Auskunftsperson Bernhard Bonelli beim Ibiza Untersuchungsausschuss
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Kurz’ Kabinettschef

Anzeige überschattete „Ibiza“-Befragung

Bereits zum zweiten Mal ist der Kabinettschef von Sebastian Kurz (ÖVP), Bernhard Bonelli, im „Ibiza“-U-Ausschuss befragt worden. Überschattet wurden die Stunden in der Hofburg allerdings von einer Anzeige gegen Bonelli, die dem Parlament „wenige Minuten“ vor Start der Sitzung bestätigt wurde. Ein Abbruch der Befragung wurde verhindert – doch die Entschlagungen nahmen überhand.

Nach der Belehrung durch den Verfahrensrichter meldete sich – etwas ungewöhnlich – auch Verfahrensanwältin Barbara Weiß zu Wort. Sie sei soeben darüber informiert worden, dass eine Strafanzeige gegen die Auskunftsperson eingebracht worden sei. Über den Inhalt der Anzeige wisse man allerdings nichts – was gleich zu einer heftigen Debatte im U-Ausschuss führte. Denn während sich die ÖVP, der Verfahrensrichter und die Verfahrensanwältin für einen Abbruch der Befragung aussprachen – die ÖVP expliziter als die anderen –, wollte die Opposition das nicht gelten lassen.

Der Grund war klar: Ohne Informationen über den Inhalt der Anzeige und den Status der Ermittlungen kann die Auskunftsperson von einem Entschlagungsrecht Gebrauch machen. NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper erklärte daraufhin, dass man eine Anzeige wegen Verdachts auf Falschaussage bereits im Ende März einbrachte, und es sich um diese handeln müsste. Die Entschlagung sei, so die Opposition, nicht durch die Verfahrensordnung gedeckt, weil Aussagedelikte nicht darunter fielen. Das müsse man klären, so Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl.

Auskunftsperson Bernhard Bonelli beim Ibiza Untersuchungsausschuss
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Bonelli war schon im Jänner als Auskunftsperson geladen

„So spricht man vielleicht in Niederösterreich“

Doch ein Anruf im Justizministerium blieb zunächst unbeantwortet, und ein Rückruf brachte keine Ergebnisse, weil man über den genauen Inhalt der Anzeige nicht Bescheid weiß. Gegenüber ORF.at bestätigte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) jedoch, dass eine Anfangsverdachtsprüfung gegen Bonelli auf Grundlage der Sachverhaltsdarstellung von Krisper läuft. Der teils sehr laut geführte Schlagabtausch war aber bereits voll im Gang.

Krisper argumentierte, dass die Justiz es verabsäumt hätte, dem U-Ausschuss die eingelangte Anzeige mitzuteilen. Wäre das rechtzeitig passiert, hätte sich Bonelli informieren können. ÖVP-Mandatar Andreas Hanger nannte die Argumentation „lächerlich“, woraufhin sich auch andere Abgeordnete zu Wort melden wollten und so das Mikrofon von Hanger ausschalteten (es kann immer nur eine Person sprechen).

Nina Tomaselli von den Grünen forderte wegen der Aussage „lächerlich“ von Hanger Ausschussvorsitzenden Wolfgang Sobotka (ÖVP) auf, für einen respektvollen Ton zu sorgen. „So spricht man vielleicht in Niederösterreich, aber nicht hier“, so Tomaselli. Hanger und Sobotka sind beide aus Niederösterreich. Nach einer weiteren Stehung wurde es allmählich ruhiger im Ausschusslokal, und die Befragung wurde quasi neu gestartet bzw. fortgesetzt.

Nina Tomaselli (Die Grünen)
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Grünen-Fraktionschefin Tomaselli übte Kritik an der Vorsitzführung von Sobotka

Keine Akteneinsicht – wenig Antworten

Die wiederaufgenommene Erstbefragung durch Pöschl und danach auch der Grünen ergab das vermutete Szenario: Bonelli entschlug sich praktisch durchwegs. Weil er noch keine Akteneinsicht bekommen habe, setze er sich möglicherweise strafrechtlicher Verfolgung aus – zumal die erfragten Komplexe auch bei der letzten Befragung Thema gewesen seien, wie Bonelli argumentierte. Bonelli war dem Ausschuss bereits am 27. Jänner Rede und Antwort gestanden.

Bei der zweiten Befragung kam auch die Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG) zur Sprache. Bonelli war am 17. Juli 2019 im Büro von ÖBAG-Alleinvorstand Thomas Schmid. Damals war Bonelli nach dem Misstrauensvotum gegen die Kurz-Regierung Kabinettschef von ÖVP-Kanzleramtsminister Alexander Schallenberg. Er, Bonelli, sei sich ziemlich sicher, dass es ein Termin mit Schmid gewesen sei, der habe ihm zwei, drei Mitarbeiter vorgestellt und ihm einen allgemeinen Überblick über die Tätigkeit der ÖBAG gegeben. Da Schallenberg auch mit den EU-Agenden betraut war, habe es Überschneidungen mit der ÖBAG gegeben, so Bonelli.

SPÖ-Mandatar Kai Jan Krainer wollte weiter wissen, ob Bonelli im Oktober 2019 von der ÖBAG ein Dokument zugeschickt bekommen habe. Er bekomme viele Dokumente, sagte Bonelli, der damals wieder im ÖVP-Klub beschäftigt gewesen ist. „Haben Sie Informationen über die ÖBAG erhalten?“, fragte Krainer. Bonelli konnte sich nicht genau erinnern, das sei damals eine intensive Zeit gewesen.

Ausschusslokal des Ibiza Untersuchungsausschuss
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Die Befragungen des U-Ausschusses finden in der Hofburg statt

Treffen über „brisantes Material“?

Fragen zur ÖBAG beantwortete Bonelli kaum – mit der Begründung der Anzeige gegen ihn. Denn die Sachverhaltsdarstellung fußt freilich auf seinen Aussagen in der ersten Befragung – und mit einer weiteren Äußerung könne er sich selbst belasten. So wollte Martin Graf (FPÖ) wohl auch etwas provozierend vom Kabinettschef wissen, ob er bei seiner Antwort bleibt, dass er mit der Bestellung von Schmid nichts zu tun habe. Bonelli machte von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch.

Krainer fragte Bonelli noch, ob er einen Alfred I. kenne. „Persönlich“ kenne er ihn nicht, sagte Bonelli, aber den Namen habe er schon einmal gehört. Der Mandatar wollte wissen, ob Bonelli „2019, 2020“ an Besprechungen über „brisante Unterlagen betreffend Novomatic und ÖVP“ teilgenommen habe. Für Sobokta war die Frage zu unbestimmt, und Krainer fragte nochmals konkret nach.

„Ich kann mich nicht an Treffen erinnern, wo das die Überschrift war“, sagte Bonelli. Krainer ließ nicht locker und bohrte nach, ob er sich an Besprechungen erinnern könne, in denen Material zu Verbindungen zwischen Novomatic und der ÖVP Thema waren. Der Kabinettschef entschlug sich, weil es seiner Meinung nach schon Thema bei seiner ersten Befragung war (Verdacht auf Falschaussage, Anm.). Der SPÖ-Mandatar sah das anders, und Ausschussvorsitzender Sobotka sagte: „Gehen S’ zum Schiedsgericht.“