Die Türkei war recht gut durch die erste Infektionswelle gekommen, inzwischen hat sich das Blatt aber gewendet. Die Regierung hatte bisher versucht, die Zahlen durch verschiedene Beschränkungen unter Kontrolle zu halten, zuletzt mussten zu Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan Mitte April bereits Cafes und Restaurants schließen.
Das reichte aber nicht: Am Dienstag lag die offizielle Zahl der Neuinfektionen bei rund 43.000 Fällen bei rund 84 Mio. Einwohnern. Präsident Recep Tayyip Erdogan verkündete daher nun einen vollständigen Lockdown, der bis zum 17. Mai dauern soll.
Strenge Einschränkungen
Alle für den Grundbedarf nicht nötigen Geschäfte schließen, die Menschen dürfen nur noch aus triftigen Gründen wie etwa zum Einkaufen auf die Straße. Dazu öffnen Supermärkte zu bestimmten Tageszeiten außer sonntags. Reisen zwischen Städten sind nur mit Ausnahmegenehmigung möglich. Der Verkauf von Alkohol ist zudem verboten, was schon im Vorfeld für scharfe Kritik gesorgt hatte.
Die Maßnahmen führten schon in den Tagen zuvor zu unterschiedlichen Reaktionen: Manche Menschen versuchten laut BBC, sich rechtzeitig mit Alkohol einzudecken. Viele andere wollten noch aus der Millionenmetropole Istanbul heraus, bevor die Beschränkungen galten. Am Dienstag und Mittwoch bildeten sich Staus in Richtung der beliebten Küstenabschnitte, auch auf Flughäfen und Busbahnhöfen herrschte reger Betrieb.
„Das ist jetzt nicht die Zeit, um Ferien zu machen“, sagte Professor Mustafa Necmi Ilhan von der Gazi-Universität in Ankara zur englischsprachigen „Hürriyet Daily News“. Er appellierte an die Menschen, den Lockdown nicht als Möglichkeit zu betrachten, Urlaub zu machen. Das würde nur die Infektionszahlen in die Höhe treiben, so Ilhan.
„Es ist von Vorteil, Tourist zu sein“
Die für die Türkei so wichtige Reisebranche ist neben dem Bausektor allerdings von den Beschränkungen großteils ausgenommen. Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftszweig in der Türkei, der unter der Pandemie leidet. Im vergangenen Jahr kamen nach offiziellen Angaben rund 70 Prozent weniger Besucher ins Land als noch 2019. Nun will man vor allem die Sommersaison retten.
Tourismusminister Mehmet Nuri Ersoy warb am Dienstag aber auch dafür, die Türkei jetzt schon zu bereisen. Touristinnen und Touristen könnten sich trotz Beschränkungen frei bewegen. „Unsere meistbesuchten und wichtigen Museen und archäologischen Stätten bleiben geöffnet“, sagte er nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. „Sie sind sowohl offen als auch noch viel angenehmer. In gewisser Hinsicht ist es in der Türkei von Vorteil, Tourist zu sein“, sagte Ersoy.
Impfstoff in Russland bestellt
Gleichzeitig mit dem Lockdown will die Türkei auch die Impfzahlen stark steigern. Bisher erhielten rund 13,5 Millionen Menschen eine erste Impfung und neun Millionen zwei Impfdosen. Doch die Türkei sicherte sich bisher nur eine vergleichsweise kleine Menge von 4,5 Millionen Dosen des Biontech-Pfizer-Impfstoffs, zudem verzögerte sich die Lieferung von 100 Millionen bestellten Impfstoffdosen aus China. Am Mittwoch bestellte das Land 50 Millionen Dosen des russischen Impfstoffs „Sputnik V“. Die ersten Lieferungen werden für Mai erwartet.
Mobile Teams sollen Überzeugungsarbeit leisten
Zudem sollen mobile Teams die Impfung bewerben und die Menschen überzeugen. Gesundheitsminister Fahrettin Koca lobte kürzlich die Arbeit der Teams, die in steigenden Impfzahlen resultiere. „Das ist aber nicht der einzige Grund, die Menschen sehen auch die positiven Effekte der Impfungen. Sie sehen, dass auch Infizierte dadurch mildere Symptome haben“, so Koca. Um die Impfkampagne zu beschleunigen, ordnete Koca auch an, den Abstand zwischen der Erst- und Zweitimpfung mit dem Präparat von Biontech und Pfizer von vier auf sechs Wochen zu verlängern.
Der Lockdown in der Türkei ist dennoch nötig, das Ziel ambitioniert: Präsident Erdogan gab das Ziel aus, die Zahl der Neuinfektionen unter 5.000 Fälle pro Tag zu drücken.