ORF-Diskussionsrunde „Im Zentrum“
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Arbeitsmarkt

Ansätze für nach der Pandemie

Im Kampf gegen die Pandemie will die Bundesregierung nun positive Signale senden. Lockerungen und Öffnungen sollen nach und nach Einschränkungen ablösen. Ein "Comebackplan“ soll der Wirtschaft in ihrem Weg aus der Krise helfen und die Zahl der Arbeitslosen nachhaltig verringern. Doch sind die Ansätze zur wirksamen Krisenbewältigung breit gefächert, wie sich in der ORF-Diskussionssendung „Im Zentrum“ zeigte.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sagte am Sonntag eingangs zu den Öffnungen, es gehe nun darum, behutsam vorzugehen – es gelte generell, eine Perspektive vorzugeben. Freilich könne niemand sagen, wie sich die Lage entwickeln werde („Wer das sagt, ist ein Scharlatan“). ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher stimmte den Ausführungen zu: Die Impfungen würden die Lage entspannen – „200.000 Personen können bis Sommer/Herbst wieder in Beschäftigung kommen“, so Kocher.

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian verwies auf die vielen Arbeitslosen und viele, die sich in Kurzarbeit befinden („viele stehen mit den Rücken zur Wand“). Darum „soll man diese (Öffnungs-)Schritte gehen“, wenn auch vorsichtig, so Katzian. Gleichzeitig appellierte er, nicht mit Arbeitsmarktzahlen herumzuwerfen, man habe schon so viele verschiedene Zahlen gehört – auch würden ständig Zahlen zu Arbeitslosen und Kurzarbeit vermischt.

„Im Zentrum“: Arbeit, Wirtschaft, Krisenstimmung – Wie schnell erholt sich Österreich?

Im Kampf gegen die Pandemie scheint die türkis-grüne Regierung um positive Signale bemüht. Lockerungen und Öffnungen sollen in vielen Lebensbereichen den harten Lockdown ablösen. Ein eigener „Comebackplan“ soll der Wirtschaft bei ihrem Weg aus der Krise helfen und die Zahl der Arbeitslosen nachhaltig verringern.

„Es geht ums Geld, sorry“

Kocher führte einen „Mix aus Maßnahmen“ ins Treffen, im Moment schaffe freilich auch niemand Arbeitsplätze. Von der zuletzt präsentierten „Aktion Sprungbrett“ würden vor allem Langzeitarbeitslose profitieren (geplant sind 50.000 weniger bis Ende 2022), so Kocher. Katzian vermisste hierbei – wie auch generell – Konkretes: Viele Arbeitskräfte würden etwa im Bereich der Pflege fehlen („hier wurde vieles totgespart, die Leute sind am Anschlag“).

Über Nacht seien auf einmal alle systemrelevant gewesen, aber „gekriegt haben’s nix“, kritisierte Katzian. „Es geht ums Geld, sorry“, sagte der ÖGB-Chef. Ökologie und Digitalisierung kosteten Geld, man müsse die Arbeiter, die die „Drecksarbeit“ gemacht hätten, „mitnehmen“.

Auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sprach sich nicht gegen die Öffnungen aus, diese seien schon „sehr dringend notwendig“. Das sei insbesondere für die Menschen in Kurzarbeit wichtig, wie sie ausführte. Der Staat müsse Arbeitslose wiedereingliedern, doch habe es bis jetzt viele Überschriften gegeben – auch sie vermisse Konkretes, so Meinl-Reisinger. Österreich sei auch deswegen hart von der Krise getroffen, weil die Wirtschaftshilfen nicht treffsicher seien.

Kogler sieht „grüne Handschrift“

Es brauche dringend „strukturelle Maßnahmen“, so Meinl-Reisinger. Die Pensionsreform werde „drängender“. Kogler verwies auf das Konjunkturpaket im vorigen Sommer, Investitionen, die man nun einfahren könne. Es gehe auch um Ökologisierung – „da geht es nicht um Tausende, sondern Hunderttausende Arbeitsplätze“. Hierbei sei die „grüne Handschrift“ zu sehen. Jetzt gehe es darum, Investitionen vorzuziehen – doch: Alles, was etwa mit fossiler Energie passiere, „kriegt null Investitionsprämie“.

WIFO-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller verwies auf zwei Prognoseszenarien: Öffnung und Lockdown. Ersteres Szenario würde ein höheres Wachstum bedeuten – doch bewege man sich hinsichtlich der Zahlen in der Mitte dieser Szenarien. Der Sommertourismus spiele eine große Rolle. Impfen und Testen sei wichtig, weil der Tourismus eine wichtige Grundlage für neues Wachstum sei.

Expertin erinnert an Bildungs- und Föderalismusreform

Je mehr man sich einer Normalsituation nähere, desto wichtiger sei eine Fokussierung, so Schratzenstaller. Derzeit habe man eine Situation, in der „Pleiten künstlich verhindert“ würden. Mit Auslaufen der Hilfen werde es zwar Pleiten geben, die im Einzelfall bedauerlich seien, aber gesamtwirtschaftlich „kein großes Problem“ entstehen ließen. Problematisch könne die Situation insbesondere für Einpersonenunternehmen (EPUs) werden.

Jedenfalls sollte die Regierung die Bildungs- und Föderalismusreform wieder in den Vordergrund stellen, riet Schratzenstaller. Auch verwies sie auf das „große Problem“ Langzeitarbeitslosigkeit, von der viele Frauen betroffen seien. „Man braucht ein Bündel von Maßnahmen, Vermittlung, Qualifizierung und Eingliederungsmaßnahmen“, wie sie sagte: „Lassen wir uns überraschen, was von der Regierung kommt.“