Leonore Gewessler
ORF
Steuerautomatismus

Gewessler wirbt für Klimaschutzgesetz

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat in der ORF-„Pressestunde“ für das Klimaschutzgesetz geworben, mit dem eine Halbierung der CO2-Emissionen bis 2030 erreicht werden soll. Einen vorab an die „Kronen Zeitung“ geleakten Entwurf, wonach notfalls die Mineralölsteuer automatisch stark angehoben werden soll, bestätigte Gewessler indirekt. Sie kritisierte zugleich den Leak: So mache man das, „wenn man es verhindern will“. Kritik kam von der Opposition.

Auf die Nachfrage, wer die Pläne an die Zeitung geleakt habe, meinte Gewessler nur, sie könne das nicht beantworten. Das Gesetz wird regierungsintern vor allem mit dem für Budget- und Steuerangelegenheiten zuständigen, ÖVP-geführten Finanzministerium ausverhandelt.

Gewessler betonte, in ihrem Ministerium sei ein Entwurf erarbeitet worden, der eine ganze Reihe an Maßnahmen vorsehe, um das vorgegebene Ziel zu erreichen. Und als letzte Maßnahme einer ganzen „Kaskade“ sei auch eine Mineralölsteuererhöhung vorgesehen. Allerdings ging sie nicht auf Details des „Krone“-Berichts ein, wonach die MöSt um bis zu 50 Prozent angehoben werden könnte. Umgekehrt würden der Republik beim Verfehlen des Ziels Strafzahlungen in Höhe von bis zu neun Milliarden Euro drohen, gab Gewessler zu bedenken.

Klimaschutzgesetz als Teil der Steuerreform

Gewessler verteidigt, dass bei Verfehlen der Emissionsziele im Gesetz bereits Maßnahmen vorgesehen werden, darunter auch eine Erhöhung der Mineralölsteuer.

Reform „hat immer zwei Seiten“

Generell warb sie dafür, das Klimaschutzgesetz als Gesamtpaket zu sehen. Österreich habe jetzt die Möglichkeit, es richtig zu machen und die Weichen zu stellen. Und eine ökosoziale Steuerreform habe immer zwei Seiten: Einerseits die CO2-Bepreisung, andererseits gebe man den Menschen aber ökologisch und sozial wieder etwas zurück.

Um Strafzahlungen zu vermeiden, arbeite man nun mit den Ländern gemeinsam an einem Investitionsfonds, der dabei helfen solle, das CO2-Reduktionsziel zu erreichen. Das sei „viel sinnvoller, als 2030 milliardenschwere Strafzahlungen zu haben“, wie sie nochmals betonte.

Laut „Krone“-Bericht droht starke Erhöhung

Die „Kronen Zeitung“ berichtete, dass der Entwurf für das Klimaschutzgesetz unter anderem automatische Steuererhöhungen vorsehe, sollte der CO2-Ausstoß von den gesteckten Klimazielen abweichen. Das würde fossile Energieträger wie Benzin, Diesel und Erdgas betreffen, wie die „Krone“ schreibt.

Im Klimaschutzgesetz soll neben einem „Klimacheck“ neuer Gesetze und einem „Klimakabinett“ bis 2040 für jedes Jahr ein Emissionshöchstwert verankert werden. Bei Abweichungen sieht der Entwurf eine „zusätzliche Kohlenstoffbepreisung“ vor, laut „Krone“ könnten sich Mineralölsteuer und Erdgasabgabe um die Hälfte erhöhen.

Beirat soll bei Verfehlung Maßnahmen vorlegen

Konkret sollen ein wissenschaftlicher Beirat und das Klimakabinett, das Kanzler und Umweltministerin anführen dürften, bei einer drohenden Verfehlung der jährlichen Ziele Maßnahmen vorlegen. Die Regierung müsse dann innerhalb von drei Monaten handeln. Zur Absicherung gegen politisches Scheitern ist dann als Ultima Ratio eine Erhöhung der Mineralölsteuer (MöSt) und Erdgasabgabe nach einem Jahr vorgesehen.

Bei Diesel würde eine Anhebung der MöSt um 50 Prozent einen Preisanstieg um rund 20 Cent pro Liter bedeuten. Derzeit beträgt die MöSt bei Diesel 39,7 Cent und bei Benzin 48,2 Cent. Der Verkehr ist neben dem Heizen und der Industrie für den größten Teil der klimaschädlichen Treibhausgase verantwortlich.

Zentraler Kritikpunkt von Umweltschutzgruppen

Umweltschutzgruppen kritisieren schon länger, dass der Klimaschutz nicht gelingen kann, wenn klimaschädliches Verhalten höhere Anreize bietet als die klimaschonende Alternative. Österreich will bis 2040 klimaneutral sein, um seinen Beitrag zu leisten, die Erderhitzung bei 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.

Wirtschaftlichkeit von E-Autos

„Öffis“ seien am besten – im Vergleich zu Autos mit Verbrennungsmotoren seien E-Autos aber jedenfalls die sauberere Alternative, so Gewessler.

„1-2-3-Ticket“: Vor Einigung mit fünftem Bundesland

Bei der Mobilität betonte Gewessler, dass vor allem der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel wichtig sei. In dem Zusammenhang verwies sie erneut auf die großen Investitionen bei Modernisierung und Ausbau der Bahn. Das österreichweite „1-2-3-Ticket“ sieht sie auf einem guten Weg. Mit vier Ländern habe man sich bereits geeinigt. Mit den anderen fünf Bundesländern sei man in Dauerverhandlungen, mit einem davon werde man sich in den nächsten Wochen einigen. Um welches es sich handelt, wollte Gewessler nicht sagen.

Zugleich forderte sie eine weitere Elektrifizierung des Individualverkehrs, sprich vor allem E-Autos. Über den Lebenszyklus gerechnet, sei das E-Auto jedenfalls sauberer als Benziner oder Diesel. Hier verteidigte sie ihren Vorstoß mit mehreren anderen Umweltministerinnen gemeinsam, EU-weit ein Zieldatum für den Ausstieg aus der Produktion von Autos mit Verbrennungsmotoren festzulegen. Die Autoindustrie sei selbst in großen Schritten in diese Richtung unterwegs, und für diese sei eine EU-weit einheitliche Vorgabe auch besser als ein „Fleckerlteppich“ an Regelungen.

Beim Flugverkehr will sich Gewessler das jüngst in Frankreich verabschiedete Verbot von Kurzstreckenflügen ansehen. Sie verwies aber auf die – für die AUA geltende – Regelung, dass Strecken, auf denen die Bahnfahrt nicht länger als drei Stunden dauert, nicht mehr geflogen werden dürfen. Konkret betrifft das derzeit Wien – Salzburg.

Ölkesseltausch: Zusatzförderng für niedrige Einkommen

Beim Ausstieg aus den Ölheizungen kündigte Gewessler an, dass es neben der Förderung für einkommensschwache Haushalte eine hundertprozentige Förderung beim Kesseltausch geben solle. Konkret sprach die Ministerin vom untersten Fünftel, was die Einkommen betrifft.

Gewessler kündigte in der „Pressestunde“ auch an, dass das Abfallwirtschaftsgesetz nächste Woche in Begutachtung geht. Aus anderen Ländern wisse man, dass ein Pflastikpfand wirkt, verteidigte die Ministerin ihre Pläne.

Verteidigt Investitionsprämie

Die bei der Regierungsklausur angekündigte Steigerung der Investitionsprämie auf fünf Milliarden Euro (mit Hilfe des EU-Recovery-Fonds, Anm.) verteidigte Gewessler als große Maßnahme. Doppelt gefördert würden klimafreundliche Projekte, klimaschädliche seien ausgeschlossen. Als konkreteres Beispiel nannte sie eine klimafreundliche Stahlproduktion. Hier weckte sie Hoffnungen darauf, dass – ähnlich wie mit dem LD-Verfahren vor Jahrzehnten – Österreich Teil einer Stahlrevolution werden könnte.

Rechtfertigt Personalpolitik

Ihre Personalpolitik – mehrmals wurde Kritik laut, sie ersetze FPÖ-nahe Besetzungen durch Grünen-nahe – verteidigte Gewessler. Ihr sei vor allem eine Erhöhung des Frauenanteils in den Aufsichtsräten wichtig, sie sprach sich auch generell für eine verpflichtende Frauenquote aus, solange das nötig sei.

Kritik von SPÖ und FPÖ

Die SPÖ kritisierte, dass der geleakte Entwurf die einkommensschwachen Haushalte besonderes belasten würde. Das Ziel der CO2-Neutralität bis 2040 sei alternativlos, so SPÖ-Umweltsprecherin Julia Herr. Dieses Gesetz müsse aber „sozial gerecht“ gestaltet werden.

FPÖ-Verkehrssprecher Christian Hafenecker sprach von „grüner Enteignungspolitik“. Während sich „die halbe Welt um Umwelt und Klima nichts schert, wollen die Grünen unter ihrer ideologisch schwer verblendeten Ministerin das Klima mit der EU retten“.

Der Klima- und Umweltsprecher von NEOS, Michael Bernhard, betonte, eine „CO2-Strafsteuer“ hätte keinen Lenkungseffekt und würde „nur die Azeptanz von Klimaschutzpolitik untergraben“. Er forderte stattdessen eine umfassende Ökologisierung des Steuersystem und die Abschaffung umweltschädlicher Subventionen. Als solche sehen freilich Umweltpolitiker gerade die Minderalölsteuer.

Warnung von Wirtschaft, Lob von NGO

Die Wirtschaftskammer forderte, man müsse bei den Klimazielen die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft im Auge haben. Deren Generalsekretär Karlheinz Kopf ist daher gegen „Verbote oder steuerliche Diskriminierungen, wo Alternativen fehlen“.

Die Umweltschutzorganisation Global 2000, deren Geschäftsführerin Gewessler bis 2019 war, lobte dagegen, dass ein „wirksamer Sofortmechanismus nach Schweizer Vorbild“ eingeführt werden soll. Dort sei die CO2-Bepreisung längst Realität: Die Einnahmen würden mit einem „Ökobonus“ rückvergütet, um einkommensschwache Haushalte zu unterstützen. Werde das Klimaziel verfehlt, steige der CO2-Preis.