendes Einreiseverbot für Menschen, die sich zuvor in Indien aufgehalten haben, hieß es. „Um unsere Impfkampagne nicht zu gefährden, muss der Reiseverkehr mit Indien deutlich eingeschränkt werden“, sagte der deutsche Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Samstag. In der Bundesregierung gibt es auch Überlegungen, den Flugverkehr mit Indien vorübergehend zu stoppen.

Wie es in Regierungskreisen hieß, wird die Entscheidung darüber im Bundesverkehrsministerium seit Tagen vorbereitet. Thema seien nicht nur Direktflüge, sondern auch Flüge über Airports am Golf sowie am Bosporus. Entschieden sei diesbezüglich aber noch nichts, hieß es. Zuvor soll sich bereits die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eingeschaltet und zur Vorsicht aufgerufen haben.

Der Iran kündigte unterdessen einen Einreisestopp aus Indien an. Damit soll die Ausbreitung der neuen Coronavirus-Doppelmutante verhindert werden. „Das indische Virus ist gefährlicher als die englische und die brasilianische Variante“, sagte Präsident Hassan Rouhani im TV.

Keine Landeverbote in Österreich

In Österreich gibt es derzeit Landeverbote für Flugzeuge aus Südafrika und Brasilien. Diese gelten bis zum 2. Mai. Für Flüge aus Indien gibt es ein solches Verbot nicht. Laut österreichischem Außenministerium gelten derzeit Reisewarnungen für fast alle Staaten der Welt. Davon ausgenommen sind Australien, Island, Neuseeland, Singapur, Südkorea und der Vatikan. Von allen nicht notwendigen Reisen – auch in diese Staaten – rät das Außenministerium in Wien aber weiterhin ab. Die neue indische Virusvariante wurde in Österreich mit Stand Samstag noch nicht nachgewiesen.