Landesrätin Martina Rüscher (ÖVP) besprach sich am Montag mit den Bürgermeistern darüber, wo in den Kommunen ab Dienstag eine Masken- und Testpflicht gelten wird. Geeinigt hat man sich auf Lustenau und zwölf Gemeinden im Bregenzerwald. Sowohl im Bregenzerwald als auch in Lustenau werden ab Dienstag sämtliche Oberstufenklassen wieder im Distance-Learning geführt – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.
Für die Talschaft Bregenzerwald mit rund 32.000 Einwohnern gilt seit 20. April eine Ausreisetestpflicht. Sie wurde zunächst für eine Woche angesetzt, wird aber verlängert, da sich das Infektionsgeschehen nicht beruhigt hat – im Gegenteil: Bis Sonntagabend waren im Bregenzerwald 316 Coronavirus-Infektionen bekannt, deutlich mehr als zu Beginn der Ausreisetestpflicht.
Noch genügend Kapazitäten auf Intensivstationen
In einigen Orten stiegen die 7-Tage-Inzidenzen über die 1.000er-Marke. Bei 64 der 316 Infizierten handelte es sich um Minderjährige. Ähnlich präsentierte sich die Lage in Lustenau, auch dort ist der Anteil der Minderjährigen hoch. Ausgangspunkt für die Häufung soll ein großer Cluster in einer Spielgruppe gewesen sein.
Keine Auswirkungen haben die stark gestiegenen Infektionszahlen vorerst auf die Fortführung der Modellregion Vorarlberg. Die Landesregierung betont immer wieder, daran festhalten zu wollen, solange die Intensivkapazitäten nicht an ihre Grenzen stoßen. Die Zahl der Intensivpatienten lag in Vorarlberg am Montag bei acht, 23 Intensivbetten waren noch frei. Allerdings ist bekannt, dass steigende Infektionen erst mit zwei bis drei Wochen Abstand auf die Intensivstationen durchschlagen.
Bei 7-Tage-Inzidenz weit vor anderen Bundesländern
Die 7-Tage-Inzidenz, bei der Vorarlberg mit einem Wert von 239 deutlich über allen anderen Bundesländern liegt, habe als Hauptkriterium zur Lagebeurteilung ausgedient, hieß es von der Landesregierung. Zum Start der Öffnung lag der Wert in Vorarlberg bei 66 und war damit deutlich niedriger als in allen anderen Bundesländern.
Man müsse auch die Lage auf den Intensivstationen, den Impffortschritt und die Zahl der Tests, aber auch die wirtschaftliche Situation und die Bereitschaft der Bürger, die Maßnahmen mitzutragen, einbeziehen. Ansteckungen passierten vorwiegend im privaten Bereich, hieß es.
Auf diese Punkte verwies auch Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) im ZIB2-Interview am Montagabend. Um einer Verlagerung von Treffen in den privaten Bereich entgegenzuwirken, könnte seiner Ansicht nach eine Ausdehnung der Sperrstunde sinnvoll sein. Aktuell liegt diese bei 20.00 Uhr.
Wallner zu neuen Verschärfungen
Vorarlberg – Modellregion für großflächige Öffnungen – kämpft mit stark steigenden Infektionszahlen. In der ZIB2 ist dazu Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP).
Der Coronavirus-Berater der Landesregierung, Armin Fidler, führte die steigenden Infektionszahlen in den „Vorarlberger Nachrichten“ auf die Ausbreitung der „britischen Variante“ des Virus zurück, die in Vorarlberg vor der Öffnung kaum präsent war, sowie auf regionale Cluster. „Die Öffnung per se hat nicht zu einer höheren Fallzahl geführt“, unterstrich der Experte gegenüber der APA.
Kurz sieht „positive Entwicklung“
In der Haltung unterstützt wurde Vorarlberg am Montag von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). In einem in ORF Radio Vorarlberg gesendeten Interview bewertete er die Entwicklung in Vorarlberg als „sehr, sehr positiv“. Er hätte sich einen wesentlich schnelleren Anstieg der Infektionszahlen erwartet, sagte er. Die Ansteckungszahlen befänden sich auf einem Niveau wie in anderen Bundesländern bei rund 60 Prozent mehr an Testungen. Darüber hinaus gebe es in Vorarlberg kein Kapazitätsproblem in den Spitälern. Außerdem teste Vorarlberg mehr als andere Länder: „Wer weniger testet, findet natürlich auch weniger Fälle.“
Klimek: „Wer öffnet, geht mit den Zahlen nach oben“
Für Prognoserechner Peter Klimek taugt Vorarlberg allerdings nicht als Vorbild. Es zeige sich, dass die Teststrategie bei der derzeitigen Durchimpfungsrate und Wetterlage noch nicht ausreicht, um den Anstieg der Infektionen zu verhindern. „Wer öffnet, geht mit den Zahlen nach oben“, sagte Klimek gegenüber der APA. „Vorarlberg kann es sich leisten, weil es eine kleinere Region ist.“ Eine Großstadt wie Wien könne aber nicht so „pokern“.
Außerdem sei die Ausgangslage in Vorarlberg, eine Wocheninzidenz von 66 und kaum Intensivpatienten, vergleichsweise gut gewesen. Für die geplante österreichweite Öffnung gilt aus Klimeks Sicht daher, dass vorher alle maßgeblichen Kennzahlen sinken müssen. Und: „Die Öffnungsschritte müssen so dosiert sein, dass diese Entwicklung so bleibt.“ „Wenn die Teststrategie unverändert bleibt, dann heißt ein Anstieg bei den positiv Getesteten auch, dass die Dunkelziffer ansteigt“, sagte Klimek im Ö1-Mittagsjounal.
Keine Begleitforschung
Das Mittagsjournal berichtete auch, dass entgegen anderslautenden Ankündigungen die Öffnungsschritte nicht wissenschaftlich begleitet werden. Auch zusätzliche Daten für Forscherinnen und Forscher gibt es daher nicht.
Experten hatten angesichts des Vorarlberger Beispiels schon vorige Woche davor gewarnt, die geplanten Öffnungen bedingungslos am 19. Mai durchzuziehen. „Das Modell ist meiner Meinung nach kein Erfolg“, warnte am Montag im „Standard“ auch der Mikrobiologe Michael Wagner. Die Regierung gehe mit der umfassenden Öffnung Mitte Mai ein „unnötiges Risiko ein, das in einem nochmaligen Lockdown enden kann“.