Bulgarien offenbar wieder vor Neuwahl

In Bulgarien zeichnet sich nur knapp einen Monat nach der Parlamentswahl eine Neuwahl ab. Die Sozialisten erklärten gestern, sollten sie am Mittwoch wie erwartet von Präsident Rumen Radew das Mandat zur Regierungsbildung erhalten, würden sie es umgehend zurückgeben. Es sei unmöglich, in der zersplitterten Parteienlandschaft eine Mehrheit zu bilden.

Zuletzt hatte schon die konservative Partei Gerb als Wahlsieger ihr Mandat zurückgegeben und die Anti-Establishment-Partei ITN als Zweitplatzierte erklärt, keine Regierung bilden zu wollen. Sollten die Sozialisten ihr Mandat zurückgeben, müsste Radew wohl eine Übergangsregierung einsetzen und Neuwahlen ausrufen. Wahrscheinlicher Termin dafür wäre der 11. Juli.

Borrisow umstritten

In Bulgarien steht – mit kurzer Unterbrechung – seit 2009 Bojko Borrisow von der Gerb an der Spitze der Regierung. Zwar konnte er die Staatsverschuldung eher gering halten und sorgte dafür, dass Bulgarien im „Warteraum“ für die Einführung des Euro sitzt.

Kritiker werfen ihm aber Versagen im Kampf gegen Korruption und mangelnden Erfolg bei der Justizreform vor. Auch soll er EU-Gelder an Unternehmungen weitergeleitet haben, die der Gerb nahestehen – was Borissow zurückweist. 2020 gab es wegen des Unmuts der Bevölkerung monatelang Straßenproteste.

Die Hängepartie bei der Regierungsbildung könnte es dem ärmsten EU-Land erschweren, den Wiederaufbaufonds der EU wirksam zu nutzen, um die schwer unter der Coronavirus-Pandemie leidende bulgarische Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen.