Medizinerin und viele Menschen in einem Warteraum in Malawi
AP/Thoko Chikondi
Lage in Indien

Auslöser für Furcht in Afrika

Heillos überfüllte Spitäler, laufend vergrößerte Krematorien und fehlender Impfstoff – die Pandemielage in weiten Teilen Indiens scheint außer Kontrolle. In Afrika wächst deswegen die Furcht: Das in vielen Ländern ebenso fragile Gesundheitssystem könnte auch zusammenbrechen, warnte die Gesundheitsbehörde Africa CDC. Das liegt einerseits an ähnlich schwachen Strukturen – andererseits an der indischen Impfstoffproduktion.

Der afrikanische Kontinent, mit insgesamt ungefähr der gleichen Bevölkerung wie Indien und fragilen Gesundheitssystemen, „muss sehr, sehr gut vorbereitet sein“, da Ähnliches wie in Indien auch in Afrika passieren könnte, sagte John Nkengasong zuletzt. Nkengasong ist der oberste Gesundheitsbeamte Afrikas und steht den Africa CDC (Zentren für Krankheitsbekämpfung und Schutzmaßnahmen) vor. Dabei handelt es sich um eine Institution der Afrikanischen Union (AU).

Doch scheitert die wirkungsvollste Maßnahme in afrikanischen Ländern derzeit ausgerechnet an Indien und der dortigen medizinischen Versorgungskrise. Hintergrund: Die Impfstoffversorgung der meisten afrikanischen Länder hängt stark von Indien ab – das Land ist der weltweit größte Produzent von Impfstoffen. Dessen Serum Institute of India in der Metropole Pune im Westen des Landes stellt etwa den Impfstoff von AstraZeneca her.

Medzinisches Fachpersonal im Serum Institute of India in der Metropole Pune
APA/AFP/Punit Paranjpe
Das Serum Institute of India ist der (nach den produzierten Dosen) weltgrößte Hersteller von Impfstoffen

17 Mio. Stiche auf dem gesamten Kontinent

Dieser Impfstoff wird im Rahmen der UNO-Initiative COVAX verteilt, die ärmere Länder mit Impfdosen versorgen soll. Das aufgrund der Knappheit im eigenen Land verhängte Exportlimit Indiens für Impfstoffe „hat die Vorhersehbarkeit der Einführung von Impfprogrammen stark beeinträchtigt“, so Afrikas höchster Gesundheitsbeamter Nkengasong. Dieses Problem werde auch noch in den kommenden Wochen und vielleicht auch Monaten bestehen.

Darüber hinaus ist die Impfrate in den Ländern auf dem afrikanischen Kontinent äußerst niedrig: Gerade einmal 17 Millionen Impfdosen wurden laut den offiziellen Angaben der Africa CDC insgesamt für eine Bevölkerung von etwa 1,3 Milliarden Menschen verabreicht. Matshidiso Moeti, Afrikadirektorin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), sagte, man sei nun „sehr besorgt über die Verzögerungen, die bei der Verfügbarkeit von Impfstoffen auftreten“.

Kampf gegen die „Lücke“

Die ugandische Expertin Phionah Atuhebwe, auch für die WHO tätig, bezeichnete die Verzögerung als „ziemlich verheerend“ und führte eine entstandene „Lücke“ ins Treffen. Auf jene Staaten, die die ersten Impfdosen via COVAX bekommen haben, würde ein Versorgungsproblem im Mai bzw. im Juni zukommen. Länder mit überschüssigen Dosen sollten deshalb „ihren Teil beitragen“, so Atuhebwe – und meinte damit reichere Industriestaaten.

Ein unerwarteter Impfstoffspender ist die Demokratische Republik (DR) Kongo – das Land will 1,3 der von COVAX gelieferten 1,7 Millionen Dosen an andere Länder verteilen. Laut UNICEF-Angaben laufen die entsprechenden AstraZeneca-Dosen am 24. Juni ab. Das Land selbst ist an der Verteilung der Dosen und am Aufbau einer Infrastruktur gescheitert, auch gäbe es in der DR Kongo laut Expertinnen und Experten eine starke Zurückhaltung, sich impfen zu lassen.

Zwei Mediziner und eine Frau während eines Covid-Tests
Reuters/Luc Gnago
Eine Frau beim CoV-Test in der ivorischen Metropole Abidjan – die WHO beklagt aktuell eine sinkende Testbereitschaft in Afrika

Lob für „weise“ Entscheidung

Ghana, Senegal, Togo, Angola, Madagaskar und die Komoren gehören zu den möglichen Empfängern der kongolesischen Charge, heißt es. Das WHO-Regionalbüro für Afrika lobte die DR Kongo für die Entscheidung: Es sei „sehr weise von der Regierung, diese Einschätzung zu treffen“, im Wissen, dass man im eigenen Land ein lückenhaftes Gesundheitssystem habe.

Um das Schicksal Indiens zu vermeiden, müssten alle nur möglichen Maßnahmen getroffen werden, hieß es seitens der WHO. Problematisch sei auch, dass zuletzt die Testrate in einigen Ländern gesunken ist. Dabei war schon davor das Niveau nicht besonders hoch: Denn laut Africa CDC wurden auf dem gesamten Kontinent seit Pandemiebeginn lediglich 43 Millionen Tests durchgeführt. Zum Vergleich dazu: Allein in Österreich gab es bis dato gut 31 Millionen Tests.