Ukraine-Konflikt: Russischer Militärgeheimdienst im Visier

Die Vorwürfe gegen Russland, etwa an Explosionen in Waffenlagern beteiligt gewesen zu sein, häufen sich. Nach Tschechien nahm nun auch Bulgarien Ermittlungen gegen sechs russische Staatsbürger wegen Explosionen in Waffenlagern zwischen 2011 und 2015 auf.

Die bulgarische Staatsanwaltschaft sieht zudem mögliche Verbindungen zu „schweren Verbrechen, die in anderen Ländern begangen wurden“. Gemeint sind etwa die Explosion im tschechischen Waffendepot in Vrbetice im Jahr 2014 und der Giftanschlag auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal in Großbritannien vier Jahre später. Offiziere des russischen Militärnachrichtengeheimdienstes GRU, konkret die Spezialeinheit 29155, sollen involviert gewesen sein.

Explodiertes Munitionslager in Vrbetice
AP/CTK/Dalibor Gluck
Tschechien wirft Russland vor, an der Explosion des Munitionslagers in Vrbetice beteiligt gewesen zu sein

„Neue Giftstoffe“

Die Explosion in Vrbetice sei nur ein Beispiel für eine Reihe von Aktivitäten der GRU in Europa nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs 2014, heißt es von der Rechercheplattform Bellingcat. Im Schatten der Kampfhandlungen an der Front führte der russische Militärgeheimdienst seinen Krieg. Zur Zielscheibe der GRU wurden Munitionslager in Tschechien und Bulgarien sowie Waffenhändler wie etwa der Bulgare Emilian Gebrew, der die Ukraine im Kampf gegen prorussische Separatisten im Donbass unterstützte.

Gebrew als Waffenhändler wird mit dem zerstörten Waffenlager in Vrbetice in Verbindung gebracht. Wenige Monate nach der Explosion entging Gebrew 2015 nur knapp einem Giftanschlag. Ein finnisches Labor, das Gebrew privat mit der Analyse beauftragt hatte, stellte eine „nicht identifizierbare" Substanz fest. „Damals wusste in Europa niemand, dass Russland weiterhin neue Giftstoffe entwickelt“, erzählte der auf Russland spezialisierte Journalist Christo Grosew der Rechercheplattform Bellingcat gegenüber dem ORF. Laut Bellingcat gibt es einen Cluster von Instituten, die in kleinen gut vernetzten Teams an der Entwicklung chemischer Waffen arbeiten.

„Geheimdienste wissen wenig über GRU“

Man sehe immer mehr, „wie wenig die europäischen Geheimdienste über die Aktivitäten von der GRU wissen“, sagte Grosew. Die sicherheitspolitischen Gefahren für Europa würden enorm unterschätzt. Das Problem sei, dass nach wie vor die Methoden des Kalten Krieges zum Einsatz kämen. Viele Entwicklungen seien verschlafen worden.

Besonders in ehemaligen kommunistischen Ländern wie Bulgarien seien die Defizite groß. Nach der Wende habe es keinen wirklichen Wechsel der Mitarbeiter des Verteidigungsministerium und der Geheimdienste gegeben. Grosew: „Ein riesiges Versäumnis aus heutiger Perspektive.“ Ein Großteil der Menschen, die früher mit den kommunistischen Strukturen arbeiteten – etwa mit dem Militärnachrichtendienst – und dort eingeschult wurden, sind heute kurz vor dem Ruhestand bzw. Trainer der Jüngeren.

Maulwürfe für Russland

Auf diese Weise pflege Russland seine Einflusskanäle. „Sie sind die Kontakte des russischen Militärgeheimdienstes", erklärte Grosew. In Bulgarien funktioniere das nach dem System: Rekrutiere den Recruiter. „Oft machen das altgediente Geheimdienstler nicht aufgrund des Geldes, sondern aus ideologischer Überzeugung", meinte Grosew. Erst kürzlich wurde dazu ein Fall in Bulgarien bekannt.

Ein Recruiter organisierte Maulwürfe für Russland. Für die von ihm rekrutierten jüngeren Kollegen wurden mit Russland Honorare ausgehandelt. Er selbst verlangte für sich kein Honorar. Das diene der Wiederherstellung der Sowjetunion, lautete sein Argument.