Wollte man die originale Karte zeigen, hätte man auf acht Meter Höhe starten müssen. Die Lithografie, geschaffen zwischen 1862 und 1867 vom Hydrotechniker und k. k. Ministerialbeamten Florian von Pasetti, zeichnete erstmals im riesigen Format ein realistisches Bild der Donau „innerhalb der Gränzen des österreichischen Kaiserstaates“.
Die Biegungen und Windungen des Flusses waren zuvor stets abgeflacht dargestellt worden. Um ihnen beizukommen, hatte Pasetti ein kompliziertes Faltsystem entwickelt. Im beeindruckenden Ambiente des ÖNB-Prunksaals beschränkt man sich nun räumlich bedingt auf eine eingeebnete Reproduktion, die den gesamten hinteren Saalabschnitt ausfüllt.
Die Karte ist das passende Herzstück der kleinen, wie immer vor allem über Vitrinentische erzählten Schau. Angereichert mit vielen Details zur Uferbeschaffenheit und Schiffbarkeit, leistete Pasettis Werk wichtige Vorarbeit für die großen Regulierungsmaßnahmen um 1870, die den buchstäblich einschneidendsten Moment in der Flussgeschichte darstellten.
Identitätsstiftende Bedeutung
„Donau. Eine Reise in die Vergangenheit“ lautet der schlichte Titel der Ausstellung, die mit historischen Zeitdokumenten vor allem aus den eigenen Beständen punkten kann. Im großen, manchmal sehr kursorischen Bogen geht es durch die Geschichte des 2.888 Kilometer langen Stroms, der als einziger zehn Länder durchfließt und vier Hauptstädte an seinen Ufern zählt.
Johanna Rachinger, die Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek, dazu im ORF.at-Gespräch: „Die Grundidee war, dass wir die ganze Vielfalt der geografischen und kulturhistorischen Wandlungen der Donau im Laufe der Geschichte darstellen.“ Die Wahl des Themas sei auch aufgrund der „identitätsstiftenden Bedeutung“ des Stroms für den gesamten mitteleuropäischen Raum getroffen worden, so Rachinger.
Dass die Donau in der Menschheitsgeschichte immer schon wichtig war, darauf verweist zum Auftakt eine exemplarische Fotografie der Venus von Willendorf. „An der Donau liegen Europas zentrale archäologische Fundstätten“, erzählte die Kuratorin Elisabeth Zeilinger, die gemeinsam mit dem Historiker Hans Petschar die Schau gestaltet hat. Frühe Kulturen hätten die Donau als Nahrungsquelle genutzt, ihre Ufer galten als vergleichsweise gut passierbares Terrain.
Nur drei Holzbrücken in Ostösterreich
Dass die Donau sowohl für Verbindung als auch für Trennung stand, daran erinnert ein Kupferstich der Regensburger Brücke von 1146. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war die bayrische Konstruktion der einzige steinerne Verbindungsweg. Im gesamten Gebiet von Wien, Ober- und Niederösterreich gab es nur drei Holzbrücken, die immer wieder den reißenden Fluten der Hochwasser bzw. Eisstößen zum Opfer fielen, wie etwa der Reiseschriftsteller Johann Georg Kohl 1854 festhielt: „Es ist dann zuweilen fast unmöglich, aus dem nördlichen Lande in das südliche hinüberzukommen und die beiden Theile Niederösterreichs werden zeitweise weiter auseinander gehalten, als durch eine Meerenge.“
Bei guten Bedingungen behalf man sich zudem mit Furten – also der Passage von nicht so stark eingetieften Stellen der Donau –, mit ausgeklügelten Fährverbindungen und Schiffsbrücken, wie hier etwa auf Radierungen von Bratislava und Budapest dokumentiert ist.
Vorbild Sueskanal
Bereits ab 1715 gab es Überlegungen zur Regulierung des für die Habsburger Monarchie zentralen Verkehrswegs. Die „Vollregulierung“ der Donau bei Wien startete schließlich 1870, zusätzlich befeuert durch den Wunsch, den Strom stärker an die Kaiserstadt zu binden, weil sich dieser im Lauf der Zeit sukzessive Richtung Norden verlagert hatte.
Ausstellungshinweis
Die Donau. Eine Reise in die Vergangenheit. Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek, dienstags bis sonntags, 10.00 bis 18.00 Uhr, bis 7. November 2021. Zur Ausstellung ist eine Begleitpublikation erschienen.
Als technisches Vorbild diente damals der Sueskanal. Das Flussbett wurde in Trockenbauweise errichtet und nach der Fertigstellung geflutet, was durchaus für Gesprächsstoff sorgte: „Man war sich nicht sicher, aber es hat gut funktioniert“, so Zeilinger dazu. Von den Regulierungsmaßnahmen und der Entschärfung gefährlicher Stromschnellen profitierten sowohl Handel als auch Tourismus.
Die Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft stieg 1880 mit 220 Dampfschiffen und 1.000 Lastkähnen zur größten Binnenreederei der Welt auf. „Der Champagner knallte und es duftete nach Beefsteak“, beschrieb Hans Christian Andersen 1847 die teils luxurösen Bedingungen der Schiffsreisen, deren Popularität zahlreiche Reiseführer belegen.
Von Johann Strauß bis Peter Handke
Mit Begriffen wie „Imaginationsraum“ und „Inspirationsquelle“ nähert sich die Ausstellung dem Motiv „Donau“ in Musik, Literatur und Malerei. Neben dem Erstdruck von Johann Strauß‘ „An der schönen blauen Donau“ zeigt man Typoskripte von Ingeborg Bachmanns „Malina“, H. C. Artmanns und Gerhard Rühms „Donauweibchen“ und Peter Handkes umstrittenen Roman „Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien“.
Einen kurzen Auftritt hat schließlich noch die berühmte, für die heimische Ökologiebewegung zentrale Besetzung der Stopfenreuther Au 1984 mit einem Plakat von Friedensreich Hundertwasser: „Hainburg. Die freie Natur ist unsere Freiheit“. Erst zwölf Jahre später 1996 sollte der Nationalpark Donau-Auen gegründet werden, der heute zu den größten intakten Auenlandschaften in Mitteleuropa zählt. Nicht zuletzt die Europäische Sumpfschildkröte und der Graureiher, zu sehen auf Aquarellen aus dem 19. Jahrhundert, wissen das zu danken.