Polizei nimmt Teilnehmer der Maifeiern fest
Reuters/Umit Bektas
1. Mai

Demos und Festnahmen in vielen Städten

Proteste und Kundgebungen am 1. Mai haben heuer in zahlreichen Städten wieder zu gewaltsamen Zusammenstößen geführt. In Istanbul wurden über 200 Menschen festgenommen, in Paris setzte die Polizei Tränengas ein. In Deutschland kam es zu Ausschreitungen, eine Demo in Berlin wurde aufgelöst. Auch in Wien kam es zu Festnahmen.

Die Lage im Sigmund-Freud-Park vor der Votivkirche in Wien-Alsergrund eskalierte laut Polizei vorübergehend. Es habe einen Angriff auf die Exekutive gegeben, daraufhin sei Pfefferspray eingesetzt worden. Am frühen Abend habe sich aber alles wieder beruhigt. Demoteilnehmerinnen und -teilnehmer berichteten mit Videos und Fotos in den Sozialen Netzwerken von übermäßiger Polizeipräsenz und Gewalt gegen Demonstrierende.

Bis zu 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Kundgebung aus Ottakring versammelten sich laut Polizei vor der Votivkirche. Jedoch saßen an dem sonnigen Tag auch einige weitere Menschen auf der Wiese des Parks, auch eine Fahrraddemonstration fand in Wien statt.

Einige Demoteilnehmer versuchten, die Gerüste der Renovierungsarbeiten bei der Votivkirche zu erklimmen, und brachten dort Transparente an. In Sozialen Netzwerken kursierten Videos, die zeigen, wie die Polizei versuchte, die Demo aufzulösen. die Polizei setzte auch Pfefferspray ein. Es kam zu Festnahmen.

Demos trotz Lockdowns in der Türkei

In der Türkei versuchten Demonstranten und Demonstrantinnen auf Istanbuls symbolträchtigen Taksim-Platz oder die angrenzende Istiklal-Straße zu gelangen. Wie „Cumhuriyet“ und andere Zeitungen berichteten, riegelte die Polizei zuvor jedoch Straßen, die zum zentralen Taksim-Platz führen, mit gepanzerten Fahrzeugen ab. Die Beamten gingen teilweise gewaltsam gegen die Demonstrierenden vor. Die Stadtverwaltung gab die Zahl der Festnahmen mit über 200 an.

Nach Angabe der Nachrichtenagentur Anadolu hatte die Polizei zuvor Gewerkschaftsvertretern und Oppositionspolitikern gestattet, mit Masken und Transparenten auf dem Taksim-Platz zusammenzukommen, Erklärungen abzugeben und begleitet von einer starken Polizeipräsenz einen Kranz niederzulegen. In anderen Städten soll die Polizei einige Journalisten daran gehindert haben, Proteste zu filmen.

Polizei nimmt Teilnehmer der Maifeiern fest
APA/AFP/Bulent Kilic
Die türkische Polizei hinderte Menschen daran, zum zentralen Taksim-Platz zu gelangen

Der Taksim-Platz ist seit Jahrzehnten alljährlicher Schauplatz von 1.-Mai-Demonstrationen. Immer wieder gibt es dort gewalttätige Zusammenstöße, seitdem am 1. Mai 1977 dort 34 Menschen getötet wurden. Heckenschützen hatten damals das Feuer auf eine Demonstration mit rund 500.000 Teilnehmern eröffnet. Bis heute ist unklar, wer die Täter waren. Der Platz ist bereits seit Jahren für Kundgebungen zum Tag der Arbeit gesperrt.

Seit Donnerstag gilt wegen steigender Infektionszahlen in der Türkei ein landesweiter Lockdown. Die Menschen dürfen bis zum 17. Mai nur noch aus triftigen Gründen wie etwa zum Einkaufen auf die Straße. Reisen zwischen Städten sind nur mit Ausnahmegenehmigung möglich. Der Verkauf von Alkohol ist zudem verboten, was schon im Vorfeld für scharfe Kritik gesorgt hatte. Die Türkei war recht gut durch die erste Infektionswelle gekommen, inzwischen hat sich das Blatt aber gewendet.

Maifeiern in Istanbul
AP/Emrah Gurel
In der Türkei dürfen die Menschen derzeit nur aus triftigen Gründen das Haus verlassen

Zehntausende in Frankreich auf den Straßen

Wegen der geltenden CoV-Maßnahmen gingen in Moskau ebenfalls nur einige hundert Menschen auf die Straße. In Manila, Hauptstadt der Philippinen, verhinderte die Polizei wegen des verlängerten Lockdowns laut dem Veranstalter einen Aufmarsch einiger hundert Demonstranten.

In Frankreich verlangten Zehntausende Menschen bei Mai-Aufmärschen soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit und protestierten gegen geplante Änderungen bei der Arbeitslosenunterstützung, meist ohne Zwischenfälle. In Paris versuchten jedoch Anhänger des linksextremen „Schwarzen Blocks“ laut Polizeiangaben, den Protestmarsch der Gewerkschaften durch die französische Hauptstadt zu blockieren.

Polizeieinsatz während des Maiaufmarschs in Paris
APA/AFP/Bertrand Guay
In Paris setzten Demonstranten Mistkübel in Brand

Demonstranten schlugen die Scheiben von Bankfilialen ein, setzten Mistkübel in Brand und bewarfen Polizisten mit Wurfgeschoßen, einige Polizisten wurden verletzt. Zu Zwischenfällen kam es auch in Lyon, insgesamt seien ein paar Dutzend Personen vorübergehend festgenommen worden, so die Polizei.

Maiaufmarsch in Paris
APA/AFP/Alain Jocard
Die meisten Demonstrationen in Frankreich verliefen ohne Zwischenfälle

Laut dem Gewerkschaftsverband CGT gab es landesweit fast 300 Kundgebungen zum 1. Mai, unter anderem in Lyon, Nantes, Lille und Toulouse. Laut CGT gingen mehr als 170.000 Menschen auf die Straße, davon 25.000 in Paris. Das französische Innenministerium sprach von mehr als 106.000 Teilnehmern, davon 17.000 in Paris.

Demos in vielen Teilen Deutschlands

Auch in Deutschland gab es zahlreiche Demos am 1. Mai. In Berlin versammelten sich Tausende Menschen, die zunächst friedlich demonstrierten. Der Protest sollte sich gegen Rassismus und Kapitalismus sowie die Mietenpolitik richten. Nach Angaben der Polizei wurden zuerst vereinzelt Böller auf die Sicherheitskräfte geworfen, einige Beamte wurden verletzt. Danach kam es zu massiven Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei.

Polizeieinsatz während des Maiaufmarschs in Berlin
APA/AFP/Tobias Schwarz
In Berlin wurde eine Demo vom Veranstalter selbst abgebrochen

Nachdem er selbst aus der Menge angegriffen wurde, erklärte der Versammlungsleiter am Abend die Demonstration schließlich für beendet, teilte die Polizei mit. Zuvor waren einzelne Blöcke des Demonstrationszugs durch die Polizei von der Demonstration ausgeschlossen worden. Grund waren laut Polizeiangaben Verstöße gegen Hygienevorschriften. Die Demoorganisatoren warfen der Polizei vor, den Zug in zwei Teile getrennt zu haben. Es sei grundlos auf Demonstrierende eingeprügelt worden.

Die „revolutionäre 1.-Mai-Demonstration“ mit rund 8.000 Teilnehmern wollte eigentlich von Neukölln nach Kreuzberg ziehen. Randalierer zerrten unterwegs Müllcontainer und Paletten auf die Straße und zündeten sie an. Auch ein Auto soll angezündet worden sein. Polizisten wurden angegriffen, als sie Störer aus der Menge ziehen wollten. Es gab zahlreiche Festnahmen, Polizisten setzten Pfefferspray ein.

Nach einer groben Schätzung hätten sich um die 30.000 Menschen auf den Straßen im Rahmen von Versammlungen bewegt, sagte Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Samstagabend. Es habe über den ganzen Tag verteilt rund 240 Festnahmen gegeben, sagte eine Sprecherin der Polizei. Es gab den ganzen Tag über einige Demos verschiedener Interessengruppen, darunter von rund 10.000 Kapitalismuskritikern auf dem Rad sowie rund 200 Menschen, die gegen die Pandemiemaßnahmen protestierten.

Proteste in Hamburg und Frankfurt

Auseinandersetzungen gab es auch in Hamburg und Frankfurt. In Hamburg löste die Polizei eine Demo von Hunderten Menschen mit Wasserwerfern auf. Die Menge hatte sich vor dem linksautonomen Zentrum Rote Flora versammelt, ohne den Mindestabstand zu beachten. Über den Tag verteilt stoppte die Polizei mehrere Demonstrationen von linken Gruppen.

Bei einer Demonstration linker Gruppen in Frankfurt setzte die Polizei auch Schlagstöcke ein. Aus dem Demonstrationszug seien Feuerwerkskörper und Nebeltöpfe geworfen worden, berichtete ein Polizeisprecher. Es gab Festnahmen und Verletzten auf beiden Seiten. Die Polizei sprach von mindestens 3.000 Menschen, die sich zu einem „Tag der Wut“ zunächst auf dem Opernplatz versammelt hatten und dann durch das Bahnhofsviertel zogen.