Chloe Zhao mit dem Oscar für die beste Regie.
Reuters/Chris Pizzello
Oscars

Historischer Sieg für „Nomadland“

Bei den 93. Oscars hat zum ersten Mal eine nicht weiße Regisseurin die Trophäe für die beste Regie geholt: Favoritin Chloe Zhao konnte die Academy-Mitglieder mit „Nomadland“ überzeugen. Das Sozialdrama gewann auch in der Hauptkategorie „Bester Film“ und bescherte zudem Frances McDormand den Oscar als beste Hauptdarstellerin. Die große Überraschung des Abends gehörte aber Anthony Hopkins, der zum besten Hauptdarsteller gekürt wurde.

Bei den diesjährigen Academy Awards führte die Pandemie gleich auf mehreren Ebenen Regie. Die Preisverleihung fand neben dem traditionellen Dolby Theatre auch im sonnendurchfluteten Ambiente der Union Station in Los Angeles statt. Die Oscar-Gala selbst fiel redelastig und arm an Showelementen aus.

Die chinesischstämmige Regisseurin Zhao (39) setzte sich mit ihrem Roadmovie „Nomadland“ gegen Konkurrenten wie David Fincher („Mank“) und Lee Isaac Chung („Minari“) durch. Zhao ist damit nach Kathryn Bigelow („The Hurt Locker“) im Jahr 2010 erst die zweite Frau, der diese Ehre zuteilwurde.

Peter Spears, Frances McDormand, Chloe Zhao, Mollye Asher Und Dan Janvey bei den Oscars 2021.
AP/Chris Pizzello
„Nomadland“ triumphierte in drei Hauptkategorien

Drama über neue Formen der Armut

Heuer waren erstmals zwei Frauen in der Regiekategorie nominiert gewesen, neben Zhao fand sich auch die Britin Emerald Fennell („Promising Young Woman“) auf der Liste wieder. Zhao bedankte sich bei ihrer ganzen Filmcrew. „Was für eine verrückte, einmalige Reise haben wir hinter uns“, sagte sie in ihrer Dankesrede.

Mit einem kurzen Seitenschwenk aus ihrer Kindheit in China hob die Regisseurin letztlich das Gute in den Menschen hervor. „Daran glaube ich immer noch, auch wenn man oft denkt, das Gegenteil sei der Fall. Ich habe immer gute Menschen gefunden, auf der ganzen Welt.“ Daran müsse man festhalten, „egal wie schwer es auch sein mag“.

Fotostrecke mit 10 Bildern

Schauspieler Daniel Kaluuya.
AP/Chris Pizzello
Der Oscar für den besten Nebendarsteller ging an Daniel Kaluuya. Der 32-jährige Brite wurde für seine Rolle als Bürgerrechtler und Aktivist Fred Hampton in „Judas and the Black Messiah“ ausgezeichnet.
Yuh-Jung Youn Gewinnerin des Oscars für die beste Nebendarstellerin.
APA/AFP/Getty Images/Pool
Youn Yuh Jung erhielt den Oscar als beste Nebendarstellerin in „Minari“
Schauspielerin und Regisseurin Emerald Fennell.
APA/AFP/Getty Images/Pool
Emerald Fennell reüssierte mit ihrem Debütfilm. Ihr Vergewaltigungs-Rache-Movie „Promising Young Woman“ sicherte ihr die Goldstatue für das bestes Originaldrehbuch.
Amanda Seyfried und Gary Oldman in einer Szene aus dem Film „Mank.“
AP/Netflix
David Finchers „Mank“ ging mit zehn Oscar-Chancen als Favorit in die Oscar-Nacht. Das Drama, in dem Gary Oldman als Drehbuchautor Herman J. Mankiewicz mit Orson Welles um das Skript für „Citizen Kane“ ringt, gewann in den Kategorien „Beste Kamera“ und „Bestes Szenenbild“ – und zählt damit zu den Verlierern der Oscar-Gala.
Glenn Close tanzt zu E.U. Song „Da Butt“.
AP/ABC
Bei den Preisen ging sie leer aus, doch für viele war Glenn Close trotzdem der Star des Abends. Während der Show sprang die 74-Jährige von ihrem Platz auf und ließ ihre Hüften zum Song „Da Butt“ kreisen.
Szene aus dem Film „Ma Rainey’s Black Bottom“.
Netflix/David Lee
Dieses Jahr war die Hälfte der Nominierten in den Kategorien für die besten Hauptdarsteller und Hauptdarstellerinnen nicht weiß. Weder der verstorbene Chadwick Boseman noch Andra Day erhielten für „Ma Rainey’s Black Bottom“ den Preis. Das Drama um die legendäre Jazzsängerin Ma Rainey gewann in den Kategorien „Kostümdesign“ und „Bestes Make-up und beste Frisuren“.
Mads Mikkelsen in einer Szene aus dem Film „Another Round.“
AP/Samuel Goldwyn Films
Mads Mikkelsen begeisterte als trinkender Lehrer in „Rausch“. Regisseur Thomas Vinterberg durfte dafür den Auslandsoscar entgegennehmen.
Szene aus dem Animationsfilm „Soul“.
AP/Disney Pixar
In der Kategorie „Animationsfilm“ gewann der Favorit: Pixars „Soul“ erzählt eine für Kinder und Erwachsene faszinierende philosophische Geschichte über Leben und Sterben.
Szene aus dem Film „Sound of Metal“.
Courtesy of Amazon Studios
Für Riz Ahmeds Leistung als tauber Musiker in „Sound of Metal“ reichte es nicht zum besten Hauptdarsteller. Dafür durfte er dem Sound-Team des Films den Preis für den besten Ton überreichen. „Sound of Metal“ gewann zudem in der Kategorie „Schnitt“.
Sezene aus dem Film „Tenet“ von Chirstopher Nolan.
AP/Warner Bros. Entertainment/Melinda Sue Gordon
Der einzige wirkliche Blockbuster des Jahres 2020, Christopher Nolans Zeitreise-Verwirrspiel „Tenet“, musste sich mit dem Preis für visuelle Effekte begnügen

In „Nomadland“ muss McDormand nach dem Tod ihres Mannes gegen den sozialen Abstieg kämpfen und beschließt in ihrem Wohnwagen zu leben. Als moderne Nomadin schließt sie sich Gleichgesinnten an und gewährt Einblick in einen Lebensstil, der aufgrund eines verbreiteten sozialen Abstiegs in den USA von vielen Menschen geteilt wird.

Das Drama war mit sechs Nominierungen in die Oscar-Gala gegangen. Neben „Bester Film“ gewann „Nomadland“ in einer weiteren Hauptkategorie: McDormand wurde als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet. Zuvor hatte sie bereits für „Fargo“ und „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ die begehrte Goldstatuette erhalten.

Auszeichnungen für Nichtweiße

Auch bei den Nebendarstellerinnen konnte sich eine Frau mit asiatischen Wurzeln durchsetzen: Youn Yuh Jung wurde für ihren Part als aggressive Großmutter im Immigrantendrama „Minari“ aus den Händen von Brad Pitt mit der Statuette gewürdigt. Nachdem sie die Gala in Südkorea stets im Fernsehen verfolgt habe, sei es nun umso surrealer, diese live zu erleben. „Ich glaube nicht an Wettbewerb“, zeigte sich die Gewinnerin konziliant.

Fotostrecke mit 2 Bildern

Tabelle aller Oscar-Gewinner 2021
ORF.at
Tabelle aller Oscar-Gewinner 2021
ORF.at

Hinter den Kulissen outete sich Youn als großer Fan von Hollywood-Star Brad Pitt. Sie habe es nicht glauben können, als Pitt ihren Namen verlas. „Ein paar Sekunden lang war ich fast ohnmächtig“, erzählte die 73-jährige Südkoreanerin nach ihrem Oscar-Gewinn. „Er muss viel geübt haben, denn er hat meinen Namen nicht falsch ausgesprochen“, sagte Youn.

Zuvor hatte der Brite Daniel Kaluuya für seine Rolle im schwarzen Bürgerrechtsdrama „Judas and the Black Messiah“ die Statuette als bester Nebendarsteller entgegengenommen. Dabei hatte sich der 32-Jährige anfangs mit einem kleinen Gebet bei Gott bedankt. Kaluuya spielt in dem Film über die Black Panther Party den Aktivisten Fred Hampton. Er wurde bereits 2018 für seine Rolle in dem Horrorfilm „Get Out“ für den Oscar nominiert.

Überraschung zum Schluss

Für die wohl größte Überraschung sorgte Anthony Hopkins. Der gebürtige Brite (83) setzte sich als bester Hauptdarsteller mit seiner Leistung als dementer Mann unter anderen gegen den verstorbenen Chadwick Boseman durch, der als klarer Favorit gehandelt worden war. In „The Father“ begeisterte Hopkins die Kritik. Der zunehmende Verfall aufgrund einer Demenzerkrankung wird in einer Mischung aus Mystery und Psychodrama dargestellt. Der Film gehört mit zwei Oscars zu den Gewinnern des Abends. „The Father“ erhielt neben der Ehrung für Hopkins den Preis für das beste adaptierte Drehbuch, den Christopher Hampton und Regisseur Florian Zeller entgegennahmen.

Anthony Hopkins in einer Szene aus dem Film „The Father.“
AP/Sony Pictures Classics/Sean Gleason
Die Überraschung des Abends war die Auszeichnung von Anthony Hopkins als bester Hauptdarsteller in „The Father“

Der Preis für das beste Originaldrehbuch ging an das Rachedrama „Promising Young Woman“: Fennel, die den Film auch inszenierte, zeigte sich überwältigt. „Sie sagten: Schreib eine Rede! Aber natürlich habe ich keine geschrieben, weil solche Dinge normalerweise nicht passieren.“ Die Statue sei „so schwer und so kalt“, lachte die Filmemacherin.

Netflix als Gewinner

Aufgrund der Pandemie durften für die 93. Academy Awards erstmals Filme nominiert werden, die davor nicht im Kino zu sehen gewesen waren. In vergangenen Jahren war diese Regel von Streaminganbietern nur pro forma erfüllt worden. Beispielweise ermöglichte Netflix 2018 Alfonso Cuarons Drama „Roma“ nur ein kurzes Kinofenster in ausgesuchten Programmkinos. „Roma“ gewann 2019 die Oscars für den besten Film und die beste Kamera und den Auslandsoscar.

Diese Jahr war Netflix einer der Hauptgewinner. Ganze sieben Oscars gingen an Produktionen des Streamingriesen – allerdings nicht in den Hauptkategorien. Zu den Preisen gehörten zwei Oscars für die Hollywood-Hommage „Mank“ (Kamera und Produktionsdesign) und zwei für das Drama „Ma Rainey’s Black Bottom“ (Kostümdesign und Make-up/Frisur). Oscars gewannen außerdem die Dokumentation „My Octopus Teacher“ sowie die Kurzfilme „Two Distant Strangers“ und „If Anything Happens I Love You“. Ins Rennen gegangen war Netflix aber mit insgesamt 36 Nominierungen .

Vinterberg ehrt verstorbene Tochter

Österreichs kleine Oscar-Hoffnung, Jasmina Zbanics rot-weiß-rot koproduziertes Bosnien-Kriegsdrama „Quo vadis, Aida?“ musste sich in der Kategorie des Auslandsoscars geschlagen geben. Das Werk war von Bosnien-Herzegowina eingereicht worden, zog aber gegen Thomas Vinterbergs Trinkerparabel „Der Rausch“ aus Dänemark in der Kategorie „Bester internationaler Spielfilm“ den Kürzeren.

Vinterberg widmete den Auslandsoscar seiner verstorbenen Tochter Ida. Sie sollte Teil des Films werden, starb aber kurz nach Beginn der Dreharbeiten bei einem Verkehrsunfall. „Wir vermissen sie, und ich liebe sie“, sagte er unter Tränen in Hollywood. „Wenn wir uns nur trauen zu glauben, dass sie auf eine Weise hier bei uns ist – dann könntet ihr sie hier mit uns klatschen und jubeln sehen.“

Thomas Vinterberg mit dem Oscar für den besten internationaler Film.
APA/AFP/Getty Images/Pool
Thomas Vinterberg berührte in seiner Rede mit Erinnerungen an seine verstorbene Tochter Ida

Der mit zehn Nominierungen als Spitzenreiter in den Abend gegangene Hollywood-Historienfilm „Mank“ konnte ebenfalls zwei Auszeichnungen einfahren: Kamera und Produktionsdesign gingen an David Finchers Schwarz-Weiß-Drama. Bei den Animationsfilmen gab es einen Favoritensieg, konnte sich doch Pixars neues Werk „Soul“ gegen die Konkurrenz durchsetzen.

Selbiges gilt für „Mein Lehrer, der Krake“, der als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde. Und die Rassismusanklage „Ma Rainey’s Black Bottom“ konnte in den beiden Kategorien Make-up und Haare sowie Kostüme zwei Trophäen für sich reklamieren.

Wenig Show, lange Reden

Die Gala verlief aufgrund der CoV-Pandemie grundlegend anders als in den Jahren zuvor. Das Bahnhofsgebäude der Union Station in Los Angeles diente, anders als traditionell, heuer nämlich anstelle des Dolby Theatre in Hollywood als Hauptaustragungsort des Events. 170 Stars samt Anhang fanden sich in dem historischen Bahnhofsgebäude ein, während im Dolby Theatre die Showelemente stattfanden.

Im Vorfeld war die Gala als erstes großes Showevent in der Coronavirus-Krise gedacht gewesen. In der Durchführung der „Ausnahme-Oscars“ verzichtete man aber nicht nur auf Showelemente, Musikbeiträge und meist auch auf Ausschnitte aus den nominierten Werken, sondern vor allem gänzlich auf Humor. Die Dankesreden fielen dafür besonders lang aus – das hing auch damit zusammen, dass das typische Oscar-Orchester fehlte. Damit fehlte folglich auch die Möglichkeit, den Stars des Abends akustisch zu signalisieren, dass ihre Redezeit zu Ende war.

Trotz der langen Reden vermisste man über weite Strecken klare Worte. Weder spielte die Rassismusdebatte in den USA eine nennenswerte Rolle, noch wurde die Hintergrundfolie der speziellen Oscar-Ausgabe angesprochen. Das Wort „Covid“ wurde einzig vom Produzenten Tyler Perry in den Mund genommen, der mit dem Sonderpreis des Humanitarian Award für sein soziales Engagement ausgezeichnet wurde.