Anhänger der rechten Vox-Partei auf der Tribüne einer Stierkampfarena
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Rechts gegen links in Madrid

Wahlschlacht mit Folgen für ganz Spanien

In der spanischen Region Madrid wird am Dienstag ein neues Parlament gewählt, doch in einem völlig polarisierten Wahlkampf geht es um viel mehr. Die Konservativen von Regionalpräsidentin Isabel Diaz Ayuso plakatierten „Freiheit oder Kommunismus“ und peilen eine Koalition mit der ultrarechten Vox an. Das wiederum lässt die Linke von einer Entscheidung zwischen „Demokratie oder Faschismus“ sprechen. In der vom Coronavirus schwer getroffenen Region ist es eine Schicksalswahl für fast alle Parteien.

Die 42-jährige Diaz Ayuso ist erst seit Sommer 2019 Präsidentin der Regionalregierung der Autonomen Gemeinschaft Madrid. Die Zukunftshoffnung der Konservativen (Partido Popular, PP) regierte mit den konservativen Liberalen (Ciudadanos). Doch als diese eine ebensolche Koalition in Murcia nach Korruptionsvorwürfen gegen die PP im März sprengten, rief auch Diaz Ayuso eine Neuwahl aus. Und daraus wurde ein Politbeben für ganz Spanien.

Denn Ciudadanos, der einstige aufgehende Stern in der spanischen Politlandschaft, scheint spätestens jetzt auch landesweit zu verglühen. Nach Wahlschlappen reihen sich Auflösungserscheinungen. Und in der Region Madrid bleibt der Volkspartei, für die die Absolute wohl nicht in Reichweite ist, nur die Ultrarechte Vox als Regierungspartner über. Und Diaz Ayuso hat im Gegensatz zu vielen Parteikolleginnen und –kollegen da wenig Berührungsängste.

Ultrarechte Vox im Aufwind

Die PP-Abspaltung Vox trat erstmals 2018 bei Regionalwahlen in Süden größer in Erscheinung, bis dahin hatte es im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern Europa keine rechtspopulistische Partei gegeben. Vox knüpft gesellschaftspolitisch an die Zeit der Franco-Diktatur an und wendet sich gegen Einwanderer, Flüchtlinge, Homosexuelle und Frauenrechte ebenso wie gegen Separationstendenzen in einzelnen Regionen.

Gleichzeitig fordert die Partei, Steuern stark zu senken und umfangreiche Sozialleistungen auszuschütten. Politikwissenschaftler stufen sie je nach Politikfeld zwischen rechtsextrem und rechtspopulistisch ein. In einer Regionalregierung ist die Partei bisher noch nicht vertreten – und da könnte Madrid eine Premiere werden.

Mit Lokalöffnungen auf Stimmenfang

Regionalpräsidentin Diaz Ayuso geht vor allem mit ihrer Coronavirus-Politik auf Stimmenfang. Im Gegensatz zur linken spanischen Regierung entschied sie sich zuletzt gegen Lockdowns und Lokalschließungen. Gefeiert wird sie dafür vor allem von Lokalbesitzern und allen, die die Maßnahmen im Rest des Landes für zu streng einschätzen.

Präsidentin der Region Madrid, Isabel Diaz Ayuso
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Regionalpräsidentin Diaz Ayuso gilt als Zukunftshoffnung der Konservativen

Allerdings hat die Region Madrid im Vergleich noch immer eine hohe 7-Tage-Inzidenz. Und in kaum einer anderen Region war die Sterblichkeit während der Pandemie so groß. Kritiker führen das auf ein schlechtes Gesundheitsmanagement in den großteils privatisierten Krankenhäusern der Provinz zurück.

Gefährliche Strategie

Auch ihre Strategie der Annäherung an Vox ist aber gefährlich: Sie fischt mit wenig Hemmungen im Wählerspektrum der Rechtsaußen. Medien beobachten derweil sogar, dass Vox in Madrid immer radikaler wird, „um sich von Ayuso abzugrenzen“.

Schafft sie es weiterzuregieren, empfiehlt sich Diaz Ayuso für höhere Weihen in ihrer Partei, schon jetzt wird sie als die nächste Parteichefin gehandelt. Geht sie dabei tatsächlich eine Koalition mit Vox ein, würde das wohl auch ein Signal für ganz Spanien sein. Wenn sich die Politikerin allerdings verspekuliert hat, könnte die politische Karriere auch schnell wieder mal auf Eis liegen. Denn ihr Parteichef Pablo Casado sieht Vox eher als Bedrohung und Konkurrenz und könnte dann mit dieser Sichtweise Oberhand behalten.

Medien wie „El Periodico“ und „Publico“ bezeichneten sie auch schon als „spanische Trump“. Im TV-Sender Telecinco entgegnete sie im März auf den Vorwurf, sie stehe politisch zu weit rechts: „Wenn sie dich als Faschistin bezeichnen, dann weißt du, dass du es richtig machst, dass du auf der richtigen Seite der Geschichte stehst.“ Ähnlich die Aussage ihres Parteikollegen, Jose Luis Martinez-Almeida, immerhin Bürgermeister von Madrid, bei einem Wahlkampfauftritt: „Wir mögen Faschisten sein, aber wir können regieren.“

Linke Podemos wirft alles in die Wahl

Zwar versuchte er später, das als ironische Bezeichnung kleinzureden, die Linke fühlt sich aber bestätigt: Es gehe bei der Wahl um nicht weniger als „Faschismus oder Demokratie“, sagte der Spitzenkandidat der linksalternativen Unidas Podemos, Pablo Iglesias. Die Galionsfigur der Partei gab für die Wahl sogar sein Amt als Vizeregierungschef in der Zentralregierung auf.

Unidas-Podemos-Spitzenkandidat Iglesias
Reuters/Juan Medina
Podemos-Galionsfigur Iglesias gab für die Wahl seinen Posten als Vizeregierungschef auf

Auch für Podemos geht es um viel: Eine Niederlage in der Region könnte der Partei Die nächste Niederlage zufügen. Auch in der Koalition mit den Sozialisten (PSOE) von Ministerpräsident Pedro Sanchez in der Zentralregierung herrscht eher Stillstand. Dabei hatte es 2019 gleich zwei Wahlen gebraucht, damit sich überhaupt eine Regierungsmehrheit finden konnte.

Immerhin treten die ansonsten linken und linksliberalen Parteien bei der Regionalwahl geeint an. Neben Podemos treten die Sozialisten und die Gruppe Mas Madrid, die Partei der mittlerweile aus der Politik ausgeschiedenen ehemaligen Madrider Bürgermeisterin Manuela Carmena, an. Dass die drei Parteien erstmals seit mehr als 25 Jahren die Region erobern können, scheint fraglich. Die Sozialisten liegen in Umfragen bei 25 Prozent, Mas Madrid bei 15, aber Podemos schwächelt und muss vielleicht sogar um den Einzug zittern.

Morddrohungen und Gewehrkugeln

Dieses Bündnis hatte Diaz Ayuso mit dem Wahlkampfslogan „Freiheit oder Kommunismus“ als Teufel an die Wand gemalt. Und die Polarisierung mit Kommunismus- und Faschismusvorwürfen sorgte für ein vergiftetes politisches Klima: Podemos–Chef Iglesias erhielt Morddrohungen, ihm wurde ein Brief mit vier Gewehrkugeln geschickt. In dem Schreiben wurde klargestellt, dass die Kugel auch für seine Lebenspartnerin, Spaniens Gleichheitsministerin Irene Montero, und die dreijährigen Zwillinge der beiden bestimmt seien. Vox-Kandidatin Rocio Monasterio wollte die Morddrohung in einer Radiowahldebatte nicht verurteilen, woraufhin alle Spitzenkandidaten außer Ayuso die Liveshow verließen.

Vox-Parteichef Santiago Abascal und Spitzenkandidatin für Madrid, Rocio Monasterio
APA/AFP/Oscar Del Pozo
Vox-Kandidatin Rocio Monasterio mit Parteichef Santiago Abascal

Auch Innenminister Fernando Grande-Marlaska sowie die Direktorin der Polizeieinheit Guardia Civil, Maria Gamez, erhielten Drohbriefe mit Gewehrkugeln, Industrie-, Handels- und Tourismusministerin Reyes Maroto wurde in einem Umschlag ein rot beschmiertes Klappmesser geschickt.

„Politisches Klima unerträglich geworden“

Die Zeitung „El Pais“ warnte vor einer „besorgniserregenden Wende", die „die Alarmglocken schrillen lässt: die Gefahr der Ausbreitung von Hass und Feindseligkeit in der spanischen Gesellschaft“. Und sie warnte vor Entwicklungen wie dem Sturm des Kapitols in Washington im Jänner. „Das politische Klima in Spanien ist unerträglich geworden. Viele haben dazu beigetragen, aber niemand trägt mehr Verantwortung für diese Vergiftung als Vox."

Selbst die katholische Kirche, die in Spanien bei der Kommentierung der Tagespolitik zurückhaltend ist, meldete sich zu Wort: Die Bischofskonferenz CEE kritisierte die Wahlkampagne von Vox als „schmerzhaft“, weil sie die „Würde der Menschen“ angreife.

Die Wahl könnte also eine Weichenstellung einleiten, wie die politische Landschaft in den nächsten Monaten und Jahren aussehen könnte. Viel mehr aber könnte die Wahl auch das politische Klima des Landes nachhaltig verändern – zum schlechteren.