Xenia Hausner, Pure Cool, 2016
Dr. Dorothee Ritz
Veranstaltungen

Lockdown-Ende erweitert Kulturangebot

Die Konzerthäuser, Theater, Kinos und Opernhäuser sollen ab 19. Mai unter strengen CoV-Schutzmaßnahmen wieder bundesweit öffnen dürfen. Nun heißt es also „geimpft“, „genesen“, „getestet“ statt „abgesagt“ und „verschoben“. Während in großen Teilen Österreichs die Museen bereits wieder zugänglich sind, öffnen ab Montag auch in Wien zahlreiche Ausstellungen. ORF.at bietet einen ersten Überblick.

Nach den Lockdowns, Teilöffnungen und erneuten Schließungen der vergangenen Monate reagierten die Kulturinstitutionen und Veranstalter größtenteils erleichtert und optimistisch auf die am Freitag kommunizierte Aussicht, ab 19. Mai wieder unter strengen Auflagen den Betrieb aufzunehmen.

Aktuell kann man beispielsweise bereits in Graz die Eröffnungsausstellung der vergangene Woche mit neuem Namen und Konzept relaunchten „Halle für Kunst Steiermark“ besuchen. „Europa: Antike Zukunft“ nähert sich mit Arbeiten von unter anderen Jutta Koether, James Welling und Franz West der politischen Idee des vereinten Europas und seiner Nationalismen an.

Ausstellungsreigen: Rassismus, Klima und Feminismus

In Salzburg lädt das Museum der Moderne seit letzter Woche zu „This World Is White No Longer“, einer kritischen Reflexion zu Rassismus, Xenophobie und Exklusion ein. Dort ist beispielsweise Adrian Pipers Medieninstallation „Black Box / White Box“ ausgestellt, welche die Polizeigewalt gegenüber Rodney King im Jahr 1992 thematisiert. Auch die investigative Künstlergruppe Forensic Architecture ist mit der Videoarbeit „Border Violence Across the Evros/Meric River“ vertreten, die Übergriffe auf Flüchtlinge am griechisch-türkischen Grenzfluss untersucht.

Xenia Hausner, Crime Map, 2010
Privatsammlung, Schweiz
Xenia Hausner ist in der Albertina mit „True Lies“ eine Retrospektive gewidmet

Wien befindet sich bis zum 2. Mai im verlängerten, harten Lockdown. Für die Tage danach stehen etliche Ausstellungseröffnungen und Wiederaufnahmen auf dem Programm. So kann etwa die Albertina die Schau „Stadt und Land. Zwischen Traum und Wirklichkeit“ wieder zugänglich machen, die vor dem Lockdown nur wenige Tage zu sehen war. Dort kann man den Wandel der Wirklichkeitswahrnehmung von Dürer über Bruegel und Tizian bis hin zu Cezanne, Klee, Kubin und Schiele über die Jahrhunderte verfolgen.

Mit „Xenia Hausner. True Lies“ wird eine Ausstellung zu einer der wichtigsten österreichischen Gegenwartskünstlerinnen mit Arbeiten von den 1990er Jahren bis zur aktuellsten Serie Hausners ebenfalls in der Albertina zu sehen sein. Das MAK startet mit einer großangelegten Schau zu den Frauen der Wiener Werkstätte und präsentiert darüber hinaus die Ausstellung „Klima-Kultur“ des Breath Earth Collective, das die Klimakrise als „gesamtgesellschaftliche Gestaltungsaufgabe“ versteht, der man mit einem Ansatz begegnen müsse, der „über Design- und Architektur-Aufgaben hinausgeht“.

Wieder Licht auf der großen Leinwand

Abseits der Museen beginnt sich abzuzeichnen, wie die Kinos mit den in Aussicht gestellten Öffnungsschritten ab dem 19. Mai umgehen könnten. Während es für große Kinoketten durchaus schwierig werden könnte, betriebswirtschaftlich sinnvoll zu öffnen, da noch nicht absehbar ist, ob der Verleih für Filme mit großer Publikumswirksamkeit stattfinden wird, falls die deutschen Kinos geschlossen bleiben, tun sich kleine Programmkinos mitunter leichter.

Von Michael Loebenstein, dem Direktor des Filmmuseums Wien, war jedenfalls auf Twitter zu lesen, dass dieses „am ersten möglichen Tag“ aufsperren werde. Auch von Filmfestivals gab es optimistische Signale. Die Diagonale 2021 wird, so hieß es in einer Aussendung, „entlang eines strengen Covid-19-Sicherheitskonzeptes von 8. bis 13. Juni 2021 in Graz stattfinden“. Man darf sich auf 110 aktuelle österreichische Filme und die hierzulande erste Gesamtretrospektive Jessica Hausners freuen.

Ab 27. Mai wird das internationale Kurzfilmfestival Vienna Shorts neben Streamingprogrammen „aus heutiger Sicht“ auch die für das Wiener Stadtkino vorgesehenen Programmpunkte indoor verwirklichen können, wie Festivalleiterin Doris Bauer am Dienstag gegenüber ORF.at bestätigte. Zu sehen sein werden 90 Filme aus 34 Ländern.

Freiluftkino
Getty Images/Mats Silvan
Ab 19. Mai soll wieder Outoor- und Indoor-Kino stattfinden können. Festivalveranstalter zeigen sich erleichtert.

Das Linzer Filmfestival Crossing Europe findet von 1. bis 6. Juni statt. Zu den Highlights des Programms zählt die Österreich-Premiere der Doku „Hinter den Schlagzeilen“ über die Reporter der „Süddeutschen Zeitung“, die die „Ibiza-Affäre“ aufgedeckt haben. Crossing Europe, die Diagonale und Vienna Shorts arbeiten heuer enger zusammen. Das hat die Konsequenz, dass bei Überschneidungen in der Programmauswahl der Premierenstatus parallel geführt wird. Das betrifft zehn Filme, darunter den „dystopischen Slapstick“ – so die Beschreibung von Regisseur Norbert Pfaffenbichler – „2551.01“ und die Detroit-Doku „Motorcity“ von Arthur Summereder.

Neues auf den Bühnenbrettern

Die aktuelle Burgtheater-Produktion von Shakespeares „Richard II“ in der Regie von Johan Simons konnte bereits als „Vorpremiere“ in Kooperation mit den Bregenzer Festspielen in Vorarlberg gastieren. Jetzt, wo ein voraussichtlicher Öffnungstermin am 19. Mai feststeht, hat das Burgtheater acht Premieren angekündigt. Darunter etwa Thomas Bernhards „Die Jagdgesellschaft“ in der Regie von Lucia Bihler und die Uraufführung des Ludwig-Wittgenstein-Stücks „Alles, was der Fall ist“ von Dead Centre sowie das Stück für Kinder ab acht Jahren „Mein seltsamer Freund Walter“ von Sybille Berg.

Alle Vorführungen finden aber in den kleinen Spielstätten Akademietheater und Vestibül statt. In der Spielstätte Burgtheater beginnen nämlich ab Mitte Mai Baumaßnahmen im Zuschauerraum. Die Sanierung ist laut Homepage des Burgtheaters notwendig, um pünktlich im September zur neuen Saison wieder öffnen zu können.

Roscic: Spielplanprogrammierung „Gewaltakt“

Auch die Staatsoper bereitet sich intensiv auf Aufführungen vor Publikum vor. Staatsoperndirektor Bogdan Roscic bezeichnete es am Mittwoch in einer Pressekonferenz als „Gewaltakt“, den Spielplan ab 19. Mai zu programmieren, nicht nur, weil Sängerinnen und Sänger zum Teil bereits in anderen Opernhäusern engagiert sind, auch die Signale von Bund und Stadt Wien seien höchst unterschiedlich: „Die Nachrichten und die Informationslage, was Wien betrifft, was unsere Möglichkeiten im Mai betrifft, könnten nicht herausfordernder sein“, so Roscic.

Aufgrund der knappen Vorlaufzeit wird das Programm für die erste Spielwoche ab 19. Mai noch überarbeitet. Was in dieser ersten Woche erhalten bleiben soll, ist die Premiere von Monteverdis „L’incoronazione di Poppea“ in der Regie von Jan Lauwers mit dem Concentus Musicus Wien unter Pablo Heras-Casado am 22. Mai.

Die Wiener Volksoper fährt die Maschinen ebenfalls wieder hoch und wird mit 19. Mai in den Spielbetrieb starten. Insgesamt plant das Haus am Gürtel bis Ende Juni vier Premieren, zwei Wiederaufnahmen und zwei Repertoireproduktionen, wie man am Mittwoch ankündigte. Die Operette läutet im Fall der Fälle jedenfalls die Nachschließzeit ein, wenn Franz von Suppes „Der Teufel auf Erden“ in der Regie von Hinrich Horstkotte am 19. Mai Premiere feiert.

Fragezeichen bei Musikfestivals

Besonders schwierig wird die Öffnung wohl für Konzertsäle und -veranstalter. Für Großevents sollen maximal 1.500 Personen indoor und 3.000 Personen Outdoor bei entsprechender Testung oder Impfung zugelassen werden, allerdings nur maximal 50 Prozent der Sitzplätze dürften vergeben werden. Konzerthaus-Chef Matthias Naske meinte in einer ersten Reaktion, das Wiener Konzerthaus werde am ersten Tag, an dem es möglich ist, wieder aufsperren. Zudem werde die Saison bis Ende Juli verlängert.

Auch der Wiener Musikverein verlängert seine Saison bis Ende Juli. 180 Konzerte seien bis dahin im Haus geplant, teilte Intendant Stephan Pauly am Mittwoch mit. Den Auftakt am 19. Mai gestalten unter anderen das Linzer Torten Orchester unter dem Motto „Im Wilden Westen“ respektive das Gustav Mahler Jugendorchester unter Daniele Gatti mit Symphonien von Mendelssohn Bartholdy und Beethoven. Zu den geplanten Höhepunkten der kommenden Monate gehört dann ein Zyklus aller Beethoven-Klaviersonaten mit Daniel Barenboim, der ursprünglich bereits in der Vorsaison vorgesehen war und nun am 20. Mai starten soll.

Für Musikfestivals sind diese Regelungen teilweise wohl trotzdem zu rigide, um eine wirtschaftlich sinnvolle Planung zu gewährleisten. So hatte Barracuda-Music-Chef Ewald Tatar schon bekanntgegeben, das das Nova-Rock-Festival in Nickelsdorf auch heuer nicht stattfinden könne. Für das ebenfalls von Barracuda Music veranstaltete FM4-Frequency Festival in St. Pölten bestehe aber noch „ein bisschen Hoffnung“, so Tatar gegenüber der APA. Da habe man noch etwas Zeit, um die Entwicklungen in der Coronavirus-Krise abzuwarten. In einigen Wochen werde man dann entscheiden, ob im August ein Festival über die Bühne gehen könne, sagte Tatar.

Wie sicher das Datum des 19. Mai für die Öffnungen ist, steht für alle Kulturinstitutionen und Veranstalter in Wien allerdings ohnehin nicht fest. Bei der Pressekonferenz zum Ende des harten Lockdowns betonte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Dienstag, dass er eine generelle Öffnung für sehr schwierig halte. „Ich bin bei der Öffnung in der Gruppe Sicherheit. Von daher werde ich bei allem Verständnis für wirtschaftliche Herausforderungen die Gesundheit der Menschen immer im Vordergrund sehen", so Ludwig. Wie es ab 19. Mai weitergehen könne, wolle er nächste Woche erneut in einem Expertengespräch diskutieren.