„Ibiza“: Kurz’ Kabinettschef angezeigt – viele Entschlagungen

Der „Ibiza“-U-Ausschuss hat heute Abend die bereits zweite Befragung von Bernhard Bonelli vorgenommen – und es ging eingangs äußerst turbulent zu. So wurde bekannt, dass gegen den Kabinettschef von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) eine Strafanzeige eingebracht wurde.

Details kenne Bonelli selbst nicht, darum habe er das Recht zu schweigen, „wozu ich ihm auch raten werde“, gab die Verfahrensanwältin eingangs an. Es stellte sich heraus, dass es sich um eine Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdachts auf Falschaussage im U-Ausschuss handle, eingebracht von NEOS. Es gilt die Unschuldsvermutung. Tatsächlich entschlug sich Bonelli bei der Befragung weitestgehend.

WKStA: Anzeige eingelangt

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bestätigte auf ORF.at-Anfrage, dass eine Anzeige gegen die Auskunftsperson eingelangt ist. Bei der Anzeige handelt es sich um jene von NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper wegen Verdachts auf Falschaussage. Es läuft eine Anfangsverdachtsprüfung, so eine Sprecherin der WKStA.

Auskunftsperson Bernhard Bonelli beim Ibiza Untersuchungsausschuss
ORF.at/Lukas Krummholz

„Neue Situation“

Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl gab zu Beginn der Befragung an, dass das Justizministerium bestätigt habe, dass eine Anzeige „kürzlichst“ eingebracht worden sei und die Leiterin der WKStA einen Bericht für die nächsten zwei Tage angekündigt habe. Es sei nun „eine ganz neue Situation“ im Sinne des Entschlagungsrechts der Auskunftsperson.

ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger kritisierte das Vorgehen von NEOS vehement – die Vorgangsweise sei „absurd“. NEOS habe seit Langem von der Ladung und der Anzeige gewusst. Es sei nun wichtig, die Auskunftsperson rechtlich zu schützen – eine Befragung könne dem entgegenstehen. Die Opposition wies dazu jedoch auf die Aussageverweigerungsgründe hin: Die Gefahr der Selbstbelastung kann sich nicht auf Aussagedelikte beziehen, heißt es dazu in der Verfahrensordnung.

Anzeige bereits am 29. März eingebracht

Krisper argumentierte, dass die Justiz es verabsäumt hätte, dem U-Ausschuss die bereits am 29. März eingebrachte Anzeige mitzuteilen. Wäre dAs rechtzeitig passiert, hätte sich Bonelli informieren können. Hanger nannte die Argumentation „lächerlich“, woraufhin sich auch andere Abgeordnete zu Wort melden wollten und so das Mikrofon von Hanger ausschalteten (es kann immer nur eine Person sprechen).

Nina Tomaselli von den Grünen forderte wegen Hangers „lächerlich“-Sager Ausschussvorsitzenden Wolfgang Sobotka (ÖVP) auf, für einen respektvollen Ton zu sorgen. „So spricht man vielleicht in Niederösterreich, aber nicht hier“, so Tomaselli (Hanger und Sobotka stammen beide aus Niederösterreich). Nach einer weiteren Stehung wurde es allmählich ruhiger im Ausschusslokal, und die Befragung wurde fortgesetzt.

Bonelli entschlägt sich praktisch durchwegs

Verfahrensrichter Pöschl fragte Bonelli, ob er vorhabe, generell keine Antworten zu geben. Die Folge waren lange Beratungen dazu. Die wiederaufgenommene Erstbefragung durch Pöschl und danach auch die Befragungen durch die Mandatarinnen und Mandatare ergaben das vermutete Szenario: Bonelli entschlug sich praktisch durchwegs.

Weil er noch keine Akteneinsicht bekommen habe, setze er sich möglichweise strafrechtlicher Verfolgung aus – zumal die erfragten Komplexe auch bei der letzten Befragung Thema gewesen seien, wie Bonelli argumentierte. Bonelli war dem Ausschuss bereits am 27. Jänner Rede und Antwort gestanden.

Gefragt nach der Sechserrunde, die aus ÖVP- und FPÖ-Ministern bestand, erklärte Bonelli, diese zu kennen. Er selbst sei ein- oder zweimal zu sachlichen Themen befragt worden und sonst nicht in der Runde dabei gewesen. Deshalb könne er auch nicht mehr dazu sagen. Kontakt hatte Bonelli aber mit dem derzeit suspendierten Sektionschef im Justizministerium, Christian Pilnacek. Es habe Besprechungen etwa zu Gesetzesvorhaben gegeben.

Treffen zu „brisantem“ Material?

SPÖ-Abgeordneter Kai Jan Krainer fragte Bonelli, ob er einen Alfred I. kenne. „Persönlich“ kenne er ihn nicht, sagte Bonelli, aber den Namen habe er schon einmal gehört. Der Mandatar wollte wissen, ob Bonelli „2019, 2020“ an Besprechungen über „brisante Unterlagen betreffend Novomatic und ÖVP“ teilgenommen habe. Für Sobotka war die Frage zu unbestimmt, und Krainer fragte nochmals konkret nach.

„Ich kann mich nicht an Treffen erinnern, wo das die Überschrift war“, sagte Bonelli. Krainer ließ nicht locker und bohrte nach, ob er sich an Besprechungen erinnern könne, in denen Material zu Verbindungen zwischen Novomatic und der ÖVP Thema waren. Der Kabinettschef entschlug sich – wiederum mit dem bekannten Verweis. Krainer sah das anders, und Ausschussvorsitzender Sobotka empfahl daraufhin: „Gehen S’ zum Schiedsgericht.“