Frau verbirgt Gesicht in den Händen
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Femizide

Erste Maßnahmen, zu wenig Budget

Mitglieder der Bundesregierung haben am Montag auf einem Gipfel ein Maßnahmenpaket gegen Gewalt gegen Frauen vereinbart. Opferschutzorganisationen begrüßten einige der Pläne, es brauche aber viel mehr Geld und Ressourcen. Die Psychiaterin und Gerichtsgutachterin Adelheid Kastner sagte in der ZIB2, es bedürfe schnell einer umfassenderen Risikoprognose potenzieller Täter.

Das Paket der Regierung umfasst etwa eine Verbesserung beim Datenaustausch zwischen den Einrichtungen sowie der Durchleuchtung von Tatmotiven. Zudem sollen Fallkonferenzen verstärkt werden und Polizeiinspektionen in ganz Österreich mit speziell ausgebildeten Präventionsbeamten ausgestattet werden. Das Paket präsentierten am Montag Innenminister Karl Nehammer, Frauenministerin Susanne Raab (beide ÖVP) und Justizministerin Alma Zadic (Grüne) noch vor dem Gipfel.

Nehammer rief von Gewalt betroffene Frauen dazu auf, sich an die Polizei zu wenden. „Die Morde an Frauen in diesem Jahr zeigen vor allem eines auf: Nur in einem von insgesamt neun Fällen wurde die Polizei verständigt“, sagte Nehammer. Künftig soll es mit besserem Datenabgleich erreicht werden, dass Gewaltschutzeinrichtungen Opfer nach einer Stalking-Anzeige proaktiv kontaktiert werden können.

Die notwendige gesetzliche Anpassung soll so rasch wie möglich umgesetzt werden, hieß es. Das Frauenministerium will dem Bundeskriminalamt eine qualitative Untersuchung aller Tötungsdelikte an Frauen in den vergangenen zehn Jahren in Auftrag geben. Auch die Justiz will nachbessern. So sollen etwa die Staatsanwaltschaften besser mit den Opferschutzeinrichtungen vernetzt werden.

„Arbeiten am Limit“

Die Reaktionen nach dem Gipfel fielen am Montag unterschiedlich aus. Die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt begrüßte einige der geplanten Maßnahmen. Was aber weiter fehle, seien finanzielle Mittel für den Opferschutz. 228 Millionen Euro mehr bräuchte es. Zudem seien 3.000 zusätzliche Arbeitsstellen notwendig, um Frauen und ihren Kindern wirklich über einen längeren Zeitraum helfen zu können. „Wir haben sehr sehr viel gemacht, trotzdem hat sich die Gewalt nicht verringert, und ein Grund ist, da sind wir zutiefst überzeugt, dass wir immer am Limit arbeiten in unserer Einrichtung“, so Rosa Logar vom Verein Wiener Interventionsstelle gegen familiäre Gewalt in der ZIB1.

Gewaltschutzgipfel: Die Reaktionen

Nach dem Gewaltschutzgipfel im Innenministerium fallen die Reaktionen gemischt aus. Die Organisationen begrüßen einige der Regierungspläne, fordern aber viel mehr Geld für den Opferschutz, von 230 Millionen Euro ist die Rede.

„Wir betreuen über 6.000 Opfer, bei uns ist eine Beraterin für 310 Opfer zuständig, da kann man nur kurzfristige Hilfe geben.“ Gut sei, dass es wieder mehr Fallkonferenzen geben solle, in denen sich Polizei, Justiz und Opferschutz austauschen könnten. Logar forderte aber, dass diese Konferenzen nicht nur von der Polizei einberufen werden können. „Die Einrichtungen müssen hier auf Augenhöhe arbeiten können, und das bedeutet, dass jede Einrichtung, die sich mit Gewalt in der Familie befasst, das einberufen kann.“

Informationen sammeln und teilen

Auch Kastner legte im Gespräch mit der ZIB2 am Montag den Fokus auf die Fallkonferenzen. Mittels dieser Vernetzungen der einbezogenen Einrichtungen sei eine Risikoeinschätzung potenzieller Täter möglich. Mittels einer solchen Prognose könne man im Vorfeld bereits jetzt mögliche Schritte effizient einsetzen. Diese Einschätzungen sollten erstellt werden, „sobald es um das Thema häusliche Gewalt geht“, so Kastner. Das sei aber nur möglich, wenn vorhandene Informationen über einen möglichen Täter auch gesammelt und ausgetauscht werden.

Psychiaterin Kastner über Gewalt gegen Frauen

Warum werden in Österreich so viele Frauen von ihren Partnern und Ex-Partnern ermordet, und was kann dagegen unternommen werden? Dazu war die Psychiaterin und Gerichtsgutachterin Adelheid Kastner zu Gast bei Armin Wolf.

„Die Prognosen sind immer nur so gut wie die Basis, auf der sie erstellt werden.“ Trage man nicht alle Informationen zusammen, könne auch eine Risikoeinschätzung nur unzureichend sein. Daher seien die Fallkonferenzen unbedingt erforderlich. Zudem sollten auch weitere Zeugen, etwa Nachbarn, befragt werden.

„Es sind Hinrichtungen“

Die Morde an Frauen seien Hinrichtungen, so Kastner, und keine „Beziehungsdramen“. Es komme ein gehöriges Maß an Brutalität zusammen, die Tat sei eine „unglaubliche Selbstermächtigung“ einer Person über eine andere. Man müsse sich fragen, „wieso diese Selbstermächtigung in Österreich noch immer eine durchaus traurige Tradition hat“, so Kastner.

Sicherheitsgipfel zum Schutz von Frauen vor Gewalt
APA/Georg Hochmuth
Zadic, Nehammer und Raab berieten am Montag bei einem Gipfel über Maßnahmen

Maria Rösslhumer vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser forderte bereits zuvor mehr Maßnahmen zum Schutz bedrohter Opfer. „Wir haben leider nicht alles getan, es reicht nicht, einer Frau mitten in der Nacht nur eine Telefonnummer zu geben und sie dann alleine zu lassen. Frauen brauchen Personenschutz, wenn sie in einer Risikosituation sind und wenn der Täter noch frei herumläuft“, so Rösslhumer.

Runder Tisch geplant

Personenschutz war auf dem Gipfel im Innenministerium am Montag kein Thema. Das könnte nachgeholt werden. Auf Initiative von Zadic und Raab soll kommende Woche ein runder Tisch zum Thema Gewaltschutz stattfinden, zu dem – anders als am Montag – auch die Opferschutzeinrichtungen geladen sind. Ob diese Einrichtungen auch, wie gefordert, mehr Ressourcen zur Verfügung bekommen, war bei der Pressekonferenz noch nicht klar. Raab betonte, dass das Frauenbudget bereits um 50 Prozent erhöht wurde und entsprechende Mittel auch in die Gewaltprävention fließen. Das Frauenbudget beträgt für 2021 insgesamt 14,65 Mio. Euro.

Gewaltschutzgipfel im Innenministerium

Frauenmorde geschehen in Österreich erschütternd häufig. Die Regierung hat jetzt versucht, ein Paket zu schnüren, das helfen soll. Mehr Prävention und Information, mehr Vernetzung unter den Behörden – das sind die Überschriften dazu.

Die FPÖ sah am Montag im Gipfel „leere Phrasen ohne konkrete Schritte“, so Generalsekretär Michael Schnedlitz. Es fehlten „griffige Maßnahmen komplett“, zudem werde das Problem nicht erkannt. Ein Problem sei „das importierte Frauenbild aus dem Islam“, so Schnedlitz, der einen Zuwanderungsstopp und eine Strafrechtsreform forderte.

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